Süddeutsche Zeitung

Jerusalem: Shepherd-Hotel:Herberge für Siedler

Israel lässt das traditionsreiche Shepherd-Hotel im arabischen Ostjerusalem abreißen, um dort Wohnungen bauen. USA und UN protestieren - radikale Siedler bejubeln "historische Gerechtigkeit".

Peter Münch, Tel Aviv

Es ist ein Haus mit einer langen, wechselvollen Geschichte, und jetzt wird wieder ein neues Kapitel aufgeschlagen in der Historie des Jerusalemer Shepherd-Hotels. Dieses Kapitel allerdings trägt die Handschrift der Bulldozer, denn ein Teil des altehrwürdigen Gebäudekomplexes wird abgerissen - um Platz zu schaffen für jüdische Siedler.

20 Luxuswohnungen sollen gebaut werden auf dem Gelände im arabischen Stadtteil Scheich Dscharrah, und die Freude der Bauherren ist so groß wie die Wut der Gegner. Das Shepherd-Hotel ist damit der neue Kampfplatz in Ostjerusalem und ein trefflich-trauriges Symbol für den ewigen Kampf zwischen Juden und Palästinensern um den Boden der Heiligen Stadt.

Der Streit tobt schon seit Jahren, und bis nach Washington und Brüssel dröhnt immer wieder das Echo dieses Kampfes. Amerikaner und Europäer haben eindringlich vor dem Bauvorhaben gewarnt, weil es die Chancen auf eine friedliche Lösung im Nahost-Konflikt mindere. Schließlich beanspruchen die Palästinenser Ostjerusalem als Hauptstadt ihres künftigen Staates.

Doch Israels Regierung vertritt den Standpunkt, es handle sich um ein privates Projekt, mit dem der Staat nichts zu schaffen habe. Dieses Projekt jedoch fügt sich passgenau ein ins Schema der israelischen Landnahme im Westjordanland und speziell im arabischen Ostteil Jerusalems, wo allein mittlerweile 200.000 jüdische Bewohner angesiedelt wurden - um allen Protesten der Palästinenser und des Auslands zum Trotz Fakten zu schaffen für die Unteilbarkeit von Jerusalem.

Die Residenz des Muftis

Das Shepherd-Hotel ist ein besonders symbolträchtiger Ort, weil es in den dreißiger Jahren vom damaligen Großmufti von Jerusalem als Residenz erbaut worden war. Jener Mohammed Amin al-Husseini, Spross eines bis heute mächtigen Palästinenser-Clans, ist als hasspredigender Nazi-Kollaborateur bekannt geworden. Nach seiner Deportation aus Jerusalem durch die britische Mandatsmacht 1937 lebte er zeitweilig sogar in Berlin und propagierte von dort aus die Juden-Vernichtung.

Seine Residenz wurde von den Briten konfisziert und fiel nach dem Ende der Mandatszeit an das jordanische Königshaus. Mit einigen Erweiterunen diente das Haus fortan als Hotel, bis Israel im Sechstagekrieg 1967 Ostjerusalem eroberte. Wieder wurde das Gebäude konfisziert - und 1985 aus israelischem Staatsbesitz an eine Investmentfirma verkauft, hinter der der jüdische US-Millionär Irving Moskowitz steckt.

In guten Händen ist das Anwesen damit nicht, denn der 82-jährige Moskowitz ist nicht nur ein alter Bekannter von Premier Benjamin Netanjahu, sondern auch ein Großsponsor der radikalen Siedlerorganisation Ateret Cohanim. Reich geworden ist er mit Krankenhäusern und einem Casino in den USA, doch Israel ist seine Mission.

Mehrmals schon hat er von Florida aus mit provokanten Bauvorhaben Unruhen provoziert und den Nahost-Konflikt befeuert. Mit zig Millionen Dollar finanziert er über Ateret Cohanim vor allem den Siedlungsbau in den arabischen Vierteln Jerusalems.

Auch der Kauf des Shepherd-Hotels diente dieser Strategie. Eine Baugenehmigung aber ließ lange auf sich warten, womöglich befürchteten frühere Regierungen den Zorn der USA. Zwischenzeitlich wurde das Gebäude an die israelische Grenzpolizei vermietet, seit ungefähr acht Jahren aber steht es leer und verfällt.

Die Bagger werden rollen

Vor sechs Monaten erteilte schließlich die Jerusalemer Stadtverwaltung die letzte noch ausstehende Genehmigung, die Auflagen für die unter Denkmalschutz stehende Fassade des alten Gebäudes einschließt. Abgerissen werden sollen nun zunächst Erweiterungsbauten aus den sechziger Jahren.

US-Außenministerin Hillary Clinton wurde von der Aktion überrascht. Im Golfemirat Abu Dhabi rügte sie die "beunruhigende Entwicklung", die alle Friedensbemühungen untergrabe. Noch deutlicher protestierte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton gegen den "neuen illegalen Siedlungsbau", und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon klagte, das Projekt diene nur dazu, die Spannungen zu verschärfen.

Netanjahu jedoch verbittet sich jede Einmischung. Es handle sich um ein privates Bauvorhaben, "niemand soll erwarten, dass der israelische Staat Juden den Kauf von Eigentum in Jerusalem verbietet". So werden Bulldozer und Bagger also rollen, und triumphieren dürfen die radikalen Siedler. Daniel Luria, Sprecher von Ateret Cohanim, ist zum Abrissbeginn zur Baustelle geeilt, um seine Freude kundzutun. "Das ist historische Gerechtigkeit", sagte er, "es ist wie eine Zerstörung der Häuser von Hitler oder Himmler."

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SZ vom 11.01.2011/mob
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