Nanga-Parbat-Erstbesteigung vor 60 Jahren:Triumph über den Tod

Am 3. Juli 1953 stand erstmals ein Mensch auf dem Gipfel des Nanga Parbat. Für dieses Ziel hatten zuvor viele Bergsteiger ihr Leben gegeben. Tragödien, die dem Nanga Parbat den Ruf als "Schicksalsberg" bescherten: ein Rückblick.

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Nanga Parbat, 1934

Quelle: SCHERL

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Am 3. Juli 1953 stand erstmals ein Mensch auf dem Gipfel des Nanga Parbat. Für dieses Ziel hatten zuvor viele Bergsteiger ihr Leben gegeben. Tragödien, die dem Nanga Parbat den Ruf als "Schicksalsberg" bescherten: ein Rückblick.

Allein sein Anblick flößt Respekt ein: 8125 Meter hoch thront der Nanga Parbat im westlichen Himalaya in Pakistan. Sein Name bedeutet "Nackter Berg" wegen seiner fast schneefreien Gipfelzone. Einheimische nennen ihn auch Diamir: "König der Berge". Anders als der vom Massentourismus überlaufene Mount Everest ist der neunthöchste Gipfel der Welt aufgrund der schwierigen Wetterbedingungen mit viel Schnee und Eis auf dem Weg zum Gipfel ein Berg für Alpinexperten. Noch heute gilt er als einer der anspruchvollsten Achttausender. Während auf dem Everest teils Hunderte pro Saison mit kommerziellen Touren starten, gab es am Nanga Parbat insgesamt nur ein paar hundert erfolgreiche Besteigungen. Dutzende Alpinisten und Sherpas ließen ihr Leben, unter ihnen viele deutschsprachige Bergsteiger.

Nanga Parbat Expedition, 1953

Quelle: dpa

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Der Bezwinger des Nanga Parbat ist weit weniger bekannt als Sir Edmund Hillary, der vor 60 Jahren als erster Mensch auf dem Mount Everest stand: Hermann Buhl schaffte es am 3. Juli 1953 als Erster auf den Gipfel des Nanga Parbat. Der damals 28-jährige Innsbrucker brach zwar mit drei Gefährten vom Hochlager in 6900 Metern zum Gipfel auf. Aber auf dem letzten Stück war er allein unterwegs. Die Erschöpfung nach dieser 41-stündigen Gewalttour ist ihm auf dem Bild anzusehen.

"Hier stehe ich nun, seit Erdenbestehen der erste Mensch, auf diesem Fleck, am Ziel meiner Wünsche", schrieb Buhl damals. "Doch nichts von berauschendem Glück, nichts von jauchzender Freude, nicht das erhebende Gefühl des Siegers verspüre ich in mir. Ich bin mir der Bedeutung dieses Augenblicks nicht im geringsten bewusst. Ich bin vollkommen fertig!", zitiert ihn die neue "Chronik der Erschließung". Mit schweren Erfrierungen schafft er den Abstieg.

Die somit erfolgreiche Willy-Merkl-Gedächtnis-Expedition hatte Karl Herrligkoffer zu Ehren seines Halbbruders Willy Merkl organisiert.

Willy Merkl, 1934

Quelle: SCHERL

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Willy Merkl nämlich hatte mehrmal versucht, den Nanga Parbat zu bezwingen. Ohne Erfolg. Das erste Mal machte er sich 1932 mit einer deutsch-amerikanischen Expedition auf den Weg. Sie scheiterte. 1934 führte er eine deutsch-österreichische Truppe auf den Achttausender - 19 Jahre vor Hermann Buhl. Aber die Besteigung sollte am Ende nicht nur Merkl, sondern neun weitere Menschen das Leben kosten.

Himalaya-Expedition auf den Nanga Parbat, 1934

Quelle: SCHERL

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Merkl war einer von vielen Deutschen, denen der Nanga Parbat in den Dreißigerjahren zum Verhängnis wurde. Hier bereitet er sich mit Kameraden im Basislager auf die Tour vor.

Als in den 1920er Jahren die Expeditionen im Himalaya begannen, waren die Achttausender national aufgeteilt: Die Engländer, früh an vielen Bergriesen aktiv, konzentrierten sich auf den Mount Everest, die Franzosen auf die Annapurna, die Italiener auf den K2, die Deutschen auf den Nanga Parbat. Nach dem Scheitern des Engländers Albert Mummery 1895 war es Merkl, der 1932 und 1934 aufbrach - und nicht zurückkehrte.

Im Bild: Camp der deutschen Himalaya-Expedition am Nanga Parbat

Deutsche Himalaja-Expedition, 1934

Quelle: SCHERL

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Schon der Expeditionsauftakt im Jahr 1934 war dramatisch: Der deutsche Bergsteiger Alfred Drexel starb an einem Lungenödem - ein harter Schlag für die restliche Gruppe. Sie kehrte um und verbrachte zweieinhalb Wochen im Basislager.

