Süddeutsche Zeitung

Städtereise:Von hier aus haben Sie den schönsten Blick auf New York

In Manhattan eröffnet die höchste Aussichtsplattform der westlichen Hemisphäre. Wir zeigen Ihnen Orte, die andere spektakuläre Weitblicke eröffnen.

Von Johanna Bruckner, New York

So multikulturell New York ist, es gibt eine Religion, der alle Bewohner huldigen: Gigantismus. Und so lesen sich mitunter auch PR-Ankündigungen für eine neue Sehenswürdigkeit wie Handreichungen zur spirituellen Erweckung. "Der Moment, in dem Sie hinaustreten auf die höchste Außenterrasse in der westlichen Hemisphäre, ist ein Moment, den Sie nie vergessen werden", heißt es auf der Webseite zum neuen "Edge Observation Deck". "Erheben Sie sich über die Wolken, die Vögel, die Stadt selbst." Die Plattform mit Zen-Potenzial, etwa 335 Meter über den hochfrequentierten Straßen der Stadt, ist Teil des größten privaten Immobilienprojekts in der amerikanischen Geschichte: "The Hudson Yards" erstrecken sich von der 30. bis zur 34. Straße und sollen zwischen Chelsea und Meatpacking District nichts weniger als das neue In-Viertel am Ufer des Hudson Rivers werden; ein Areal mit exklusiven Büroflächen, Luxusappartements, hochpreisigen Restaurants und jeder Menge Einkaufsmöglichkeiten.

Auf den erleuchtenden Moment beim Betreten der zugehörigen Aussichtsplattform mussten Besu­cher allerdings noch warten. Die Eröffnung von "The Edge" - benannt nach dem spitz zulaufenden Grundriss des knapp 20 Meter ins Nichts ragenden Balkons - ist im März 2020. Fotos beim Immobilien-Blog Curbed lassen erahnen, dass der Blick tatsächlich spektakulär sein dürfte. Wobei Superlative in dieser Stadt relativ sind: Wir haben für Sie Orte zusammengestellt, von denen Sie ebenfalls einen einzigartigen Blick auf New York haben.

Bar "SixtyFive" im Rockefeller Center

Was ist das Besondere? Es gibt kaum etwas, das die Aussicht von der Spitze des Rockefeller Centers aus über die Stadt toppen kann. Außer vielleicht, eben diese Aussicht mit einem Drink in der Hand genießen zu können. Die Bar "SixtyFive" im 65. Stock des ikonischen Gebäudes gehört zum turmeigenen Restaurant mit dem vielversprechenden Namen "Rainbow Room". Der wurde 1934 ursprünglich als Nachtclub für die bessere New Yorker Gesellschaft eröffnet. Vom alten Glamour ist nach einer Generalüberholung vor einigen Jahren nicht mehr viel geblieben. Heute sorgen eine moderne Lichtanlage, ein riesiger Kristallkronleuchter und Prismen in den Fenstern für eine Atmosphäre, die dem Namen gerecht wird. Das hat seinen Preis. Für den anstehenden Osterbrunch ruft der "Rainbow Room" 162 Dollar pro Person auf - wohl dem, der den Goldschatz am Ende des Regenbogens schon gefunden hat. Deutlich günstiger kommen Besucher in der angeschlossenen Bar weg. Dort kostet ein Cocktail um die 20 Dollar. Das ist in Manhattan guter Rooftopbar-Schnitt. Und ein regelrechtes Schnäppchen verglichen mit den knapp 40 Dollar, die für den Besuch der offiziellen Aussichtsplattform "Top of the Rock" fällig werden.

Was hat man im Blick? Ganz Manhattan. Bronx und Central Park im Norden, Empire State Building und Lower Manhattan im Süden. Den Blick über den East River Richtung Brooklyn und den Hudson River nach Jersey City gibt es noch dazu.

Wer ist noch da? Ein bunter Mix aus gesellschaftlich Aufstrebenden, Selfie-Affinen und schwer Verliebten - die Außenterrasse ist schließlich wie gemacht für Heiratsanträge. Auch wenn Restaurant und Bar nicht direkt ein Geheimtipp sind, hält sich die Zahl der Touristen in Grenzen.

Was trübt die Aussicht? Nicht nur die Preise dienen als Selektionskriterium - auch der ausgegebene Dresscode soll wohl ein eher elitäres Publikum ansprechen. Jackett ist Pflicht, Turnschuhe sind tabu.

Bar SixtyFive, 30 Rockefeller Plaza, 65. Stock, Öffnungszeiten: Montag bis Freitag, 17 bis 24 Uhr, Sonntag, 16 bis 21 Uhr, Reservierungen online möglich, mehr Informationen hier.

Seilbahn von Roosevelt Island nach Manhattan

Was ist das Besondere? Direkt in Manhattan einzuschweben, ist ein Privileg, das normaler­weise einen gut gefüllten Geldbeutel erfordert. Oder gleich den Besitz eines Privathub­schraubers. Wer sich zumindest ein bisschen so fühlen will wie New Yorks Superreiche, kann mit der U-Bahn (Linie F) nach Roosevelt Island fahren - und zurück die Seilbahn bis zur 59. Straße, Ecke Second Avenue nehmen. Wer ein Wochenticket hat, muss noch nicht mal extra zahlen, sondern kann einfach am Einlass seinen MTA-Pass durchziehen. Ansonsten kostet der Trip so viel wie eine Fahrt mit der U-Bahn: 2,75 Dollar. Die seit den 70er Jahren existierende Seilbahn heißt im Englischen übrigens Tram - das passt insofern, als die Ästhetik der Wohnsiedlungen auf Roosevelt Island ein bisschen an das Olympische Dorf in München erinnert. Wer ausnutzen will, dass er schon mal vor Ort ist, sollte durch den Four Freedoms Park an der Südspitze des schmalen Eilands im East River spazieren. Von hier aus eröffnet sich auf Manhattaner Seite der Blick unter anderem auf den vielleicht schönsten Skyscraper der Stadt, das Chrysler Building, und eines der hässlichsten Gebäude, das Hauptquartier der Vereinten Nationen. Im Osten ist Long Island City mit dem markanten Pepsi-Cola-Zeichen zu erkennen, das zur Werbemaximierung nachts erleuchtet wird.

Was hat man im Blick? Die Seilbahn gleitet hinweg über den East River hinein in den Concrete Jungle Manhattans. Wer in Fahrtrichtung rechts aus dem Fenster blickt, sieht die ersten Blocks der noblen Upper East Side. Linker Hand liegt ein Teil Midtowns, der vor allem von Geschäftsgebäuden dominiert wird - hier haben Kreditinstitute, Unternehmensberatungen und Versicherungen ihre Büros, die Anzug- und Kostümdichte ist hoch.

Wer ist noch da? Roosevelt Island beheimatete einst ein Gefängnis und mehrere Krankenhäuser, unter anderem psychiatrische Einrichtungen und eine Klinik für ansteckende Krankheiten. Das damit verbundene Image als Insel der Aussätzigen ist lange passé. Heute befindet sich auf Roosevelt Island unter anderem der Campus einer Technik-Uni. Allerdings nutzen jene, die dort wohnen oder arbeiten lieber die Metro als die Seilbahn, in den Gondeln der Seilbahn sind Touristen meist unter sich.

Was trübt die Aussicht? Andere Urlauber. Der Trip von Roosevelt Island nach Manhattan dauert nur drei bis vier Minuten, die Fensterplätze sind begehrt. Wer nicht zum Zug kam oder schon mal am Bildschirm abheben will, findet hier ein Video der Überfahrt.

Roosevelt Island Tram, Sonntag bis Donnerstag, 6 bis 2 Uhr, Freitag/Samstag, 6 bis 3.30 Uhr, alle sieben bis 15 Minuten. Mehr Informationen hier.

Hudson River Waterfront Walkway in Hoboken

Was ist das Besondere? Die Stille beim Skyline-Bestaunen. Und das ist absolut unironisch gemeint. In Filmen und Serien kommt die Stadt im Westen New Yorks in der Regel nicht gut weg - hier, so das popkulturelle Klischee, zieht es die Langweiler hin. Aus Perspektive der Stadt der Singles sind das meist: Paare mit Kindern oder Kinderwunsch. Tatsächlich hat Hoboken aber mehr zu bieten als Kitas mit niedlichen Namen wie "Hugs & Bugs". Allen voran den Hudson River Waterfront Walkway.

