Mitten in Absurdistan:Waffeln à la Valentina

Bei der Weltmeisterschaft der Eismacher in Berlin bleibt eine junge Frau konsequent. In Biarritz verliert ein Hotelangestellter kurz die Contenance und in Peking erklärt ein Vater seinem Sohn etwas über die Spielarten der Liebe.

SZ-Korrespondenten berichten Kurioses aus aller Welt

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Urlauber am Atlantik bei Biarritz

Quelle: dpa

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Bei der Weltmeisterschaft der Eismacher in Berlin bleibt eine junge Frau konsequent. In Biarritz verliert ein Hotelangestellter kurz die Contenance und in Peking erklärt ein Vater seinem Sohn etwas über die Spielarten der Liebe. SZ-Korrespondenten berichten Kurioses aus aller Welt.

Mitten in ... Biarritz

Am Strand von Biarritz liegen alle im selben Sand: die reiche Schönheit, der tätowierte Prolo, der Familienurlauber mit Kind. Drüben am Felsen zanken sich derweil zwei russische Blondinen. Sie schreien, ziehen sich an den Haaren, während ihre Männer Wodka trinken. Später, bei der Rückkehr vom Strand, sortiert sich die Gesellschaft dann: An der Pforte des Hôtel du Palais steht ein Diener, der dezent den Geldadel vom Volk scheidet. Er achtet aufs Handgepäck: Einkaufstaschen aus Karton begrüßt er mit einem Lächeln, bei Plastikbeuteln runzelt er die Stirn. Drei Billigtouristen müssen draußen bleiben - "désolé". Da nähert sich das russische Quartett, die Kerle mit Papiertaschen teurer Modemarken, die Frauen mit Plastiktüten voller Flaschen. Stoisch winkt der Wärter alle durch. Danach verliert er kurz die Contenance: "Neureiche!"

Christian Wernicke

SZ vom 22./23. August 2014

'Love is on the Wall'

Quelle: obs

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Mitten in ... Peking

Ein kleiner Junge im Zug. "Papa, was heißt das eigentlich: 'sich eine Mätresse halten' oder sich eine ,Kleine Drei' suchen?" - "Also", setzt der Vater an. "Das eine ist, wenn Papa sich eine Tante von außerhalb sucht, die nicht deine Mutter und nicht Papas Frau ist, und wenn er dann lieber mit der anderen zusammenleben will. Und das Zweite, das ist eine jüngere Tante, die sich der Papa gleichzeitig neben der Mama hält." Der Zug fährt am Bahnhof ein. Der Junge spricht die Durchsage nach: "Bitte packen Sie alle Sachen zusammen, die Ihnen gehören, und steigen Sie aus." Der Vater tippt den Sohn an, dann imitiert auch er die Stimme aus dem Lautsprecher. Seine Version geht so: "Bitte packen Sie alle Frauen zusammen, die anderen gehören, und steigen Sie aus." Der Kleine schüttelt den Kopf: "Was für ein Durcheinander."

Kai Strittmatter

SZ vom 22./23. August 2014

Weltmeisterliches Speiseeis

Quelle: dpa

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Mitten in ... Berlin

Weltmeisterschaft der Eismacher auf dem Alexanderplatz. Es soll entschieden werden, ob Prosecco-Bergpfirsich leckerer ist als Vanille-Blattgold-Holunder. Und ob es möglich ist, nicht albern auszusehen, wenn man von mannshohen Plastik-Eiswaffeln umstellt ist. Gelingt es dem Typen, der sich einfach lässig an so ein Ding anlehnt? Nein, sorry, sieht albern aus. Oder dem, der genauso hoch und breit ist wie das Plastikeis und auf dessen Oberkörper ein Gelato-Schriftzug spannt? Nein. Albern. Dann teilt einer mit Anzug und strengem Blick die Menge. "Scusi! Scusi!" Um ihn herum Fotografen und Eismacher mit weißen Kochmützen. "Valentina, prego!" Wedelnd dirigiert er eine junge Frau in die Mitte des Platzes. Erst ist es still, dann wird gejohlt. Valentina balanciert auf zwölf Zentimeter hohen Plastikwaffeln. Albern? Konsequent.

