Notlandung auf dem Hudson-River:"Nerven wie John Wayne"

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Warum die Notwasserung in New York glückte und welche Meisterleistung der Pilot vollbracht hat - ein Gespräch mit dem ehemaligen Flugkapitän Bernd Bockstahler.

Daniela Dau

Die spektakuläre Notlandung eines Airbus A320 der US Airways auf dem Hudson River in New York ist glücklichen Umständen geschuldet und einer großartigen Leistung des Piloten Chesley Sullenberger. Bernd Bockstahler, ehemaliger Flugkapitän und Chefredakteur der Zeitschrift der flugleiter, erklärt warum.

Bernd Bockstahler ist ehemaliger Flugkapitän und Chefredakteur der Zeitschrift "der flugleiter". (Foto: Foto: privat)

sueddeutsche.de: Warum hat sich der Pilot der US-Airways-Maschine zur Notlandung auf dem Hudson-Fluss entschlossen?

Bernd Bockstahler: Das war sein Glück, dass er das tun konnte. Offensichtlich befand er sich kurz nach dem Start vom New Yorker Flughafen La Guardia, er war also noch nicht sehr hoch. Das ist eine kritische Phase eines Flugs, in der die Maschine viel Leistung braucht. Wenn dann beide Triebwerke ausfallen, kann das Flugzeug nur noch im Gleitflug stabil gehalten werden, die Rückkehr zum Flughafen war also nicht möglich. Und nun stellen Sie sich vor: Manhattan, Hochhäuser und mitten drin der Fluss. Ich muss sagen, eine kühne, aber glückliche Entscheidung.

sueddeutsche.de: Wie bereitet man ein Flugzeug auf eine Notwasserung vor?

Bernd Bockstahler: Das kommt sehr auf die Umstände an. Im Gleitflug wird ein Flugzeug anders gelandet, als wenn Leistung zur Verfügung steht. Man sollte versuchen, so langsam wie möglich aufzusetzen - mit dem Heck zuerst.

Das Problem ist ja: Sobald die Maschine eintaucht und die Triebwerke unter Wasser geraten, wird das Flugzeug abrupt abgebremst. Im schlimmsten Fall werden dann Motoren und Tragflächen abgerissen. Das Flugzeug überschlägt sich und bricht auseinander.

sueddeutsche.de: Was hat die Katastrophe auf dem Hudson verhindert?

Bockstahler: In New York hatte der Kapitän das Glück, dass die Wasseroberfläche sehr ruhig war. Bei Notwasserungen im Meer gibt es immer eine geringe Dünung, das war hier offensichtlich nicht der Fall. Trotzdem bleibt es eine Meisterleistung.

sueddeutsche.de: Was passiert in der Kabine vor einer solchen Landung?

Bockstahler: Dasselbe wie vor anderen Notlandungen auch: Die Passagiere werden aufgefordert, eine Schutzhaltung einzunehmen. Sie beugen sich vornüber, ziehen die Schuhe aus und legen Brillen ab. Gegenstände, die herumfliegen könnten, werden befestigt. Allerdings glaube ich, dass in diesem Fall verdammt wenig Zeit für all das war. Trotzdem soll die Stimmung an Bord recht ruhig geblieben sein.

sueddeutsche.de: Ist der Aufprall nicht trotz aller Notmaßnahmen gewaltig?

Bockstahler: Natürlich, der ist hart. In der Regel hat das Flugzeug da immer noch eine Geschwindigkeit von etwa 250 Stundenkilometer und selbst die glatteste Wasseroberfläche ist hart wie Beton.

Lesen Sie weiter, warum die Maschine so lange an der Wasseroberfläche trieb und welche Auswirkungen Vogelschlag haben kann.

sueddeutsche.de: Das Flugzeug blieb nach der Notwasserung lang genug an der Wasseroberfläche, so dass alle Passagiere aussteigen konnten.

Bockstahler: Flugzeuge schwimmen gut. Und außerdem sind die Kabinen luftdicht, sonst könnten wir in großer Höhe gar nicht überleben, da wird ja ein künstlicher Luftdruck aufgebaut. Sie sind zwar keine Rettungsinsel, halten sich aber doch noch eine Weile an der Oberfläche, zumal wenn sie nach der Notwasserung intakt geblieben sind und das Wasser nur durch die Türen hereinströmt. Ich habe gelesen, dass der Kapitän sogar Zeit hatte, noch zweimal durchs Flugzeug zu laufen, um nachzusehen, ob auch wirklich alle Passagier hinausgelangt sind. Der Mann muss Nerven wie John Wayne haben.

sueddeutsche.de: Der Pilot Chesley Sullenberger hatte Erfahrungen als Kampfflieger - könnte das in dieser Extremsituation nützlich gewesen sein?

Bockstahler: Das mag geholfen haben. Kriterien für den Einsatz als Kampfflieger sind ja außergewöhnliche Kaltblütigkeit und Entscheidungskraft.

sueddeutsche.de: Kann man eine Notwasserung trainieren?

Bockstahler: Auf so etwas kann sich eigentlich nicht vorbereiten. Ob eine Notwasserung glückt, hängt von den sehr speziellen Umständen der Notsituation ab. Was man aber im Simulator sicher trainiert, ist zum Beispiel der Gleitflug. Selbst die größten Flugzeuge können ja wunderbar segeln, selbst wenn eins oder mehrere Triebwerke ausfallen.

sueddeutsche.de: Vogelschlag soll die Ursache für den Ausfall beider Triebwerke bei der US-Airways gewesen sein. Wie viele Vögel braucht es, damit ein Flugzeug so massiv beschädigt wird?

Bockstahler: Also, wenn Ihnen ein kleiner Buchfink oder eine Amsel ins Triebwerk kommt, passiert in der Regel nix, da kriegt man im Cockpit nur eine Störungsmeldung. In New York sollen dem Flugzeug aber Gänse in die Quere gekommen sein, das können ja richtige Brocken sein. Wenn das unmittelbar nach dem Start passiert, reichen schon ein oder zwei Vögel, um das Triebwerk massiv zu schädigen. Wie viele es genau waren, werden aber sicher die anstehenden Untersuchungen zeigen.

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