Süddeutsche Zeitung

Nachgefragt:Wohin reist der schwule Mann?

Lesezeit: 4 min

Das Reisebüro "Atlantis travel" in München hat sich auf schwule Kunden spezialisiert.

Interview: Karin Kails

(SZ vom 26.06.2001) - Seitdem Schwule eine Bewegung sind und ihre Homosexualität offensiv leben, haben sie in allen möglichen Bereichen ihren eigenen Markt geschaffen. Reisen gehört dazu, denn Schwule haben bestimmte Ansprüche an die jeweilige Destination, an die Hotels und Lokale. Thomas Bömkes von "Atlantis travel" erläutert, welche Reiseziele warum bevorzugt werden.

SZ: Warum gibt es einen eigenen Reisemarkt für Schwule, und wie wird ein Ort zu einer typischen Schwulen-Destination?

Bömkes: Schwule haben beim Reisen eigene Bedürfnisse. Schwule Reiseziele entstehen dort, wo eine schwule Infrastruktur ist: In Gran Canaria gibt es zum Beispiel schwule Bars, schwule Restaurants, schwule Strände und schwule Diskotheken. Das macht eine schwule Reise-Destination aus, und deshalb fahren viele dorthin und nicht nach Lanzarote oder Teneriffa, wo sie eben keine entsprechenden Angebote vorfinden. Wenn ein Schwuler in den Sommerurlaub fährt, um Party zu machen, was soll der dann abends in einer Hetero-Diskothek mit lauter Mädchen? Der braucht eine Disko, in der Männer sind, sonst ist der Urlaubsort für diesen Reisenden uninteressant.

SZ: Welches sind die beliebtesten Schwulen-Destinationen?

Bömkes: In Europa sind die meistgefragten Sommer-Reiseziele Gran Canaria, Ibiza und Mykonos. Im Winter gibt es in Europa nur Gran Canaria. Ansonsten sind Florida und Kalifornien, aber auch Südafrika, Australien, Brasilien und Mexiko sehr beliebt. Das sind die Länder, die entsprechend liberal sind, und die über eine schwule Infrastruktur verfügen.

SZ: Sie bieten Reisen zu Schwulen-Veranstaltungen in Deutschland an. Um welche handelt es sich hauptsächlich?

Bömkes: Aus Münchner Sicht ist der Kölner Christopher-Street-Day der beliebteste CSD Deutschlands. Eine ganze Gruppe reist dann nach Köln, und ein großer Teil davon übernachtet in einem Hotel im Schwulenviertel, das an diesem Wochenende ausschließlich in schwuler Hand ist.

SZ: Gibt es auch Hotels für Schwule, und wodurch zeichnen sie sich aus?

Bömkes: Bei einem Schwulen-Urlaub kann man drei Hotel-Kategorien unterscheiden: Reine Schwulenhotels, in Gran Canaria beispielsweise sind das meist kleine Pensionen oder Gästehäuser mit etwa 30 oder 40Zimmern nur für schwule Männer. Dann gibt es schwulenfreundliche Hotels. Das sind ganz normale Hotels, die sich auf die schwule Klientel eingestellt haben: Die Gäste bekommen dort zum Beispiel sogenannte gaymaps, das sind Karten, auf denen schwule Einrichtungen eingezeichnet sind. Und das Personal ist darauf eingestellt, dass sich auch mal zwei Männer in der Lobby küssen. Viele Schwule fahren aber auch in ganz konventionelle Hotels. Umgekehrt wissen aber normale Reisebüros meist nicht, welche Hotels oder Destinationen von Schwulen bevorzugt werden.

SZ: Werden Schwule in allen von ihnen bevorzugten Zielorten ohne Vorbehalte akzeptiert?

Bömkes: Gran Canaria zum Beispiel ist zunächst einmal eine ganz konventionelle Destination. Es kann Probleme geben, wenn es andere Hotelgäste gibt, denen es missfällt, wenn in ihrem Hotel Schwule logieren. Ebenso wie in Deutschland werden Schwule auch in den Urlaubsorten nicht überall akzeptiert. Meist sind es allerdings die anderen Touristen, die blöde Bemerkungen machen. Die Einheimischen, die vom Tourismus leben, haben nur selten ein Problem damit.

SZ: Wo müssen Schwule mit Diskriminierungen oder Restriktionen rechnen?

Bömkes: Das kann man schon an der Gesetzgebung der Länder ablesen. In Ländern, in denen Homosexualität unter Strafe steht, ist es gefährlicher als in einem liberalen Land, Urlaub zu machen. In Europa ist zum Beispiel Rumänien nach wie vor schwierig. Ein anderes Beispiel ist Namibia, wo der Präsident immer wieder gegen Homosexualität polemisiert. Dennoch fahren viele Schwule dorthin, weil es ein sehr schönes Land ist, und als Touristen haben Schwule dort keine Probleme.

SZ: Haben sich die Reiseziele oder das Reiseverhalten durch die Verbreitung von Aids geändert?

Bömkes: Das allgemeine Bewusstsein ist anders geworden. Das Reiseverhalten aber ist gleich geblieben, das hat sich schließlich auch bei den Hetero- Reisenden nicht gewandelt. Die Szene in einigen Städten hat sich verändert. Aber die Schwulen sagen nicht: Ich fahre nicht in die Aids-Hochburg Amsterdam. Natürlich fahren sie dorthin, Aids kann man München ebenso bekommen wie dort. Die Stadt spielt dabei keine Rolle, das hängt vielmehr vom Verhalten des Einzelnen ab.

SZ: Verlieren Schwulen-Destinationen an Attraktivität, wenn sie zu Massen-Reisezielen werden?

Bömkes: Wenn Touristenmassen einen bestimmten Ort ansteuern, verliert der Ort selbst dadurch nicht an Attraktivität, es ändert sich höchstens die Qualität der Touristen. In einem Massenziel wie Ibiza, wo es auch einen ausgeprägten Schwulen-Tourismus gibt, hat man natürlich andere Kunden als auf Mykonos. Das liegt daran, dass Ibiza eine Billig-Destination ist, Mykonos hingegen keine. Da hat man dann ganz unterschiedliche Typen von Touristen.

SZ: Der Reisemarkt für Schwulen-Reisen ist also ebenso breit gefächert wie der übliche Reisemarkt?

Bömkes: Das Schöne an Schwulen-Reisen ist: Es ist alles wie im richtigen Leben. Die Schwulen sind genauso wie alle anderen, das zeigt sich auch im Reiseverhalten: Das reicht von Kreuzfahrten bis hin zu Ski-Fahren für Schwule.

SZ: Gibt es spezielle Destinationen für Lesben?

Bömkes: Lesben haben ein ganz anderes Reiseverhalten als Schwule, und daher gibt es auch eigene Destinationen für sie. Reisen für Schwule und Lesben werden oft in einen Topf geworfen. Das machen wir schon lang nicht mehr, weil wir gemerkt haben, dass Lesben ganz andere Bedürfnisse haben. Gran Canaria, ein klassisches schwules Reiseziel, ist beispielsweise nichts für Lesben, für die wird dort einfach nichts geboten. Lesben reisen nicht unbedingt, um Party zu machen. Lesben suchen eher Kultur, Natur, Erholung und Ruhe, sie fahren daher zum Beispiel lieber nach La Palma.

SZ: Warum wollen Schwule eher Party-Urlaub als Lesben?

Bömkes: Der Mann als solcher ist promiskuitiver als es Frauen üblicherweise sind. Das ist der Unterschied. Das kann man natürlich nicht verallgemeinern, aber Männer möchten eben was erleben im Urlaub.

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