Nadia Pantel

SZ vom 22./23. August 2014

Hausmannskost in der Kantine

Quelle: dpa

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Mitten in ... Siliana

Siliana ist eine Kleinstadt, gut zwei Autostunden südwestlich von Tunis. Die Fabrik beschäftigt nur Tunesier, inklusive des Chefs, aber sie gehört einem Autozulieferer aus Niederbayern, und sie ist so deutsch, wie es deutscher kaum geht, hier in der Steppe. Die Parkplätze sind durchnummeriert, es gibt eine "Hauptkantine" sowie ein "Modullager 6", und ein Aushang droht "disziplinarische Maßnahmen" an, sollte jemand mit offenen Schuhen am Arbeitsplatz erwischt werden. Auch in der Hauptkantine hängt etwas, auf Arabisch und auf Deutsch: "Nach dem Essen Platz aufräumen!" Das Ausrufezeichen ist nicht übertrieben charmant, aber bitte, fremde Arbeitgeber, fremde Sitten. Eine Besuchergruppe ist da, Deutsche und Tunesier. Die Deutschen gehorchen natürlich, jeder von ihnen trägt sein Tablett weg. Die Tunesier? Lassen alles stehen.

Detlef Esslinger

SZ vom 22./23. August 2014

HIPPIE-FESTIVAL

Quelle: DPA

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Mitten in ... Matala

Jeder, der mal einen Hippie kannte, kennt Matala. Matala liegt an der Südküste von Kreta, und von 1965 an hausten erst Dutzende, dann Hunderte Hippies in den ehemaligen Grabkammern, die links und rechts von der Bucht den weichen Fels durchlöchern. Damals war Matala freie Liebe, kiffen, auf der Gitarre rumschrummen und den Strand, pardon, vollkacken. Heute besteht Matala aus Souvenirgeschäften und Kneipen, in denen auch ältere Menschen sitzen, die so aussehen als erfänden sie gerade eine Hippie-Vergangenheit, um zu Hause zu sagen: Ich war wieder mal in Matala. Also: Ich war wieder mal in Matala. Ich saß in einer Kneipe auf dem südlichen Felsen. Großartige Aussicht. Daheim habe ich drei Platten von Joni Mitchell gehört, die 1970 in Matala war. Sie hatte damals einen Kerl am Strand, den sie besungen hat. Die Mitchell ist jetzt 71.

Kurt Kister

SZ vom 16./17. August 2014

Flughafen München, 2014

Quelle: Florian Peljak

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Mitten in ... Berlin

Montagmorgen, Businessflieger von München nach Berlin. Vor mir drei Männer im Anzug, etwa 50 Jahre alt. "Wisst ihr, was mir aufgefallen ist?", fragt einer der drei bei der Landung. "Eigentlich darf man die kleinen Rollkoffer ja mit an Bord nehmen. Aber immer öfter werden sie einem direkt vor Abflug noch weggenommen, weil das Handgepäck sonst zu voll wird." Die anderen nicken. "Nur: Mir passiert das nie, Frauen dagegen dauernd. Ich hab' das Gefühl, sie trauen sich das bei uns Managern nicht." Der Zweite schüttelt nachdenklich den Kopf. "Und dann muss man in Tegel immer noch 45 Minuten auf das Gepäck warten." "Diskriminierung" brummt der Dritte. "Seh' ich auch so", stimmt ihm der Erste zu. "Ich glaub', nächstes Mal sage ich was." Die anderen beiden nicken. "Eine gute Woche!" rufen sie sich noch zu, dann sind sie weg.

Charlotte Theile

SZ vom 16./17. August 2014

Kandidatenstadt Istanbul 2020

Quelle: dpa

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Mitten in ... Istanbul

Auf einem Bosporus-Boot, auf der Heimreise nach einem Erdoğan-Auftritt. Nichts ist schöner als in einer Augustnacht auf dem Wasser zu sein! Denken wir. Nur leider dröhnt aus allen Lautsprechern an Deck der stampfende Erdoğan-Wahlkampfsong in Endlosschleife. Irgendwann fällt dem DJ zum Glück ein, dass sein Boot eigentlich ein Party-Schiff ist und keines für's fromme Parteivolk, und er legt Rhythmen auf, die sofort in die Beine gehen. Drei junge Frauen mit Kopftüchern und braven langen Röcken erheben sich - und tanzen! Ein Alter mit Bart murmelt: "Sünde". Bald tanzt das halbe Schiff. Der Alte prophezeit: Die islamische Welt wird stark, die Osmanen kommen wieder. Wir schippern an einem anderen Boot vorbei, darauf eine Hochzeit mit Bauchtänzerin. Die Osmanen treffen wir in dieser Nacht nicht mehr.

Christiane Schlötzer

SZ vom 16./17. August 2014

US-BULL RIDING-RODEO

Quelle: Mladen Antonov/AFP

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Mitten in ... Charkiw

Hundert Kilometer südlich tobt ein Krieg, Charkiw ist zur Frontstadt in der Ostukraine geworden. Tausende Flüchtlinge aus dem Donbass sitzen hier fest, die Stimmung ist explosiv. Aber das stört offenbar nicht jeden. Ein korpulenter Herr mit wenig Haar und viel Gepäck ist auf dem Weg zum Flughafen, sichtlich gut gelaunt. Er kommt von einer Frau, die er im Internet kennengelernt hat. Irina, 45, aus einem Dorf bei Charkiw, spricht kein Englisch; der Mann, 75, aus Montana, USA, spricht kein Ukrainisch oder Russisch. "Wir sind uns näher gekommen", sagt der Cowboy, "per Dolmetscher". Nun denke er darüber nach, die Bekanntschaft zu vertiefen. Warum der weite Weg? Will ihn in Montana keine? Sind die ukrainischen Frauen einfach weniger emanzipiert? Ist es gar der Sex? "Ach was. Die Frauen hier können noch richtig tanzen!"

Cathrin Kahlweit

SZ vom 16./17. August 2014

Fußball-Weltmeisterschaft in Argentinien,  Deutschland gegen Österreich 2 : 3

Quelle: DPA

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Mitten in ... Wien

Selbstbewusstsein zieht man in Österreich gerne daraus, alles zu verteufeln, was aus Deutschland kommt. Vor allem den deutschen Fußball. Seit jeher ist es in Österreich Bürgerpflicht, bei einem Deutschland-Spiel zu den Gegnern der Deutschen zu halten, österreichischen Kindern impft man als Erstes das Wort "Córdoba" ein. Denn an diesem Ort besiegte bei der Weltmeisterschaft 1978 die österreichische Mannschaft die deutsche 3:2. Ob die kleinen Jungen, die den Bolzplatz im Wiener Türkenschanzpark betreten, diesen Mythos wohl schon kennen, das "Wunder von Córdoba"? Die Jungen stellen sich vor dem Ball auf, einer sagt in breitem Wienerisch: "I bin der Manuel Neuer." Der andere: "Und i bin der Thomas Müller." - "Naaa, du bist der Klose!" Die österreichische Welt, hätte Johann Nestroy gesagt - sie steht nicht mehr lang.

Verena Mayer

SZ vom 09./10. August 2014

Pflaster

Quelle: iStockphoto

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Mitten in ... Köln

Im ICE-Restaurant, in der abendsonnigen Grauzone zwischen letztem Kaffee und erstem Drink. Der Herr vis-à-vis bestellt ein Weißbier, ich nehme ein alkoholfreies. Abschätziger Blick von gegenüber. Dennoch friedlich trinken wir - bis plötzlich, in einer strengen Rechtskurve, eine gleichgewichtverlorene Frau vom Gang her auf den Mann stürzt. Sein Bierglas fällt in meine Richtung um und bricht, mein Hemd ist nass, im Finger steckt ein Splitter. Eine Bahn-Mitarbeiterin holt den Notfallkasten. Ein Stehtisch wird zum OP-Tisch, mit der Pinzette zieht sie die Scherbe heraus. Als ich mich wieder an den frisch gereinigten Tisch setze, mit durchsichtigem Hemd und Pflaster am Finger, sind die anderen Restaurantgäste recht heiter. Kopfschüttelnd amüsieren sie sich über meine neue Aufmachung. Merke: Man kann auch ohne Alkohol lustig sein.

