Müll am Flughafen:Hektoliterweise Ärger

Nach der Einführung der neuen Regeln für das Handgepäck hat sich die Aufregung gelegt. Geblieben aber sind die täglichen Dramen an den Sicherheitsschranken.

Lukas Fritsch

Michael kommt gerade aus Dubai und muss auf seiner Reise in die USA in München umsteigen. Zum Abschied hat er in Dubai noch eine Flasche Wein geschenkt bekommen, die er - sicher ist sicher - lieber im Handgepäck transportieren möchte.

Neue Regeln fürs Handgepäck sorgen für noch mehr Müll am Flughafen. Foto: AP

Was zu viel ist, landet in der Tonne.

(Foto: Foto: AP)

Nun aber wandert seine Flasche blau-türkis über den Bildschirm des Röntgengeräts an der Sicherheitskontrolle des Münchner Flughafens. Mitnehmen darf er sie nicht.

Wie viele Passagiere weiß auch Michael nicht, dass eine gar nicht mehr ganz so neue EU-Richtlinie die Mitnahme von Flüssigkeiten im Handgepäck auf 100 Milliliter pro Gefäß beschränkt.

Fast vier Monate gilt die Richtlinie nun schon, die ausschließen soll, dass Terroristen Flüssigsprengstoff an Bord schmuggeln. Hintergrund waren die versuchten Terroranschläge auf Flugzeuge an Londoner Airports im August 2006.

Die Aufregung darum scheint längst verflogen, geblieben aber ist der tägliche Ärger an den Sicherheitsschranken: Viele Passagiere halten sich immer noch nicht an die Vorgaben, andere ärgern sich über die verlängerten Kontrollen, das Personal muss sich anpöbeln lassen und Duty-free-Shop-Besitzer befürchten Umsatzeinbußen.

Gertraud Baumgärtner ist als Luftsicherheitsbeauftragte für die Personenkontrolle am Münchner Flughafen zuständig und stößt damit qua Amt täglich auf unzufriedene Fluggäste. "Ein Passagier", so berichtet sie, "war so ungehalten, dass er die Flasche, die er abgeben sollte, nach der Sicherheitsbeamtin warf und dabei eine Glasscheibe zertrümmerte". Ratsam ist so ein Verhalten natürlich nicht.

"Bei solchen Reaktionen", erklärt Baumgärtner, "schalten wir die Bundespolizei ein." Ihr Kollege Ingo Burkhard erinnert sich an einen jüngeren Vorfall mit einem Fluggast, der nicht einsah, warum er seine Wodkaflasche dem Müll überlassen sollte und sie kurzerhand selbst leerte. Fünf Meter nach der Sicherheitsschleuse musste er sich dann übergeben.

Die konfiszierten Flaschen, Sprays, Cremes, Lippenstifte und etliches mehr erzeugen längst tonnenschwere Müllberge. Am Frankfurter Flughafen zum Beispiel fallen im Durchschnitt pro Woche 21 Tonnen konfiszierte Gegenstände an, in Düsseldorf sind es immerhin acht, in München noch sieben Tonnen.

Rechnet man das auf die bisherige Laufzeit hoch, so ergibt sich eine Müllmenge von gut 110 Tonnen, die seit Inkrafttreten der Richtlinie allein in München angefallen ist.

Dazugelernt haben die Passagiere offenbar nicht - die Müllmenge ist laut Edgar Engert, dem Sprecher der Münchner Flughafen GmbH, seit November etwa konstant geblieben.

Der Grund dafür: Anfangs ging das Thema durch alle Medien. Inzwischen ist das allgemeine Interesse aber versiegt . "Geschäftsreisende kennen die Regeln. Aber Leute, die selten fliegen, stellen sich nicht darauf ein", sagt Engert.

Dadurch benötigt die Abfertigung an den Sicherheitsschleusen deutlich mehr Zeit als früher. "Die obligatorische Frage nach Flüssigkeiten im Handgepäck wird häufig verneint, auch wenn beim Röntgen dann kurz darauf doch etwas auftaucht. Dann muss der Passagier über die Richtlinie aufgeklärt werden", erklärt Harald Kraemer von der Luftsicherheitsstelle der Regierung Oberbayern.

Erst kürzlich musste einer Familie eine ganze Wanne voll Trinkflaschen und Kosmetika abgenommen werden. Zwar wusste der Familienvater von der Richtlinie, er hatte das Packen aber seiner Frau überlassen, die von der Regelung noch nie etwas gehört hatte - auch wenn ihr Ehemann darauf bestand, es ihr extra noch gesagt zu haben.

Wenn die Passagiere genügend Zeit haben, um sich noch einmal am Check-in anzustellen, können sie ihre Waren noch als reguläres Gepäck aufgeben. Am Münchner Flughafen gibt es zusätzlich die Möglichkeit, zurückgewiesene Waren per Nachname an sich selbst zu schicken - Kostenpunkt 15 Euro.

Der Privatanbieter "Fly without Cry" hat sich darauf spezialisiert. Jeden Tag wird der Service bis zu 130-mal in Anspruch genommen.

Irgendjemand profitiert immer von neuen Regeln. Und eigentlich, so meint man, müsste der Umsatz der Duty-free-Shops innerhalb des Sicherheitsbereiches in die Höhe schnellen, wenn die Passagiere alle Waren an der Schleuse abgeben müssen. Hellmut Gebhardt, Geschäftsführer der "Eurotrade Flughafen München Handelsgesellschaft", die mehrere Duty-free-Läden betreibt, widerspricht: "Wir sind überhaupt nicht glücklich über die Geschichte!"

Denn die Gepäckverordnung ist eine rein EU-interne Regel. Die USA vor allem erkennen sie nicht an. Ein Beispiel: Kauft man in München Duty-free ein und fliegt direkt in die Staaten, funktioniert alles reibungslos. Muss man allerdings umsteigen, so wird die Ware, die man innerhalb des Münchner Sicherheitsbereiches erworben hat, beim Umsteigen in Zürich am Sicherheitscheck in den Müll wandern.

Im Gegenzug erkennt die EU aber auch keine Duty-free-Ware aus den USA und anderen Nicht-EU-Staaten an. Muss ein Passagier also auf seiner Reise von Atlanta nach Katar in Frankfurt umsteigen, landet sein zollfreier Schnaps dort frühzeitig im Müll. Eine Konsequenz daraus, so befürchtet Gebhardt, könnte sein, dass die Leute in Zukunft schlicht keine Duty-free-Waren mehr einkaufen.

Michael hat am Münchner Flughafen allerdings Verständnis für das Problem. Er ist strenge Sicherheitsvorkehrungen aus den USA gewohnt. Er wird sich seine Weinflasche für 15 Euro nachschicken lassen. Allerdings nach Heidelberg, wo er einen Zwischenstopp einlegen will.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: