Mountainbike:Kleinod im Karwendel

Oft rennt die Masse den Massen hinterher und übersieht dabei, dass es links und rechts davon sogar lohnendere Routen gibt: zum Beispiel die von Fall auf den Schafreiter.

Stefan Herbke

Der kürzeste Weg ist nicht immer der schönste. Selbst der am häufigsten begangene Anstieg garantiert nicht zwangsläufig landschaftliche Höhepunkte. Oft ist es doch so: Die Masse rennt der Masse hinterher und übersieht dabei, dass es links und rechts davon ganz andere, vielleicht sogar lohnendere Routen gibt. Wobei, manchmal ist es natürlich auch so, dass diese etwas lang oder schlecht markiert sind und schon deshalb von keinem ernsthaft in Erwägung gezogen werden, dafür umso mehr Bergerlebnisse in absoluter Einsamkeit bieten.

Von Fall ins Krottenbachtal

Ein Beispiel dafür ist der Schafreiter, der mit seinem pultartigen Gipfeldach und nördlicher Eckposten des Karwendels nicht zu übersehen ist. Auf der Straße von Vorderriß nach Hinterriß gibt es zwei logische und beliebte Möglichkeiten, diesen schönen Wandergipfel anzugehen. Ein Blick auf die Karte zeigt aber auch, dass andere Routen landschaftlich viel eindrucksvoller sein könnten.

Auf der unbekannten Rückseite des Schafreiters versteckt sich etwa das wilde Krottenbachtal, das rund acht Kilometer hinaus nach Fall (773 m) und den Sylvensteinspeicher zieht. Das ist lang, nicht zuletzt wegen der Forststraße, auf der man laufen muss. Doch als kombinierte Bike&Hike-Tour ist das überaus lohnend. Kurze Anstiege wechseln mit flachen Passagen, die Forststraße ist in perfektem Zustand, tief unten rauscht der Krottenbach durch kleine Klammen und im Talschluss rückt mit jedem Tritt das Massiv des Schafreiters näher.

Steil hinauf zum Delpssee

Die letzten Meter mit dem Bike sind flach, dann verliert sich die rund sechs Kilometer lange Straße und geht über in einen schmalen Steig. Nachdem man sein Radl im Wald versteckt hat geht es zu Fuß weiter, erst seitlich des Krottenbachs, dann mitten im Bachbett, wo man sich gut die Gewalt des Wassers zur Schneeschmelze oder nach Gewittern vorstellen kann.

Rote Punkte als Markierung helfen, sich im Geröll des Krottenbachs, der von steilen Flanken flankiert wird, zurechtzufinden. Neugierig studiert man die steilen Abbrüche im Talschluss und überlegt wo sich der Weg zwischen den Felsen durchschlängelt. Doch das Gelände ist gut gegliedert, geschickt nutzt der gut angelegte Steig die Schwachstellen, gewinnt auf Rippen und Hängen Höhe, quert oberhalb von Abbrüchen zur nächsten gut gangbaren Passage und gewinnt so rasch an Höhe.

Wer früh aufsteht, der steigt im kühlen Schatten an, ehe man plötzlich hinaustritt aus der düsteren Nordflanke in eine sonnenüberflutete, weitläufige Mulde. Zwischen den saftigen Wiesen, auf denen glückliche Kühe stehen, glitzert das Wasser des Delpssees, dahinter ragt wie eine Mauer der Kamm Baumgartenjoch (1939 m) - Delpsjoch (1945 m) auf.

Allein zwischen den Bergseen

Etwas versteckt hinter dem fast kreisrunden Delpssee, der von sumpfigen Wiesen umgeben wird, liegt ein zweites Seenauge, das deutlich tiefer ist, eine schönere Färbung hat und leichter zugänglich ist. Westlich des Sees gibt es reichlich Wiesenpolster für eine Rast, daneben blüht der Almrausch, und weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen.

Über die Tölzer Hütte auf den Schafreiter

Auch auf dem folgenden Weg hinauf zur Tölzer Hütte ist man meist allein, erst bei der Alpenvereinshütte trifft man auf andere Wanderer. Rund 270 Höhenmeter sind es noch bis auf den Gipfel, und die können an heißen Sommertagen durchaus schweißtreibend sein. Steil geht es südseitig hinauf auf eine Kammhöhe, wo die Ergebnisse fleißiger Steinmannbauer zu bewundern sind. Dann folgt eine letzte, etwas felsige Steilstufe und schon steht man oben am Schafreiter (2101 m) mit seinem Holzkreuz und genießt auf schönen Wiesenpolstern den Rundblick, wobei vor allem die Felsmauern der Karwendelketten beeindrucken.

Abstieg über die Moosenalm

Bergab geht es erst sanft gefedert auf einem traumhaften Wiesenpfad über das gleichmäßig abfallende Gipfeldach des Schafreiters, dann auf einem Steig bis zu den ausgedehnten Wiesen der Moosenalm. Die liegt idyllisch etwas abseits des Weges und wer hierher kommt, der hat den Hauptweg zur Oswaldhütte an der Straße nach Vorderriß schon verlassen. Hier trifft man nur noch Genießer und Eingeweihte, die entweder über den Kamm der Pirschschneid nach Fall hinauswandern oder nördlich des Kreuzes oberhalb der Moosenalm rechts abbiegen und ins Krottenbachtal absteigen.

Einen Weg sieht man anfangs nicht, dafür liegen stattliche Bäume eines Windbruchs im Weg und verdecken die ohnehin nur spärlich vorhandenen Markierungen. Doch spätestens in einem grünen Wiesenboden trifft man neben einem kleinen Bach auf deutliche Spuren und nach einer verfallenen Klause gibt es keine Orientierungsprobleme mehr. In Serpentinen führt der Steig durch ein wildes und einsames Tal, neben einem kleinen Bach mit verlockenden Gumpen zum Hineinspringen, hinunter zum Krottenbach, wo man auf die Anstiegsroute und sein deponiertes Radl trifft.

Jede Menge Informationen

Anfahrt: Salzburger Autobahn bis Ausfahrt Holzkirchen, über Holzkirchen, Bad Tölz und Lenggries zum Sylvensteinspeicher und weiter nach Fall, großer Parkplatz.

Zeit: Aufstieg 5.30-6 Std. (bei Anfahrt mit dem Bike 4.30-5) Std., Abstieg 4 Std. (2.30 Std.)

Schwierigkeit: Lange Tour, die vor allem an heißen Sommertagen eine gute Kondition erfordert. Teilweise bewegt man sich in steilem Gelände, doch die Steige sind in gutem Zustand und für trittsichere Geher problemlos zu begehen. Beim Abstieg von der Moosenalm ist auf den ersten Metern etwas Orientierungsvermögen erforderlich, doch letztlich kann man sich nicht verlaufen, sofern man von der Alm in östlicher Richtung absteigt und sich an den Talboden hält.

Einkehr: Tölzer Hütte (1835 m, Tel. 0043/664/1801790).

Karte: BLVA UK L 30, Karwendelgebirge (1:50 000).

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