Martin Wittmann

SZ vom 09./10. August 2014

Mallorca

Quelle: istock

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Mitten in ... Sollér

Mallorcas Marketing ist nicht als zimperlich bekannt. Jeder halbwegs verwertbare Vorzug der Ferieninsel wird ausgeschlachtet, was - wie man weiß - nicht nur Vorteile für Besucher und Bewohner bringt. Aber es gibt angenehme Ausnahmen. Das Tal von Sóller zum Beispiel ist bislang vergleichsweise beschaulich geblieben. Orangen- und Zitronenhaine, Bauernhäuser, Wanderwege durch schroffe Berge mit Terrassen aus alten Steinmauern. Für so viel Herrlichkeit wurde das Tramuntana-Gebirge kürzlich zum Weltnaturerbe erklärt. Nun ist es an vielen Hohlwegen plötzlich schwer geworden, die Berge überhaupt zu erkennen. Weil monströse Schilder den Blick versperren: ACHTUNG WELTERBE! EINZIGARTIGE LANDSCHAFT! SCHAUEN SIE NUR! Ja, danke, das alles ist vermutlich sehr schön für das Tal. Aber irgendwie war's vorher schöner.

Marten Rolff

SZ vom 09./10. August 2014

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Quelle: Marco Einfeldt

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Mitten in ... München

Der Abendflug aus London ist gelandet, zu früh. Aber jetzt: warten. Nervös murmeln Anzugträger in ihre Handys, vertrösten Abholer und Ehefrauen. Endlose Minuten vergehen, dann meldet der Käpt'n "Probleme mit dem Jetty". Die Verbindung zum Gate streikt. Kurz darauf kommt die Entwarnung, die Anzugträger stehen wieder im Gang. Doch dann spricht die Stewardess: Die Fahrgastbrücke funktioniert nicht, Busse müssen kommen. Alle bleiben stehen, 30 Minuten, 40 Minuten. Endlich geht die Tür auf, der Käpt'n verabschiedet die Passagiere. Nach einer enggezogenen Acht auf dem Rollfeld kehrt der Bus zum Jetty zurück. Die genervte Menge drängt ins Terminal, nur der Beamte bei der Passkontrolle hat gute Laune: "Ja, was hat denn so lange gedauert? Tja, Laufen wäre schneller gewesen, aber Passagiere sind halt auf dem Rollfeld verboten."

Anna Günther

SZ vom 09./10. August 2014

Rassehunde-Ausstellung 'Cacib 2014' in Nürnberg

Quelle: Daniel Karmann/dpa

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Mitten in ... Madrid

Ein halbes Dutzend Hunde tummeln sich auf der autofreien Plaza Olavide im Herzen Madrids. Morgens bis zehn und abends ab zehn Uhr dürfen sie ohne Leine herumtollen, während Frauchen und Herrchen Schwätzchen halten. Und in ihren Händen die Hundeleinen. An allen hängt ein grünes Fähnchen mit einem Aufdruck der Stadtverwaltung. Hundesteuerquittungsfähnchen? Nein, es sind gar keine Fähnchen, sondern Plastiktütchen. Sie dienen dem bekannten urbanen Zweck: der unverzüglichen Aufnahme des Hundehäufchens am Tatort, im Idealfall spurenlos. Das Kollektiv der Tierhalter und der Passanten wacht hier streng darüber, dass jeder dieser Bürgerpflicht nachkommt. Und dann gibt es da noch ganz selten die Fähnchen in Gelb. Sie warnen vor dem Hund - und das gleich doppelt: Wenn er beißt, gibt's nichts von der Versicherung!

