"Nicht Borats Land":Der beleidigte Staat

Die Kasachen sind sauer über die Satire des britischen Komödianten Cohen, der als rassistisch-sexistischer Reporter "Borat" eigentlich US-Amerikaner bloßstellt. Dabei hätte Kasachstan nichts Besseres passieren können.

Kasachstan ist plötzlich in aller Munde. Zu verdanken hat das Land den unerwarteten Ruhm dem britischen Komödianten Sacha Baron Cohen, der in den Kinos als kasachischer Reporter "Borat" Furore macht - und seine angebliche Heimat in einem schlechten Licht präsentiert.

"Borat" trinkt Wasser aus dem Pissoir und behandelt Frauen grundsätzlich wie Menschen zweiter Klasse. Diese Satire jenseits der Realität bereitet der Regierung in Kachastan durchaus Sorgen.

"Niemand kennt unser Land. Niemand weiß, was hier los ist", sagte der kasachische Tourismusminister Temirkhan Dosmukhambetov in der Hauptstadt Astana.

Der Satiriker Cohen bietet mit seinem Film zwar möglicherweise mehr Chancen für den kasachischen Fremdenverkehr als alle staatlichen Förderprogramme zusammen. Doch das will man in der Regierung in Astana noch nicht recht einsehen.

"Kasachstan ist nicht Borats Land. Aber wir laden ihn herzlich ein, damit er einen richtigen Eindruck erhält", sagt Kenzhebay Satzhanov, zweithöchster Tourismusbeauftragter des Landes.

Bislang kommen vorwiegend Gäste aus Russland nach Kachastan, doch unter Abenteuerbegeisterten und Extremsportlern ist das Land schon lange ein Geheimtipp.

Steppen konkurrieren mit Wüsten, Halbwüsten, unberührten Tälern, wilden Flüssen, tiefen Schluchten und Seen sowie mit Schnee bedeckten Gebirgszügen um die Gunst der Urlauber. Auch weite Teile der Seidenstraße verlaufen durch Kasachstan.

Der Staat ist dabei ein Ziel für Leute, die die Stille suchen. Außerhalb der Städte trifft man kaum Menschen.

Das riesige, weitgehend unerschlossene Land hat nur etwas mehr als 15 Millionen Einwohner, weniger als die Niederlande.

Wer von Europa nach Kasachstan fliegt, kommt zuerst nach Almaty. In der alten Hauptstadt im Südosten schlägt das Herz des Landes.

Bis 1994 hieß die Stadt Alma Ata.

Das bedeutet "Vater der Apfelbäume" - rings um die Stadt gedeihen die Obstbäume. Obwohl die Hauptstadt vor neun Jahren nach Astana verlegt wurde, ist Almaty das Kultur- und Wirtschaftszentrum geblieben. Es bietet eine kuriose Mischung aus sowjetischer Monumentalarchitektur, orientalischem und westlichem Flair.

Mit ihren riesigen Gärten, in denen Obst, Weinreben und Tabak gedeihen, schmiegt sich die Stadt an die Ausläufer des Thienshan-Gebirges, dessen Gipfel bis zu 7000 Metern in den Himmel ragen. Dort haben Luchse und der vom Aussterben bedrohte Schneeleopard eine Zuflucht gefunden.

Unweit von Almaty liegen Medeu mit der höchstgelegenen Eislaufbahn der Welt und das Skigebiet Schymbulak.

Almaty ist ein Schmelztiegel mit mehr als 100 Nationalitäten. Unter Stalin wurden in der Sowjetunion viele Volksgruppen, darunter Deutsche, Türken, Krimtartaren, Koreaner und Kaukasusvölker, hierher umgesiedelt. Sie haben sich mit den ursprünglichen mongolischen Bewohnern vermischt.

