Nach dem tödlichen Absturz am Lagginhorn:Trügerische Sicherheit an "leichten" Bergen

Das Lagginhorn im Wallis gilt als einfacher Viertausender, dennoch verunglückten hier Bergsteiger tödlich. Nun gibt der Alpenverein Tipps für eine größere Sicherheit bei Hochtouren.

Das Lagginhorn in den Walliser Alpen gilt als ein Viertausender, den viele bezwingen können. Dennoch stürzten hier fünf Menschen unterhalb des Gipfels in den Tod, die genaue Ursache ist noch unklar.

Gerade einfache Berge wie der 4010 Meter hohe Gipfel würden oft unterschätzt, sagt der Bergführer und Ausbildungsleiter beim Deutschen Alpenverein (DAV), Robert Mayer. Das Lagginhorn gelte als einer der einfachsten Viertausender überhaupt. "Aber an diesen Bergen passiert vielleicht sogar am meisten, weil an den schwierigen Bergen konsequent gesichert wird - im Gegensatz zu den einfachen", sagt Mayer. Dass fünf Menschen einer Gruppe in den Tod stürze, sei allerdings ungewöhnlich. "Es ist höchst tragisch."

Mayer warnt vor einer trügerischen Sicherheit am Seil. Wirklich sicher sei es nur, wenn das Seil am Fels fixiert sei. Andernfalls könne das Gehen am Seil sogar gefährlicher sein als ohne. "Man muss sich im Klaren sein, dass sich mit jeder Person am Seil das Risiko vervielfacht, dass eine Person die anderen mitreißt."

Die häufigste Unglücksursache in den Bergen ist nach der Statistik des DAV über die Unfälle seiner Mitglieder das Stolpern. Dies sei oft auch der Auslöser, wenn ein Bergsteiger eine Seilschaft mitreiße. 2008 und 2009 registrierte der DAV unter seinen Mitgliedern neun solcher Mitreißunfälle mit 23 Beteiligten, sechs davon kamen ums Leben.

Nun warnte der Deutsche Alpenverein auch davor, sich bei Bergtouren ausschließlich auf die offiziellen Schwierigkeitsgrade der Routen zu verlassen. "Der Berg kann zwar als einfach zu besteigen gelten", sagte Chris Semmel aus der DAV-Abteilung Sicherheitsforschung. Bei ungünstigen Witterungsbedingungen sage dies aber nicht viel aus, betonte Semmel. Die Einstufung von Bergen in Schwierigkeitsskalen berücksichtige lediglich die technischen Anforderung, die Länge der Routen sowie zum Beispiel die Frage, ob Kletter-Passagen vorhanden seien. Als einfach ausgewiesene Routen könnten bei schlechtem Wetter gerade für Laien erhebliche Probleme darstellen.

Tipps des DAV, um Unfälle bei Hochtouren zu vermeiden

[] Grundvoraussetzungen sind Trittsicherheit, Kondition und Schwindelfreiheit. "Ohne die sollte man überhaupt nicht in die Berge gehen", sagt Semmel.

[] Ausrüstung: Zur Ausstattung auf hochalpinen Touren gehören Steigeisen, Eispickel, Seil, Anseilgurt, Steinschlaghelm, Eisschrauben zum Sichern, Karabiner sowie Band- und Prusikschlingen, wie Semmel erläutert. Wind- und wasserfeste Kleidung sowie Mütze und Handschuhe halten bei plötzlichen Wetter- und Temperaturstürzen warm. Eine Schneebrille schützt die Augen vor der Sonne

[] Praxiserfahrung: Zudem müssen Alpinisten ihre Ausrüstung richtig benutzen können. Der Alpenverein und Bergführerschulen vermitteln in Kursen das nötige Basiswissen. Dann ist es wichtig, eigenverantwortlich entscheiden zu können, wann und wie gesichert wird. Die Situation richtig beurteilen und angemessen darauf reagieren zu können - das sei reine Erfahrungssache.

[] Selbsteinschätzung: Manche Bergsteiger wüssten nicht, welche Schwierigkeiten auf sie zukommen und was sie für eine Tour können müssten, hat Semmel beobachtet. Auf der anderen Seite könne es eine gefährliche Gruppendynamik geben: "Die Erfahreneren gehen voraus, denen fällt das Ganze noch leicht." Andere seien aber vielleicht schon an der Grenze und trauten sich nicht zu sagen, dass sie lieber am Seil gehen würden. Hierbei kommt es auf das schwächste Gruppenmitglied an. Die meisten Unfälle passieren Semmel zufolge zudem beim Abstieg - auch Kondition und Konzentration müssen also reichen.

[] Gewöhnung: An Höhen über 3500 Meter muss sich der Körper gewöhnen. Wer also eine Hochtour plant, sollte sich vor Ort genug Zeit nehmen und zunächst kleinere Gipfel bezwingen. Erst nach ein paar Tagen können sich die Bergsteiger dann an die hohen Berge wagen.

An Touren auf hohe, vergletscherte Berge sollte man sich generell langsam herantasten - von leichten und kurzen über längere und schwierigere Bergwanderungen. In diesen Schritten erwerben die Wanderer auch die für Hochtouren nötige körperliche Fitness.

[] Wetter: Routen, die bei Sonne leicht zu begehen sind, können bei Schnee und Nebel ernste Probleme aufwerfen: "Ich stehe in den Wolken und weiß nicht mehr genau, wo geht es jetzt genau runter oder hoch oder hin", erklärt Semmel. Bergsteiger kämen dann leicht in ein Gelände, das sie nicht mehr beherrschen. Zudem könne unerwarteter Schneefall die eigenen Fähigkeiten überfordern. Am besten informieren sich Alpinisten direkt beim Hüttenwirt oder anderen Bergsteigern über die aktuellen Verhältnisse.

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