Schon am internationalen Flughafen machen die Isländer aus ihrer großen Not eine Tugend. "Sind Sie wegen der Natur oder wegen des Wechselkurses hier?", heißt es auf einer Werbetafel.
Man solle sich wegen der niedrigen Preise nicht schämen und vor Beginn des Urlaubs doch bitteschön im Duty-Free-Shop zulangen. Amerikaner, Briten, Dänen und Deutsche bedienen sich besonders beim Dosenbier, das hier um die Hälfte günstiger ist als im Rest des Landes. Seit Island vor dem Bankrott stand und die Krone um knapp 70 Prozent zum Euro gefallen ist, ist Urlaub hier günstig wie nie - auch wenn die Preise langsam wieder anziehen. Im Vergleich zum November 2007 haben vorigen Monat 2,6 Prozent mehr Touristen das Land besucht.
"Die Zahl dürfte aber noch weit höher sein, da auch die nun ausbleibenden ausländischen Arbeitskräfte und die weniger gewordenen Geschäftsleute in die Tourismuszahlen eingerechnet werden", sagt Maria Reynisdottir vom Tourismusbüro in der Hauptstadt Reykjavik. Im November habe es 40 Prozent mehr Beratungen in den Tourismusbüros gegeben. Bisher kamen in diesem Jahr 450.000 Touristen - ein Rekord. "Der Tourismus ist in der Krise sehr wichtig für unsere Wirtschaft, um Devisen zu bekommen, aber auch für unser Image", sagt sie.
Und die Ausländer kaufen kräftig ein, was die Zahl an Steuererstattungen für Touristen belegt. Bei Einkäufen über 4000 Isländische Kronen (ca. 25 Euro) gibt es 15 Prozent Steuern zurück. Der führende Rückerstatter Iceland Refund zahlte im November 271 Prozent mehr Steuern zurück als im Vorjahresmonat.
Die meisten Taxifahrer in Reykjavik profitieren dieser Tage wie auch Hotel- und Gasthausbesitzer von der Krise: "Für mich sind es sehr gute Zeiten", sagt einer der Fahrer. In den USA ist Island als neues Billig-Reiseland in aller Munde. Auch wenn die Preise für ein einfaches Abendessen Mitte Dezember schon wieder umgerechnet bei zehn Euro liegen, sind in Reykjavik und Umgebung für diese Jahreszeit ungewöhnlich viele Amerikaner anzutreffen, die von einem Krisenland ins andere rüberjetten.
Eine davon ist Kim Shaw. Nach Feierabend ist sie mit vier Freundinnen zum New Yorker John F. Kennedy-Flughafen gefahren und nach 5,5 Stunden Flugzeit in Island gelandet. "It's a cheap deal" ("Es ist eine billige Sache"), ruft die blonde Modedesignerin, während sie zum Abschluss ihres dreieinhalbtägigen Trips in der Blauen Lagune planscht. Shaw hat für die Reise mit Flug und Hotel 635 Dollar bezahlt. "Man darf sich nicht unterkriegen lassen und wenn es solche Angebote gibt, muss man trotz Krise zugreifen."
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In dem 42 Grad warmen milchig-blauen Heilsee, der Sehenswürdigkeit Nr. 1, die zwischen schwarzem Lavastein inmitten einer Schnee- und Eis-Kulisse liegt, lässt sich entspannt über die Krise plaudern. "Was uns mit den Isländern verbindet, ist unser Optimismus", sagt die 26 Jahre alte New Yorkerin Shaw. "Island ist gerade der letzte Schrei", erzählt sie.
Das Land, in dem es überall blubbert, dampft und Geysire in die Luft schießen, sei ein bisschen wie Utopia. "Und seit der Ankunft haben wir nicht geschlafen, das Nachtleben ist der Wahnsinn."
Auch David Heinziger lässt sich die Blaue Lagune nicht entgehen, er arbeitet in der New Yorker Fifth Avenue in der Tourismuswerbung. "Billig-Urlaub in Island ist in den Medien gerade ein großes Thema, deshalb gibt es einen Ansturm auf Pauschalangebote mit Hotel und Flug."
Das 320.000 Einwohner zählende Eiland war durch die waghalsigen Geschäfte der Geldhäuser fast in den Abgrund geraten. Durch die Verstaatlichung von Banken und mit Hilfe von ausländischen Darlehen in Höhe von rund zehn Milliarden Dollar konnte die Regierung eine Staatspleite gerade noch so abwenden.
Niedrige Flugpreise aus "Dankbarkeit"
Als der Milliardenkredit unter anderem vom Internationalen Währungsfonds - bewilligt war, senkte die Fluglinie Icelandair "aus Dankbarkeit" die Preise für Flüge von Deutschland aus pauschal um 25 Prozent.
Wegen des Fast-Bankrotts kamen auch Hunderte Pressevertreter, die ihren Teil dazu beitrugen, dem Tourismus im Winter unverhoffte Zuwachsraten zu bescheren: Da ist das Fernsehteam aus Taiwan, das über die Hintergründe der Krise in dem Land berichtet, wo von der Cola am Kiosk bis zur Taxifahrt alles per Kreditkarte gezahlt wird.
Oder der amerikanische Magazin-Journalist, der um die Insel trampen soll, um den Isländern immer die gleiche Frage zu stellen: "Are you happy? - Bist Du glücklich?" Schließlich sind Isländer laut des "European Happy Planet Index" die glücklichsten Europäer. Die Frage sei nun, ob dies angesichts eines drohenden Wirtschaftseinbruchs um fast zehn Prozent und drastisch steigender Arbeitslosigkeit immer noch so ist.