Neue Startbahn am Frankfurter Flughafen:Anfang mit Schrecken

14 Jahre währte der Streit um die neue Start- und Landebahn des Frankfurter Flughafens. Am Freitag wird Bundeskanzlerin Merkel sie einweihen und als erste Passagierin dort landen. Doch die Stimmung ist so schlecht wie noch nie: Das überraschend verhängte Nachtflugverbot könnte zum Desaster für das Prestigeprojekt werden.

Jens Flottau

Horst Amann schimpft. "Was machen die denn da?", fragt er und zeigt auf ein großes Feuerwehrauto, das gerade mit seiner Spritze den Rasen und einen Teil des neuen Rollweges testweise unter Wasser setzt. Es hat sich schon ein kleiner See gebildet, und die Feuerwehrmänner machen munter weiter. "Pass mir bloß auf die Beleuchtung auf", sagt der Fraport-Ausbaumanager zu dem Fahrer des Kleinbusses, der schnell noch auf die breite und 2800 Meter lange Betonpiste düst, bevor die Deutsche Flugsicherung ihr Vermessungsflugzeug schickt.

Wieder Diskussion um neue Landebahn am Frankfurter Flughafen

Die Bundeskanzlerin wird in dieser Woche die erste Passagierin sein, die auf der neuen Nordwest-Landebahn des Frankfurter Flughafens ankommt.

(Foto: dapd)

Es soll halt alles in Ordnung sein, wenn an diesem Freitag Bundeskanzlerin Angela Merkel als erste überhaupt mit ihrem Regierungsjet auf der neuen Nordwest-Bahn des Frankfurter Flughafens landet und anschließend eine Rede halten wird zum großen Anlass, den Flughafen und Fluggesellschaften seit langem herbeigesehnt haben: schließlich ist mit der vierten Bahn, die nur für Landungen benutzt werden darf, nach vielen Jahren endlich wieder richtiges Wachstum möglich am Frankfurter Flughafen. Anstatt 82 Flügen pro Stunde kann Frankfurt im Winter 92 Flüge abfertigen und in einigen Jahren, wenn zusätzliche Terminals fertig sind, sogar 126.

Die Branche unter Schock

Es gehört wohl zu der aberwitzigen, an überraschenden Wendungen reichen und fast auf den Tag genau 14 Jahre langen Geschichte des Ausbaus, dass am Ende nun aber plötzlich gar nichts mehr in Ordnung zu sein scheint - von den Lampen einmal ganz abgesehen.

Denn nach einem überraschenden Urteil des hessischen Verwaltungsgerichtshofes sind nun ab Ende des Monats bis auf weiteres Nachtflüge in Frankfurt untersagt - die gesamte Branche steht seither unter Schock. Lufthansa-Chef Christoph Franz hat sogar gefordert, die Bahn lieber gar nicht erst in Betrieb zu nehmen und so zu tun, als wäre gar nichts passiert. Dann könne man wenigstens nachts weiter fliegen wie bisher.

Damals, vor 14 Jahren, hatte Franz' Vor-Vorgänger Jürgen Weber den ersten Anstoß zum Ausbau gegeben. Das Thema hatte schon länger unter der Oberfläche gegärt. Doch im Oktober 1997 preschte Weber vor und forderte erstmals, dass der Flughafen außerhalb seiner bisherigen Grenzen erweitert werden sollte. 1997, das war 13 Jahre nach der Eröffnung der Startbahn West, berühmt wegen der Proteste der Bevölkerung.

Die hessische Landesregierung unter Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) reagierte mit dem sogenannten Mediationsverfahren, an dem Gegner und Befürworter des Ausbaus teilnehmen sollten. Ziel war es auch, den Widerstand zu kanalisieren und ähnlich gewaltsame Auseinandersetzungen wie in den siebziger und achtziger Jahren zu vermeiden. Etwa zwei Jahre lang trafen sich die Beteiligten regelmäßig, beauftragten und diskutierten Gutachten und unterzeichneten im Jahr 2000 eine Abschlusserklärung.

Die Empfehlungen sind zwar nicht rechtsverbindlich, aber sie bilden die Basis für den heutigen Ausbau und sie beinhalteten "fünf untrennbar miteinander verbundene Komponenten". Zwei davon sind besonders wichtig. Der Ausbau wird für notwendig erklärt, weil Wachstum mit dem bestehenden System nicht mehr machbar sei. Und: Die Mediationsgruppe forderte auch "ein Nachtflugverbot für geplante Flüge", insbesondere in der Zeit von 23 bis fünf Uhr.