Was hat man im Blick? Die moderne Uferpromenade bietet einen fantastischen Blick auf die gesamte Westseite Manhattans. Und wer aus dem Gedränge und dem Lärm der Großstadt kommt, wird die Bewegungsfreiheit und Ruhe beim Uferspaziergang durchaus zu schätzen wissen. Hier kann man noch das Anlanden der Wellen hören, nun ja, unterbrochen vom Geräusch der Ausflugshelikopter, die über der Stadt ihre Kreise ziehen (normalerweise im übrigen Verkehrslärm aber nicht auszumachen sind). Wer mehr Action sucht, als das Flanieren bietet, der kann von Hoboken aus eine angeleitete Tour mit dem Jetski um die Südspitze Manhattans bis hoch zur Brooklyn Bridge machen. Vom Wasser aus sieht die Stadt noch einmal beeindruckender aus. Eine Warnung: Der Spaß belastet nicht nur die Umwelt, sondern auch den Geldbeutel (Preise ab 150 Dollar/Person).

Wer ist noch da? Kaum jemand. Das ist ja das Schöne.

Was trübt die Aussicht? Möglicherweise die Anreise. Hoboken gehört schon zum US-Bundesstaat New Jersey und ist nicht mehr mit der New Yorker Metro, sondern nur mit der sogenannten PATH Train zu erreichen. Allerdings gibt es in Manhattan gleich fünf Einsteigemöglichkeiten (33rd Street, 23rd Street, 14th Street, 9th Street und Christopher Street) - und die Fahrzeit bis zur Haltestelle Hoboken beträgt nur etwa zehn Minuten. Wer den Weg nicht nur für ein bisschen Aussicht machen will: Wir haben Ausflugstipps für Jersey City zusammengestellt.

Ein Return-Ticket mit der PATH Train nach Hoboken kostet 5,50 Dollar. Zum Werktags-Fahrplan geht es hier.

Governors Island

Was ist das Besondere? Als könnte man die Wolkenkratzer des Financial Districts mit den Fingerspitzen berühren - dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man den höchsten Punkt von Governors Island erklommen hat. Damit jetzt keine Missverständnisse aufkommen: Wir reden hier nicht vom Kilimandscharo, auch nicht vom Kaiserstuhl. Die Hügel auf der nicht einmal einen Quadratkilometer großen Insel vor der Südspitze Manhattans, mitten im New York Harbor, sind vielmehr künstlich aufgeschüttete Erhebungen. Sie dienen einem einzigen Zweck: den Blick "von unten" auf Manhattan zu eröffnen.

Was hat man im Blick? Von Governors Island aus erscheinen die Stahl- und Glas-Monstrositäten, die so charakteristisch sind für die südliche Skyline von Manhattan, noch gewaltiger. Die Stadt wirkt zum Greifen nah und doch unnahbar. Die Kulinarik auf der Insel greift diese widerstreitenden Eindrücke auf: Am Nordufer, mit Blick auf den Big Apple, werden Austern serviert. Wer lieber in die Weite als in die Höhe guckt, kann das ehemalige Militärgelände mit dem Leihrad umrunden (Abhol- und Abgabestellen sind über die ganze Insel verteilt). Ein Stopp im Südwesten der Insel bietet sich an: Von dort aus hat man freien Blick auf die Freiheitsstatue.

Wer ist noch da? Erholungssuchende aus Lower Manhattan und Brooklyn. So viel Grün an einem Fleck findet man selten in der Metropole - und das, obwohl bislang vor allem der Norden der Insel erschlossen ist. Für den südlichen Teil läuft derzeit ein landschaftsarchitektonischer Wettbe­werb; hier stehen zurzeit noch alte Militärbaracken. Gerade für Brooklynites, die nahe am Wasser wohnen, ist Governors Island an den Wochenenden ein beliebtes Ziel zum Joggen, Radfahren oder Picknicken. Im Sommer finden auf der Insel verschiedene Musikfestivals statt, das bekannteste ist der dreitägige "Governors Ball". Wer ein Faible für die Mode der Zwanzigerjahre hat, kommt beim "Jazz Age Lawn" auf seine Kosten.

Was trübt die Aussicht? Wer New York im Winter oder Frühjahr besucht, hat Pech - von November bis April ist die Insel nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.

Governors Island ist mit der Fähre zu erreichen. Von Manhattan aus verkehren täglich Boote, von Brooklyn aus nur am Samstag und Sonntag. Den Fahrplan finden Sie hier. Einen Überblick über das Programm auf Governors Island gibt es auf der Webseite.

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