Im Bild: Mitglieder der deutschen Nanga-Parbat-Expedition vor Lager 6 auf fast 7000 Metern Höhe, im Hintergrund der Hauptgipfel des Nanga Parbat

Deutsche Himalaja-Expedition, 1934

Quelle: SCHERL

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Ebenso warf die Erkrankung mehrerer Sherpas die Gruppe zurück. Aber sie ließ sich immer noch nicht entmutigen. Doch als die Erstbesteigung des Nanga Parbat kurz bevorstand, schlug das Wetter um. Der Abbruch der Expedition wurde zum Kampf ums Überleben.

Im Bild: Mitglieder der deutschen Nanga-Parbat-Expedition 1934 vor Lager 6 auf fast 7000 Metern Höhe.

Deutsche Himalaja-Expedition, 1934

Quelle: SCHERL

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Nach dem Wetterumschwung war auf dem Weg abwärts bereits ein Sherpa in eine Schlucht gestürzt. Am späten Nachmittag des 8. Juli 1934 stiegen die beiden Österreicher Peter Aschenbrenner und Erwin Schneider vorweg, um eine Spur für die nachfolgenden Expeditionsmitglieder vorzubereiten. Als die anderen Teilnehmer nachkamen, starben neun von ihnen auf dem Weg hinunter, darunter Expeditionsleiter Willy Merkl. Seine und die Schreie des Sherpas, der ihn begleitete, sollen von einem Grat herab noch tagelang zu hören gewesen sein. Elf Teilnehmer starben 1934 am Nanga Parbat. Die in Deutschland von den Nazis gleichgeschaltete Presse prägte das Schlagwort "Schicksalsberg der Deutschen".

Im Bild: Mitglieder der deutschen Nanga-Parbat-Expedition

Deutsche Nanga Parbat Expedition, 1937

Quelle: KNORR + HIRTH

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Drei Jahre später machte sich erneut eine deutsche Truppe zum Nanga Parbat auf. Auch dieses Team scheiterte: Eine Schneelawine, die in der Nacht vom 14. auf  den 15. Juni 1937 vom Rakhiot-Gletscher abging, überraschte die Gruppe im Schlaf. Sieben Bergsteiger und neun einheimische Träger kamen ums Leben. Nur ein Deutscher überlebte: Ulrich Luft.

Im Bild: Karl Wien und Martin Pfeffer zusammen mit Sherpas im Lager II in 5.350 Meter Höhe

Teilnehmer einer Himalaja-Expedition, 1938

Quelle: SCHERL

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Dennoch versuchten sich im Jahr darauf wieder deutsche Bergsteiger am Nanga Parbat, hier auf dem Firngrat in 7000 Metern Höhe. Wieder ohne Erfolg: Sie waren vorsichtiger als die Expedition zuvor, kamen nicht so hoch - dafür aber mit dem Leben davon.

Deutsche Himalaja-Expedition, 1934

Quelle: SCHERL

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Insgesamt sind mehr als 70 Bergsteiger am Nanga Parbat tödlich verunglückt, unter ihnen Günther Messner: 1970 kam er nach der Erstbesteigung der extremen Rupalwand um, sein älterer Bruder Reinhold Messner überlebte. Die genauen Umstände dieses Todes blieben ungeklärt und sorgten für jahrelangen Streit zwischen Messner und seinen ehemaligen Kameraden. Auch Messner und Herrligkoffer überhäuften sich gegenseitig mit Vorwürfen. Dabei hielt der Berg beide im Bann. Sie kehrten immer wieder zurück - obwohl beide einen Bruder dort verloren hatten.

Messner unternahm diverse Expeditionen, teils um nach Günthers Leichnam zu suchen; 1978 schaffte er am Nanga die erste Solobegehung eines Achttausenders. Herrligkoffer leitete zehn Expeditionen. "Er war wie Messner besessen von dem Berg", sagt Georg Ritter von der Herrligkoffer-Stiftung, Erstbesteiger des Rupalpfeilers. "Der Nanga wurde erschlossen von Herrligkoffer. Es war mehr oder weniger sein Berg."

2008 verunglückte der österreichische Bergsteiger Karl Unterkircher tödlich. Und vor wenigen Wochen wurde der Nanga Parbat erneut zum Schicksalsberg, aber nicht aufgrund seiner alpinistischen Herausforderung: Unbekannte töteten zehn ausländische Bergsteiger und ihren Führer. Später bekannten sich die Taliban zu dem Anschlag. Bergsteiger dürften Land und Berg nun erst einmal für geraume Zeit fernbleiben.

Im Bild: Lager II 1934 am Rakhiot-Gletscher

© Süddeutsche.de/cag/dpa/kaeb/rus
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