Süddeutsche Zeitung

Neue Route am Mount Everest:Durch die Mitte des Eisbruchs

  • Die nepalesische Regierung will die gefährliche Südroute des Mount Everest, auf der im vergangenen Jahr bei einem Lawinenunglück 16 Menschen starben, verlegen.
  • Auch die neue Route birgt Gefahren.
  • Die Situation für Sherpas, die nach dem Unglück gestreikt hatten, verbessert sich nur geringfügig.

Von Hans Gasser

Südroute soll teilweise verlegt werden

Es war das bisher schlimmste Unglück am Mount Everest: Am 18. April 2014 löste sich eine Lawine an der Westschulter des Berges und tötete 16 Menschen, allesamt Sherpas, die gerade die Südroute auf den höchsten Berg der Erde mit Fixseilen und Leitern präparierten, um den Teilnehmern kommerzieller Expeditionen aus aller Welt den Aufstieg zu ermöglichen.

Die Lawine aus Schnee löste eine zweite Lawine von Protesten aus: Erstmals seit der Erstbesteigung des Everest im Jahr 1953 traten die Sherpas in einen Streik, weil sie bessere Versicherungen und Arbeitsbedingungen von der nepalesischen Regierung forderten, die von jedem Bergsteiger 11 000 US-Dollar Besteigungsgebühr kassiert. Alle Expeditionen mussten runter vom Berg.

Die Regierung versprach viel und gab wenig und macht jetzt mit einem neuen Vorstoß von sich reden: Die Südroute auf den Everest soll ab diesem Jahr teilweise verlegt werden, um die Sicherheit der Sherpas und der zahlenden Bergsteiger zu erhöhen.

Weg wird schwieriger und zweitaufwendiger

Auf der ersten Etappe, die vom Basislager auf 5400 Meter durch den gefährlichen Khumbu-Eisbruch zu Lager 1 auf 5800 Meter führt, soll die Aufstiegsroute geändert werden: Statt wie bisher am linken Rand des Eisbruchs, wo das Unglück passiert ist, soll sie mehr in der Mitte durch ihn hindurchführen. "Wir glauben, dass dort das Lawinenrisiko viel geringer ist als auf der bisherigen Route", sagte Ang Dorji Sherpa, Vorsitzender des die Route festlegenden Sagarmatha Pollution Control Committee der BBC. "Aber der Weg durch die Mitte des Eisbruchs wird schwieriger und zeitaufwendiger", fügte er hinzu.

Ob die Route zwischen den teils haushohen Eistürmen hindurch tatsächlich sicherer ist, darf bezweifelt werden. "Der Gletscher fließt in der Mitte am schnellsten und verändert sich ständig", sagt Dominik Müller, Chef des deutschen Expeditionsveranstalters Amical Alpin, der seit vielen Jahren Everest-Besteigungen anbietet.

Die Lawinengefahr sei zwar geringer, aber die Gefahr durch umstürzende Eistürme, genannt Séracs, deutlich größer. Zudem seien mehr Leitern und Seile nötig, um den Weg zu präparieren. Bis Anfang der Neunzigerjahre sei dieser Weg begangen worden, man habe sich dann aber für die schnellere Route entschieden. Müllers Expeditionen führen bereits seit fünf Jahren über die tibetische Nordroute, auf der die objektiven Gefahren einfach geringer seien. "Es gibt dort keinen Khumbu-Eisbruch", sagt auch der Schweizer Extrembergsteiger Kari Kobler, der seine zahlenden Gruppen ebenfalls über den nördlichen Normalweg hinaufführt.

Entscheidung über bezahlte Lizenzen steht noch aus

Das ist aber nicht der einzige Grund, weshalb Kobler und andere Experten in diesem Jahr mit weniger Bergsteigern auf der von Hillary und Norgay erstbestiegenen Südroute rechnen. Die nepalesische Regierung hat immer noch nicht entschieden, ob und wie lange sie die bereits bezahlten Besteigungslizenzen jener 300 Bergsteiger verlängert, die wegen des Streiks der Sherpas wieder heimfahren mussten. Erste Veranstalter haben ihre Expeditionen deshalb bereits abgesagt.

Die Sherpas werden also wohl weniger Arbeit haben, sollen aber - relativ - besser versichert werden: Statt bisher 10 000 Dollar sollen die Familien im Todesfall 15 000 bekommen.

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SZ vom 19.02.2015/feko
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