Thomas Urban, SZ vom 02./03. August 2014

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Quelle: dpa/dpaweb

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Mitten in ... Aying

Freunde aus dem süditalienischen Salerno möchten gern das ländliche Oberbayern kennenlernen. Sie bekommen das volle Programm. Blauer Himmel, weiße Wolken, Marsch auf die Neureuth, Bad im Tegernsee und die erste Maß des Lebens im Biergarten von Aying. Fasziniert beobachtet unser Freund Gaetano einige in seinen Augen eigentümlich gekleidete Menschen. Lederhosen und Dirndl kommen ihm doch ziemlich exotisch vor. Er wolle gern mit diesen Menschen da fotografiert werden, sagt er, um das Foto dann seinen Freunden in Salerno zeigen zu können. Ich suche mir ein Ehepaar gesetzteren Alters in angenehm schlichter Tracht aus und bitte es leicht verlegen um ein gemeinsames Foto mit der Familie aus Italien. "Bitte sehr. Gerne", antwortet der Mann - auf Englisch. "Wenn es Sie nicht stört, dass wir New Yorker sind."

Stefan Ulrich, SZ vom 02./03. August 2014

Pyramiden von Gizeh, Ägypten

Quelle: dpa

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Mitten in ... Visoko

Mirsad war schon Bodyguard und mit dem Roten Kreuz in Libanon, und jetzt handelt der Bosniake mit schwarzem Bio-Integralmehl. Er liebt sein kleines Land. Wir sind im Reisebus von München nach Sarajevo unterwegs. Plötzlich, kurz vor Visoko, wird Mirsad nervös. "Kennt ihr die bosnischen Pyramiden?", fragt er und deutet auf ein paar Hügel, die tatsächlich wie überwachsene Pyramiden aussehen. Mirsad zeigt uns auf seinem iPhone Querschnitte der Bauwerke. "Wenn das stimmt", sagt er stolz, "muss die Weltgeschichte umgeschrieben werden." Da mischt sich eine Mitreisende ein: "Es waren schon Fernsehteams da, aber sie streiten sich, ob es wahr ist." Kurzer Check auf dem eigenen Smartphone. Das Internet sagt: alles Quatsch. Mirsad aber will sich seine Pyramiden partout nicht kaputtmachen lassen. Erst recht nicht von Wikipedia.

Lisa Rüffer, SZ vom 02./03. August 2014

Im Bild: Nicht Bosnien, sondern Kamele vor den Pyramiden von Gizeh, Ägypten

Sammlung von Steiff-Teddybären für 135 000 Euro versteigert

Quelle: dpa

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Mitten in ... Cala Figuera

Das Kreuz mit uns Touristen ist (wo wäre das augenfälliger als auf Mallorca?), dass sie einerseits Geld bringen, andererseits aber den Einheimischen sichtlich auf die Nerven gehen. Mitunter so sehr, dass man sie sich arrogant vom Leib hält. Ein Wirt im Fischerdorf Cala Figuera. Er hat die schönste Terrasse, den besten Fisch und noch freie Tische. Soeben hat ein Paar höflich auf Spanisch um zwei Plätze gebeten und dafür die Gnade erhalten bedient zu werden. Dann betreten die Terrasse: eine Frau und ein Mann, um dessen schwitzenden Hals eine wasserdichte Gelddose baumelt. Gerade wollen sie sich setzen, doch sofort ist der Wirt zur Stelle und sagt auf Deutsch: "Es ist alles reserviert." Fragende Blicke: "Aber da sitzt doch niemand?" Der Wirt holt einen kindsgroßen Teddybären hervor und setzt ihn auf einen der leeren Stühle: "Jetzt schon!"