Der beleidigte Staat

Die "Stadt der Apfelbäume" zieht noch heute wie ein Magnet viele Einwanderer an, vor allem aus den Nachbarländern Kirgistan und Usbekistan. Touristen bleiben dagegen in der Regel nicht lange in Almaty, denn zwei Erdbeben zu Beginn des 20. Jahrhunderts haben die meisten historischen Gebäude zerstört.

Eines der wenigen, die noch stehen, ist die hölzerne Auferstehungskirche. Sie wurde 1907 für den Bischof von Turkestan erbaut und ist heute einer der schönsten hölzernen Sakralbauten der Welt. Ohne einen einzigen Nagel soll die Kirche mit ihren vielen Kuppeln und Ornamenten entstanden sein.

Im Süden von Almaty liegt der Ile-Alatau-Naturpark. Auf einer Fläche so groß wie Monaco vermittelt das Areal einen Querschnitt der kasachischen Landschaftsvielfalt, vom tiefblauen Almaty-See und der wilden Turgen-Schlucht bis hin zu alpinen Wiesen und Gletschern.

In den Jurten, den typischen kreisrunden Behausungen der Nomaden Zentralasiens, lernt der Besucher hier auch die kasachische Gastfreundschaft kennen.

Das Ritual ist immer gleich: Frauen oder Mädchen servieren Tee, dazu werden frittiertes Gebäck, Süßigkeiten und getrocknete Früchte gereicht. Danach erst beginnt das eigentliche Festmahl.

Ein typisches Gericht ist Besbarmak, gekochtes Pferde- oder Lammfleisch auf Nudelteig. Dabei darf das Nationalgetränk, die so genannte Kymis, nicht fehlen. In großen Tassen wird die vergorene Stutenmilch angeboten, sie ist allerdings eher für robuste Mägen empfehlenswert.

Zum Runterspülen eignet sich dann ein kräftiger Schluck Wodka. Einen krassen Gegensatz zu Almaty und seinem Hinterland bildet Astana.

Inmitten endloser Steppen lässt der autoritär herrschende Präsident Nursultan Nasarbajew eine Stadt mit Repräsentationsbauten nach chinesischem Vorbild aus dem Boden stampfen. Finanziert wird die Bauwut mit den sprudelnden Öleinnahmen aus dem Kaspischen Meer.

Internationale Stararchitekten wie der Japaner Kisho Kurokava haben den Masterplan für die Stadt entworfen, die bis zum Jahr 2010 eine Million Einwohner haben soll. Momentan sind es schon mehr als 600.000.

Vom protzigen Präsidentenpalast aus führt eine futuristische Achse am modernen Wahrzeichen der Hauptstadt, dem Aussichts- und Funkturm Baiterek, vorbei zum Hauptsitz des Petrokonzerns KasachOil.

Die Kritik, das Ganze sei etwas seelenlos, lassen die Bewohner von Astana nicht gelten. "Ich liebe diese Stadt, sie steht für Mut und Neubeginn", sagt Kulpash Konyrova, eine Journalistin und alleinerziehende Mutter. "Nirgendwo sonst in Kasachstan gibt es so viel Dynamik wie hier."

Hinterwäldlerisch wie im "Borat"-Film ist Kasachstan hier auf keinen Fall.

Informationen:

Lage: Kachastan liegt in Zentralasien, der nördlichste Ort des Landes befindet sich auf der geographischen Höhe von Moskau, der südlichste ungefähr auf Höhe von Madrid.

Klima:

Im Norden ist das Klima kontinental, hier findet man vor allem Waldsteppe. In Zentral- und Westkasachstan besteht mehr als die Hälfte des Territorialgebietes aus Halbwüste und Wüste (die so genannte Hungersteppe). Im Süden herrscht feuchteres Kontinentalklima vor. Die Landschaft prägt stark vergletschertes Hochgebirge (Alatau, Tien-shan).

Weitere Informationen:

Deutsche Botschaft in Kasachstan, www.almaty.diplo.de

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