Süddeutsche Zeitung

Neulich in ... Sivergues, Frankreich:Den Hund zum Jagen tragen

Während der Jagdsaison auf den Hügeln des Luberon treffen Wanderer auf Hunde, die müde sind, so müde.

Claudia Tieschky

Es ist wieder Jagdsaison auf den Hügeln des Luberon, und brave Familienväter holen die Flinte raus. Der Präfekt des Départements Vaucluse erlaubt die Jagd mittwochs und sonntags. Wildschweine auch samstags, aber nur in bestimmten Treibjagden, und dann auch Füchse. Außer bei Schnee, dann ist die Jagd verboten; aber nur, wenn die Bedeckung des Bodens so hoch ist, dass sich die Fährte des Wildes darin abzeichnen könnte. Und so weiter.

Sowieso sieht man die Jäger hauptsächlich bei ihren geländegängigen Kombis an irgendwelchen Nebenstraßen stehen und warten. Vielleicht denken sie über die Regeln nach. Sie sagen, wenn man vorbeikommt, guten Tag und machen eine Bemerkung übers Wetter. Was vor allem auffällt an der Jagd im Luberon, ist die Gegenwart vieler fideler Hunde in der Landschaft.

Hunde wie dieser: Schwanz und Ohren wackeln, es ist kein junger Hund mehr, deshalb wackelt alles an ihm eher etwas zurückhaltend. Vielleicht ist er seinem Besitzer bei der Jagd abhanden gekommen. Er hat ein Glöckchen am Hals und einen Sender mit Antenne. Doch ein Außerirdischer?

Es ist vier Uhr nachmittags, das Licht ist grau, weit und breit kein Mensch zu sehen, nur ab und zu Spuren von Wildsäuen. Der Hund will anscheinend Gesellschaft. Er trabt neben uns her, auf Serpentinen durchs Gebüsch vom Dorf Sivergues auf den breiten Hügelrücken in fast tausend Metern Höhe, und dann oben immer den Weg entlang. Er findet es blöd, auf Steine zu treten und macht gezierte Bewegungen, um ihnen auszuweichen. Dieser Hund ist, nun ja, hundemüde.

Pausen nutzt er, um sofort tief einzuschlafen. Er schnarcht. Es wäre echt gemein, jetzt weiterzugehen, also schauen wir länger in die Gegend. Im Süden liegt das Gebirgsmassiv der Sainte-Victoire, Richtung Nordwesten der glatzköpfige Mont Ventoux, und ganz weit hinten, weil Südföhn ist, sieht man sogar bis zu den italienischen Alpen. Vor uns schnarcht immer noch der Hund. Was dann passiert, ist wie im Agentenfilm.

Mitten in der Einsamkeit taucht ein riesiger, schwarzglänzender Geländewagen auf. Statt James Bond sitzen ein Mann und zwei Omas drin. Der Wagen stoppt, eine Tür öffnet sich und der Hund, jetzt hellwach, trabt betont lässig darauf zu. Nicht freudig, eher beleidigt. Sie haben aber einen netten Hund, sagen wir zu dem Mann. Ja, er ist ein Netter, sagt er, es klingt ein wenig betrübt.

Wahrscheinlich hätte er lieber was richtig Wildes. Dann fährt der Geländewagen weg, der Hund sitzt hinten und wackelt uns zum Abschied mit den Ohren zu.

Wir gehen zurück, bergab ins Gebüsch hinein. Nach zwei Wegbiegungen hören wir ein Glöckchen. Der nächste Hund.

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Quelle:
SZ vom 13.1.2011/kaeb
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