Christiane Lutz, SZ vom 02./03. August 2014

questlove

Quelle: SZ

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Mitten in ... New York

Warum nicht mal zu einer Restauranteröffnung beim Times Square gehen? Da kriegst du kostenlos, wofür andere Eintritt in den Zirkus bezahlen. Sie haben da Schlangenmenschen, die sich sehr gut verbiegen können, sie haben auch echte Schlangen, die mit halbnackten Dompteurinnen tanzen. Es gibt drei Meter hohe Drag Queens, es gibt Clowns, die ihre sogenannten Possen reißen, und es gibt einen DJ, der aussieht wie Questlove von der Band The Roots, den man aus der Show von Jimmy Fallon kennt. Beim näheren Hinsehen ist es tatsächlich Questlove. Und wenn man noch genauer hinsieht, legt er gar keine Platten auf, sondern er tippt hinter dem Plattenspieler SMS. Das tut er aber so rhythmisch und in die Musik versunken, dass es dem Mann, der ihn engagiert hat, sicher nicht auffällt. Das Essen? Wen interessiert da das Essen?

Peter Richter, SZ vom 26./27. Juli 2014

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Quelle: Imago Stock&People

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Mitten in ... Berlin

Vor sechs Wochen begann ich den Sommer mit einem für mich neuen, aber ansonsten ziemlich alten Fahrrad. Ich habe es gekauft, weil es einen kleinen Regenbogen auf der Mittelstange hat und den überraschend bescheuerten Namen "Dixi SM" trägt. Ich ahnte, dass das eher dumme Kriterien waren. Wie dumm, verstand ich erst, als nach einer Woche der Dynamo abfiel. Kaum war der repariert, brach die linke Vorderbremse ab. Ob es damit zu tun hatte, dass danach der Dynamo neuerlich kollabierte? Leicht erzürnt brachte ich "Dixi SM" zurück zum Laden. "Willst du dein Geld wieder?", fragte der Fahrradhändler. Ja, das wollte ich. "Geil. Ich hab mich eh geärgert, dass ich dir das so billig verkauft hab. Ich mach da jetzt nen Rennradlenker dran und verkauf's fürs Doppelte." Fahrradhändler wissen um den Wert eines Regenbogens.

Nadia Pantel, SZ vom 26./27. Juli 2014

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Medora

Kühe hat man schon viele aus nächster Nähe gesehen, Bisons bis zu diesem Tag im Theodore Roosevelt National Park bei Medora, North Dakota, noch nicht. Die schwarzbraunen Giganten sind genau so beeindruckend, wie man sich das vorgestellt hat, wenn sie in einem Western über die Prärie zogen - nur um kurz darauf niedergemetzelt zu werden. Hier widerfährt ihnen kein Leid, auch wenn die Herde die Straße blockiert. Also sofort raus aus dem Auto und hingehen. Sind doch bloß friedliche Rindviecher! Komisch nur, dass so ein metallisches Knurren in der Luft liegt. Zehn Meter sind Abstand genug, oder? Ach, ruhig noch ein bisschen näher. Kann man die streicheln? Da schreit ein Ranger: "Are you nuts? Zurück in den Wagen!" Da werden die Bisons nervös. Und das Knurren richtig laut. So schnell ist man lange nicht mehr ins Auto gekrabbelt.

Harald Hordych, SZ vom 26./27. Juli 2014

Otto von Bismarck, 1889 Foto: Scherl /SZ-Photo

Quelle: Scherl/Süddeutsche Zeitung Photo

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Mitten in ... München

Eine sehr gute Bar gegen 22.30 Uhr. Es ist einer der drei Tage im Jahr, an denen sich nachts noch die Hitze staut. Vor der Bar auf der Terrasse ein paar Hundert Menschen in friedlicher, entspannter Stimmung. "Ich!", dröhnt es plötzlich aus der Brust eines Mannes, der mit einem 100-Euro-Schein wedelt. "Ich! Bin! Ein! Von! Bismarck!" Die Menge staunt, die ersten lachen. "Und ich dachte, der Adel sei abgeschafft", flüstert ein Mädchen. "In meiner Anwesenheit spricht man nicht, haben Sie das verstanden?", schreit der Mann. Der Barkeeper, einer der allerbesten in München, blickt ungerührt auf. "Hau ab", sagt er zum Ober-Bismarck, "für dich ist hier kein Platz." Der Mann platzt fast: "Unverschämtheit! Und das mir! Ich! Bin!" Dann trollt er sich. Ehe das Geplauder wieder einsetzt, sagt einer in die Stille: "Jetzt ist der Adel abgeschafft."

Johannes Boie, SZ vom 26./27. Juli 2014

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Quelle: Thierry Zoccolan/AFP

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Mitten in ... Aubrac

Das Hochland des Aubrac in Frankreich ist einer der einsamsten Flecken Europas. Hier leben viele Rinder und fast keine Menschen, "noch weniger als in Brandenburg", lehrt der Reiseführer. Herrlich, denkt der Gast, während er durch die Natur flaniert, den Kälbern zuschaut und sich auf das berühmte Aubrac-Steak am Abend freut. In der Herberge sitzen später zwei Wanderer mit am Tisch. Man kommt ins Gespräch, es sind Deutsche, ein Paar aus Mecklenburg. Schön, sagt man, da sei man mal auf einer Hochzeit gewesen. Nett, sagt die Frau, sie sei auch Pastorin. Interessant, erwidert man, die Hochzeit habe ebenfalls eine Pastorin gehalten - die Tante des Bräutigams. "Was?!" Die Frau fällt fast vom Stuhl. Stellt sich raus: Es ist dieselbe Person. Die Pfarrerin von der Hochzeit sitzt hier am Tisch. Mon Dieu. Beziehungsweise: Grüß Gott, Pastorin Siegert!

Marc Felix Serrao, SZ vom 19./20. Juli 2014

Fußballtrikot der Nationalmannschaft mit viertem Stern

Quelle: Wolfgang Kumm/dpa

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Mitten in ... München

Neuerdings leben wir ja im Vier-Sterne-Land, deshalb will die vierjährige Tochter unbedingt Vier-Sterne-Menschen sehen, diese Typen mit Siegertrikot und verklärtem Blick. Am besten gleich auf dem Weg zum Kindergarten, der über die Säbener Straße führt. Wo sind sie, die Schlandbewohner, die in der Nacht zuvor durchs Viertel tobten? Offenbar noch im Bett oder zu berauscht, um der Realität standzuhalten. Vor der Zentrale des FC Bayern mit den ikonischen Fotos von Bastian Schweinsteiger und Manuel Neuer steht nur ein grantelnder Vereinswächter im weißen Shirt. "Da, Papa, der hat vier Sterne, der hat die WM gewonnen", ruft die Tochter. "Schmarrn", brummt der Mann, "mir san Bayern, da gelten andere Gesetze: 24 Titel, macht vier Sterne, ist doch logisch, das weiß jedes Kind." Jetzt ist sie doch ein wenig irritiert, die Vierjährige.

Christian Mayer, SZ vom 19./20. Juli 2014

Gauchos

Quelle: Rekos/dpa

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Mitten in ... Buenos Aires

An dieser Stelle ein sportlicher Gruß aus dem Land der gebückten Gauchos an die aufrechten Teutonen. Keine Panik, es ist fast alles in Ordnung. Argentinien geht wieder gerade, trauert nur den Chancen von Higuaín, Messi und Palacio nach. "Goles son como amores", Tore sind wie die Liebe, man muss sie machen. Sagt mein Friseur. "Das Foul von Neuer war Elfmeter", sagt mein Hausmeister. "Hast du den Pokal dabei?", fragt mein Freund Alberto - leider nein. All das kriegt man dieser Tage in Buenos Aires zu hören. Aber besonders seltsam finden die Argentinier einen uruguayischen Moderator, der die deutschen Spieler wegen ihrer Gaucho-Nummer "ekelhafte Nazis" nannte. Also, Deutsche dürfen weiterhin gerne zum Tangokurs einfliegen und sich sogar den richtigen Gaucho-Tanz ansehen. Denn manchmal tanzen Gauchos tatsächlich.