Schon damals war klar, dass dies vor allem für Fracht- und Charterflüge ein Problem werden könnte. Und deswegen gab es bereits in der Mediation einen Vorschlag, wie mit diesen Flügen umgegangen werden sollte: Sie müssen verlagert werden, und zwar entweder auf Start- und Landezeiten tagsüber oder an einen anderen Flughafen, nämlich etwa Hahn, wo es kein Nachtflugverbot gibt.

Es kann niemand sagen, er habe von nichts gewusst

Es kann heute auch niemand sagen, er habe von nichts gewusst, denn an der Mediation nahmen unter anderem Lufthansa, die Fraport AG, das Board of Airline Repräsentatives in Germany (Barig), das Bundesverkehrsministerium und das hessische Wirtschaftsministerium teil. Und es war Flughafenbetreiber Fraport selbst, der das Nachtflugverbot beantragte, obwohl sich Lufthansa auch in der Mediation dagegen ausgesprochen hat.

Irgendwie und irgendwann scheint sich trotz allem in der Industrie die Idee verfestigt zu haben, dass das mit dem Nachtflugverbot nicht so streng gemeint gewesen sein konnte und dass es sicher Ausnahmen geben würde für diese Regel, von der Politik unterstützte Ausnahmen. Und eine Zeit lang sah es so aus, als sei diese Idee gar nicht so falsch.

17 sind zu viel

Denn im Planfeststellungsbeschluss von 2008 war plötzlich wieder von 17 Flügen zwischen 23 und fünf Uhr die Rede. Damals mussten sich die Vertreter der Fluggesellschaften schon sehr zusammenreißen, nicht öffentlich zu jubeln, denn eigentlich hatten sie mit deutlich weniger gerechnet. Offiziell wahrten sie aber die Contenance und betonten, wie problematisch das doch sei für den Standort Deutschland.

Sie konnten nicht ahnen, dass die Sache für sie wieder richtig problematisch werden würde. Denn wenig später entschied der hessische Verwaltungsgerichtshof, dass 17 Flüge zu viel seien. Dies wiederum wollte die Landesregierung, die seit 1999 CDU-geführt war, nicht akzeptieren und klagte. Es ist diese Klage, über die nun das Bundesverwaltungsgericht entscheiden muss.

Die Fluggesellschaften, allen voran Lufthansa Cargo und Condor, hoffen nun inständig, dass sich das Gericht sowohl über die Entscheidung der hessischen Kollegen als auch über die Ergebnisse der Mediation hinwegsetzt. Sei setzen darauf, dass die Bundesregierung in den vergangenen Jahren immer wieder in Stellungnahmen wie dem Flughafenkonzept hervorgehoben hat, wie wichtig Nachtflüge seien. Unter anderem heißt es, dass Nachtflüge "auch unter Berücksichtigung der besonderen Schutzwürdigkeit der Nachtruhe der im Umkreis der Flughäfen lebenden Bevölkerung" eine große "volkswirtschaftliche und verkehrspolitische Bedeutung" hätten.

Auch im Falle des Flughafens Köln, dem die nordrhein-westfälische Landesregierung nächtliche Passagierflüge verbieten will, hat sich die Bundesregierung auf Seiten der Industrie eingeschaltet. Aber ob dies genügt?

Keiner weiß, wo sich das Bundesverwaltungsgericht bei seiner für das nächste Frühjahr erwarteten Entscheidung letztlich einreiht: Bei null, bei 17 Flügen oder bei einer anderen Zahl? Und was, wenn es wirklich bei null oder annähernd null bleibt?

Schon werden teils erstaunliche Alternativpläne entworfen. Vielleicht muss ein Teil der Lufthansa Cargo-Frachter doch nach Hahn umziehen, wo der Flughafen schon sehnsüchtig auf sie wartet. In einem anderen Szenario könnten sie tagsüber den Hüpfer von Frankfurt nach Köln machen, wo dann der Rest der Fracht per Lastwagen angekarrt und nachts weggeflogen wird. Dies wäre ein hoher Preis und ein letzter absurder Dreh.

Es wird weiter nachts geflogen, nur halt in Köln. Dort leben noch mehr Menschen als in Frankfurt.

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