Mountainbiken:Kaltstart auf Sizilien

Was tun mit den wintermüden Wadeln? Ab in die Sonne und mit dem Mountainbike rauf auf den Berg - zum Beispiel in der Madonie im Norden Siziliens. Einsame Trails, sagenhafte Meerblicke und Frühlingsgefühle garantiert.

Birgit Obermeier

"Da habt ihr euch ja gut was vorgenommen zum Saisonstart", sagt Stefan grinsend und kontrolliert noch einmal die Scheibenbremsen der Leih-Mountainbikes. "Sind noch ein bisschen wintermüde, die Räder." In diesem Jahr haben noch nicht viele Touristen in der Bikestation Kalura im sizilianischen Küstenstädtchen Cefalù vorbeigeschaut.

Unter der wärmenden Sonne Süditaliens und mit dem türkisblauen Tyrrhenischen Meer vor Augen sollen die müden Wadeln und Knochen munter gemacht werden. Der Trainingsplan lautet: Kaltstart in der Madonie, dem westlichsten und höchsten Teil des sizilianischen Apennins. Frühlingsgefühle garantiert. Noch ein Cappuccino am Domplatz von Cefalù, wo um diese Jahreszeit mehr Einheimische als Touristen die wärmenden Sonnenstrahlen genießen. Und dann: Winter ade!

Ziel der ersten Tour ist Gibilmanna, ein 800 Meter über dem Meer gelegener Wallfahrtsort am Westhang des Pizzo Sant' Angelo (1081 m), dem Hausberg Cefalùs gewissermaßen.

Auf dem schmalen, gemächlich ansteigenden Asphaltsträßchen können sich die Beine wieder an das runde Treten gewöhnen. Die Seele labt sich derweil an sattgrünen Wiesen, gelb leuchtendem Ginster, fleischigen Feigenkakteen und krumm gewachsenen Olivenbäumen. Alles wirkt frisch und unverbraucht. Auf den nackten Armen kitzelt die Sonne, unter dem Rucksack sammelt sich bereits Schweiß. Der alte Mann am Wegrand freilich trägt noch einen Wollschal.

Die Abzweigung auf die deutlich steilere Schotterstraße führt geradewegs hinein in die Einsamkeit des 40.000 Hektar großen Naturschutzgebiets Parco delle Madonie. Freundlich grün zieht sich das Gebirge hier an der regenreichen Nordküste empor, bewachsen mit dichter, dorniger Macchia.

Weiter oben bilden Eschen, Ulmen, Kork- und Steineichen sowie riesigen Stechpalmen einen der artenreichsten Wälder des Mittelmeerraums. Auf dem karstigen Hochplateau im Inneren des Massivs erheben sich felsige Gipfel, deren höchster, der Pizzo Carbonara, mit seinen 1.979 Metern nach dem Ätna die zweithöchste Erhebung Siziliens ist. In schneereichen Wintern üben sich wetterfeste Sizilianer hier im Skifahren.

Den Radlern treibt der Anstieg den Puls hoch. Steile Schotterrampen und fehlende Kondition vertragen sich nun mal nicht besonders. Trinkpause. Ganz schön mühsam, so ein Saisonstart. Dabei könnte man jetzt ebenso gut unten am Meer einen gepflegten Aperitif trinken und in den Oliven stochern.

Kaltstart auf Sizilien

Hier aber geht's weiterhin stramm bergauf, durch ein schattiges Wäldchen aus knorrigen, erst zaghaft blühenden Eichen. Zeit für ein im Geiste gemurmeltes Selbstüberlistungs-Mantra. Mountainbiken ist eben auch Kopfsache.

Kuhweiden, Macchia und Kuppen

Zwei Touren später liegt der innere Schweinehund dann aber endgültig darnieder, platt gerollt von den satten Eindrücken, die ein entwöhntes Radlerherz höher schlagen lassen: Auf einsamen Straßen durch Weingüter und Orangenhaine. Auf Singletrails (mit der Führung von Tourguide Stefan) über holprige Kuhweiden und mitten durch die Macchia. Hinauf in ebenso verwinkelte wie verschlafene Dörfer, die wie Adlernester auf Hügelkuppen thronen.

Und wieder hinunter in rasanten, bisweilen technisch anspruchsvollen Abfahrten - auf Schotter oder tief durchfurchten, stark eingewachsenen Lehmpfaden. Zu groß sind dabei Anspannung und Hochgefühl, um die von dornigen Sträuchern zerkratzten Arme und Beine zu bemerken. Selbst das Ausrollen auf der kurvigen Küstenstraße erweist sich - in der verkehrsarmen Vorsaison jedenfalls - für Stollenreifenfahrer als vergnüglich.

Für italienisches Urlaubsflair mit Pasta, Vino, Gelato und knatternden Vespas bleibt immer noch genügend Zeit. Abends, in Cefalù. Das mittelalterliche Städtchen - nach Taormina das zweitgrößte Tourismuszentrum Siziliens - hat sich mit dem abschüssigen, palmengesäumten Domplatz, den engen, verwinkelten Gassen und seiner fischerdörflichen Strandkulisse einen liebenswerten Charme bewahrt. Schwer vorstellbar, dass sich hier im Hochsommer Liegestuhl an Liegestuhl drängen soll.

Für Biker ist Cefalù in weiterer Hinsicht ein idealer Standort: Seit Jahren führt der deutsch-italienische Hotelbesitzer Gerrit Curcio hier eine Bikestation mit gut ausgestatteten Mountainbikes und Rennrädern. Der ehemalige Leistungsschwimmer hat viele Touren in der Madonie selbst erschlossen, inklusive einer sechstägigen "Trans-Sizilien-Tour", die über gut 8000 Höhenmeter von Cefalù über die Madonie, das Nebrodi-Gebirge und an den Hängen des Ätna entlang bis nach Catania an der Ostküste führt. Dafür braucht es freilich ordentlich Kondition.

Aber die Saison hat ja eben erst begonnen.

Informationen zum Mountainbiken in Cefalù (Sizilien):

Anfahrt: Günstige Flüge nach Sizilien bietet z.B. Air Malta (www.airmalta.com). Von Catania per Mietwagen oder Hotel-Shuttle auf der Autobahn in ca. zwei Stunden nach Cefalù.

Mountainbikes: Die beste Bikestation auf der Insel bietet das Drei-Sterne-Hotel Kalura (www.hotel-kalura.com, DZ ab 80 Euro) in Cefalù. Sie ist Testcenter der Marke Steppenwolf und verleiht voll gefederte Mountainbikes für 25 Euro pro Tag. Neben kostenlosen GPS-Tourdaten (eigenes Gerät mitbringen!) bietet sie in Kooperation mit dem lokalen Anbieter Bikezone (www.bikezone-sizilien.de) auch geführte Touren an.

Tourenvorschläge: Carmen Fischer und Helmut Walter: Mountainbiken auf Sizilien. 19 ausgewählte Touren mit Roadbooks. Delius Klasing Verlag, 2005. ISBN 978-3-7688-5221-0.

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