Oaxaca in Mexiko:Starke Frauen, kleine Wunder

Puerto Escondido

Beliebt bei Surfern und Rucksacktouristen: Puerto Escondido am Pazifik.

(Foto: Beate Wild)

Oaxaca ist einer der ärmsten Bundesstaaten Mexikos - und unbedingt einen Besuch wert. Allein wegen der Frauen, die dort das Beste aus ihren indigenen Traditionen machen. Und Traumstrände gibt es auch.

Von Beate Wild

Juana wirft ihren langen Zopf nach hinten, rafft ihren ausladenden Rock zusammen und kniet sich auf den Boden. Dann beginnt sie, Kakaobohnen auf einem erhitzten Stein zu walzen. Juana macht Schokolade per Hand, nach einem alten Rezept ihrer Mutter. Sie braucht viel Kraft, bis aus den kleinen Bohnen eine zähe braune Masse wird. Trotzdem lacht sie bei der Arbeit.

Juana lebt in einem kleinen mexikanischen Dorf mit dem schönen Namen Teotitlán del Valle. Spanisch spricht sie nicht so gut, denn hier im Umland von Oaxaca unterhalten sich die Bewohner hauptsächlich in Zapotec, einem alten indigenen Dialekt aus der präkolumbianischen Zeit.

Seit sie denken kann, stellt Juana Schokolade her, früher allerdings eher für Freunde und Familie. Ein kleines Geschäft machte sie erst Anfang des Jahres daraus, als ihr die Non-Profit-Organisation En Vía einen Mikrokredit anbot. Mit dem geborgten Geld kauft sie Kakaobohnen aus Chiapas und sonstige Zutaten, die sie für ihre Süßigkeiten braucht. Und von den Einnahmen zahlt sie das zinsfrei geliehene Geld in Raten zurück. Ihre Kunden stammen aus ihrem Dorf, neu dazu gekommen sind die Touristen. "Es läuft gut, ich bin zufrieden", sagt Juana und grinst. Die Existenzgründerin ist 82 Jahre alt.

Oaxaca ist Mexikos Bundesstaat mit der größten indigenen Bevölkerung und zugleich einer der ärmsten. Um etwas gegen die Armut zu unternehmen und die Einkunftsmöglichkeiten der Familien zu verbessern, vergibt die 2010 gegründete Stiftung En Vía Kleinstkredite an Frauen. Und zwar nur an Frauen. Juana ist mit ihrem neu entdeckten Unternehmertum also nicht alleine.

Frauen sind zuverlässiger

"Frauen sind in der Regel zuverlässiger, das ist der Grund", sagt Juliet Terramin von En Vía. Männer würden geliehenes Geld eher auf den Kopf hauen, beispielsweise für Alkohol. Unterstütze man dagegen die Projekte der Frauen, komme es der ganzen Familie zugute.

Finanziert werden die Mikrokredite für die Frauen (jeweils meist ein paar Hundert Euro) durch Touristen. Mitarbeiter wie Terramin gehen zweimal wöchentlich mit interessierten Reisenden in einem Kleinbus auf Tour über die Dörfer. 50 Dollar kostet die kleine Bildungsreise pro Person. Besucht werden mehrere Kleinunternehmerinnen, die den Besuchern stolz ihre Geschäfte zeigen und über ihre Erfahrungen berichten.

Ana ist eine von ihnen. Sie wohnt im Nachbardorf San Miguel del Valle. Ihr Fachgebiet sind Stickereien. Damit verziert sie Kleider, Trachten-Schürzen und manchmal Blusen. In ihrem kleinen Häuschen sitzt sie täglich an einer Nähmaschine im Hinterzimmer und stickt die traditionellen Blumenmuster auf die Stoffe, während ihre beiden kleinen Söhne durch die Wohnung toben. "Es ist ein Wunder", sagt sie und strahlt ihre Besucher an. "Ich danke Gott, dass er Sie zu uns geschickt hat." Bei solch überschwänglichem Dank werden die Touristen aus Europa und den USA richtig verlegen.

Ana ist zur Zeit Alleinverdienerin ihrer Familie. Ihr Ehemann hat für zwei Jahre einen "cargo", ein Amt, zu erfüllen. Das bedeutet: Er arbeitet dabei ohne Bezahlung für die Gemeinde, das ist in den indigenen Gemeinschaften der Gegend Pflicht. Es trifft jede Familie irgendwann einmal. Dieses "cargo"-System ist notwendig, um die Gemeinden am Laufen zu halten. "Aber wenn er Zeit hat, hilft er mit, die Stoffe und Garne auf den Märkten einzukaufen", erzählt Ana.

Der Ehemann ist illegal in den USA

Alle Frauen, die Kleinstkredite bekommen, müssen Buchhalterkurse besuchen. So soll gewährleistet sein, dass sie gut mit dem Geld haushalten und es nicht für unnötige oder private Dinge ausgeben. Den Unterricht halten Freiwillige ab, die eine Zeit lang kostenlos für die Organisation arbeiten.

Wie etwa Maria aus Spanien. Die Betriebswirtin aus Madrid hat vier Monate Zeit, bevor sie zu Hause einen neuen Job anfängt. "Ich wollte meine Zeit nützlich verbringen, aber Spaß sollte es auch machen", sagt sie. Jetzt unterrichtet sie mehrmals die Woche die Kleinunternehmerinnen. Ana besucht ihre Unterrichtsstunden zusammen mit Emiliana, die in ihrem Haus eine Tortilla-Bäckerei eröffnet hat.

Auch sie muss alleine das Geld für ihre vier Kinder und sich erwirtschaften. Ihr Mann ist schon seit ein paar Jahren in den USA. Illegal, er sah sich gezwungen zu gehen, wie viele andere Männer in San Miguel del Valle auch, erzählt Emiliana. Hier auf dem Land in Oaxaca gibt es zu wenig Arbeit, das treibt die Männer Richtung Norden. Emiliana weiß nicht, wo ihr Gatte ist, zumindest sagt sie das. "Und Geld schickt er mir auch keines", klagt sie und wischt sich über ihre Augen.

San Miguel del Valle und Teotitlán del Valle liegen weniger als 40 Kilometer östlich von Oaxaca City, der Hauptstadt des Bundesstaates. Die Unterschiede zwischen Stadt und Land könnten aber größer nicht sein. Während in Oaxaca City sowohl Tradition als auch Fortschritt blühen und junge Mexikaner abends mit Touristen aus aller Welt in den hippen Mezcalerias der Stadt feiern, haben die Dorfbewohner meistens nicht einmal eine Toilette im Haus.

Treffpunkt ist die Kirche, nicht das Wirtshaus

Oft sind die Böden der Häuser noch aus Lehm. Gekocht wird auf offenem Feuer mit gußeisernen Töpfen. Und Treffpunkt für Alt und Jung ist nicht ein Wirtshaus, sondern die katholische Kirche am zentralen Dorfplatz.

Teresa bemüht sich das zu ändern - zumindest ein bisschen. Sie hat vor ein paar Jahren ein kleines Café in ihrem Haus in Teotitlán del Valle eröffnet. Touristen sind in der gemütlichen Stube willkommen, aber vor allem will sie die Einheimischen versorgen. An den Wänden hängen Teppiche, in einer Ecke sind Schals und Taschen zum Verkauf ausgestellt. "Das webe ich alles selbst", sagt Teresa stolz. Sie ist die Enkelin von Juana, der 82-jährigen Schokoladenproduzentin. Sie scheint den Unternehmergeist von ihr geerbt zu haben.

Was ist das Besondere an Oaxaca?

Oaxaca City, die Hauptstadt des Bundesstaates Oaxaca, liegt eine Flugstunde von Mexico City entfernt - und ist bislang noch nicht vom Massentourismus verändert worden. Die schöne, bunte Kolonialstadt ist ein Anziehungspunkt für Künstler und Kunsthandwerker. Ihr historisches Zentrum hat die Unesco zum Weltkulturerbe ernannt. In der 250 000 Einwohner großen Stadt gibt es großartige Museen über Land und Leute, die präkolombianische Siedlung Monte Álban sowie eine Kathedrale aus dem 17. Jahrhundert. Das Beste an Oaxaca sind aber seine freundlichen Menschen. Und die Kulinarik: Die Gegend ist bekannt für Mole, eine pikante Soße mit Schokolade, die es in sieben verschiedenen Varianten gibt. Außerdem ist der Bundesstaat Oaxaca geradezu berühmt für seinen Mezcal, einen aus Agavenblättern gebrannten Schnaps. Diesen gibt es deshalb in jedem Restaurant und in jeder Bar zu kosten. Fachkundiges Personal berät den Gast über die verschiedenen Sorten und Geschmacksrichtungen.

Gibt es Strände in der Nähe?

Und was für welche. Beliebter Strandort bei Surfern und Rucksacktouristen ist Puerto Escondido am Pazifik - mit einer Cessna in 45 Minuten zu erreichen, mit dem Bus in mehr als sechs Stunden. Aber auch kleinere Küstenorte wie Mazunte oder Puerto Ángel etwas weiter südlich haben traumhafte Strände. Die Anreise an diese Küstenorte mag etwas beschwerlich sein, dafür sind sie nicht von Pauschaltouristen überlaufen.

Wie sicher ist Oaxaca?

Oaxaca gilt als arm, aber relativ sicher. Von den Drogenkartellen wird es bislang verschont. Das Auswärtige Amt hat deshalb weder Oaxaca City noch den Rest des Bundesstaates auf der Liste der Reisewarnungen.

Mexiko liegt jedoch in einer seismisch sehr aktiven Zone, weshalb es zu Erdbeben kommen kann. Besonders gefährdete Bundesstaaten an der Pazifikküste waren bisher immer nur in Teilen betroffen. Informationen zum Verhalten bei Erdbeben bietet das Merkblatt des Deutschen Geoforschungszentrums Potsdam.

Wie kann ich die indigenen Unternehmerinnen besuchen?

Mit der Non-Profit-Organisation "Fundación En Vía" in Oaxaca City. Alle Infos gibt es hier auf deren Webseite.

Im Hinterzimmer steht ein riesiger Webstuhl. Teresa demonstriert, wie sie die Muster in die Teppiche webt. Sogar die Wolle dafür färbt sie selbst, mit Naturfarben, die sie aus Blumen gewinnt. "Freilich, die Konkurrenz ist groß. Aber meine Teppiche sind ganz speziell, ich habe meine Kunden, auch aus dem Ausland", sagt sie. Wie ihre Großmutter hat Teresa einen Kredit aufgenommen. "Die Wolle, das Material, das ist viel Geld, wenn man damit in Vorleistung gehen muss. Ohne Mikrofinanzierung könnte ich weder die Weberei noch das Café betreiben", sagt sie.

Dass mehrmals im Monat ein Kleinbus mit Touristen aufkreuzt, denen sie alles zeigt und die sie dann mit Hühnchen und Mole (einer pikante Schokoladensoße, die typisch für Oaxaca ist) bewirtet, gefällt ihr außerdem sehr. "So lerne ich Menschen aus der ganzen Welt kennen." Sie grinst. "Und ein wenig Geschäft mache ich auch mit ihnen."

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