Montagnola im Tessin:"Bin Malen, wahrscheinlich in Arasio"

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Im Hesse-Museum gibt es Regina Buchers genau recherchiertes kleines Buch "Mit Hermann Hesse durchs Tessin", dazu Landkarten und einen Audioführer. Hier wandert man nie allein. Und, ja, es wandert sich gut auf der Collina d'Oro - hügelig ist es, aber nicht zu steil, der Wald spendet Schatten, es gibt kleine dörfliche Restaurants. Zu Hesses Zeiten wurde in der Gegend noch Katze mit Polenta serviert - den Katzenfreund Hesse hat das empört.

Hesse kommt auch zum Malen hierher. Seitdem ihm sein Psychoanalytiker empfohlen hat, sich im Reich der Farben auszudrücken, zieht er mit Staffelei und Strohhut umher, hängt ein Schild an die Tür ("Bin Malen, wahrscheinlich in Arasio") und malt tagelang Aquarelle. Dreitausend sollen auf diese Weise entstanden sein, einige werden gerade im Kunstmuseum Bern ausgestellt. Der Titel: "Die Grenzen überfliegen."

Im Sommer zieht es Hesse ans Wasser, an die kleinen Strände bei Orino, oder er geht einfach die paar Schritte zum Luganer See direkt unterhalb seines Hauses: "Ich hänge den Rucksack an einen Ast, ich reiße die Kleider ab . . . Das seichte Wasser, in das ich trete, ist warm wie Luft, erst draußen beim Schwimmen empfinde ich eine Ahnung von Kühle . . . Ich lege mich auf den Rücken, treibe lang, jede Welle schwappt mir launass über Augen und Mund, aber der Wind kühlt, langsam, mit leisem Saugen zieht er die Hitze aus meiner aufatmenden Haut."

Das Tessin gehört zu Hesse wie Algerien zu Albert Camus. Hesse sucht die Lust und die Verschmelzung und arbeitet an seiner Versinnlichung: Der so asketisch wirkende Mann mit dem hageren Gesicht erzwingt die Einheit mit der Landschaft und sich selbst. So viel Empathie hat Hermann Hesse nur für Hermann Hesse. Anderen gegenüber, seinen Frauen etwa, zeigt er sich meist unsentimental bis hin zur frappierenden Rücksichtslosigkeit. Als seine zweite Frau Ruth an Tuberkulose erkrankt, besucht er sie nicht ein einziges Mal, trotz ihrer Bittbriefe. Und seine erste Ehefrau Mia hat er als psychisches Wrack in eine Klinik abgeschoben. Nur seinen Katzen bringt er bedingungslose Zuneigung entgegen.

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