Peter Burghardt, SZ vom 19./20. Juli 2014

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Paris

Kürzlich ist am Pont des Arts ein Brückengeländer umgekracht. Unter der Last von Zehntausenden von Liebesschlössern zusammengebrochen. Alles nicht ganz so schlimm wie 1918, als eine Fliegerbombe den Pont beschädigte. Auch nicht vergleichbar mit 1979, als ein Lastkahn die Brücke rammte. Aber, wer weiß, nächstes Mal fallen einem diese irren Liebesschlösser vielleicht bei der Seine-Rundfahrt aufs Oberdeck. Na, da wär' was los. Nach dem Einsturz krachte es dann auch in der Presse: Die Schlösser gehörten endlich abgenommen, hieß es. Ihr Verkauf verboten, die Händler vom Pont des Arts bestraft. Heute wirkt die Brücke luftiger. Und die Händler? Sie stehen nur ein paar Meter weiter, auf der Passerelle Léopold-Sédar-Senghor. Dort gibt's die Schlösser jetzt zum Sonderpreis. Das Problem: Jetzt ist auch hier kaum noch ein Platz frei.

Martin Zips, SZ vom 19./20. Juli 2014

Kloschüssel

Quelle: dpa

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Mitten in ... Kunming

Von allen Chinaabenteuern war früher die öffentliche Notdurft nicht das geringste. Heute gibt es öffentliche Klos, die sich als Pandabär verkleiden, manche locken mit Flachbildschirmen im Foyer. Die Ausnahme, zugegeben. Nicht geändert hat sich: Es wird weiter vornehmlich gehockt, nicht gesessen. Und die Brüstungsmauern um die Löcher sind noch immer so niedrig, dass sie das Gemeinschaftserlebnis nicht beeinträchtigen. Eines aber ist anders: Früher lasen viele Zeitung überm Abort, heute starren sie auf Smartphones. Damit allerdings lädt man Zaungäste geradezu ein. Gestern in Kunming auf der Busbahnhoftoilette: Einer in der Hocke spielt Autorennen, ein anderer spaziert vorüber, bleibt fasziniert hängen. "Jetzt!", ruft er. "Links!" Zu spät: Gecrasht. Der in der Hocke blickt auf: "Aber gar nicht schlecht, oder?" Neue Runde.

Kai Strittmatter, SZ vom 12./13. Juli 2014

Berghütte

Quelle: dpa

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Mitten in ... Geitau

Auf der Alm, da gibt's koa Sünd, lautet eine Weisheit. Die Geitauer Alm liegt in den bayerischen Voralpen auf 1330 Metern Höhe unter der schon hochgebirgig wirkenden Aiplspitz. Es gehen nicht viele Wanderer diesen Weg, und der Senner der ansässigen Käserei freut sich über ein Gespräch in der Einsamkeit. Gleich muss er wieder in den Hang, Latschenkiefern schneiden und verbrennen, damit das Gras für die Kühe Platz zum Wachsen hat. Ein archaisches Leben. Auf dem Tisch liegt ein großes Fernglas, mit dem er immer wieder nach dem Rechten sieht. Ob er so nach den Kühen schaue, dass keine verloren gehe? Nein, sagt der Senner. Kühe gehen nicht so leicht verloren. Die Bäuerin sei unten im Tal, und ihr Auto stehe da immer noch an der Scheune. Eigentlich wollte sie langsam zurück sein. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, lautet eine andere Weisheit.

Lisa Rütter, SZ vom 12./13. Juli 2014

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Maskat

Das Geschäft des Schneiders liegt im Suk von Maskat, irgendwo im Gewühl hinter dem überdachten Hauptplatz, wo früher Frauen vom ersten Stock aus Männern durch Luken in der Holzverkleidung Kaufanweisungen gaben. Heute gehen die Frauen selbst einkaufen, ihre Abaya zum Beispiel, das schwarze Überkleid, ohne das in Oman keine das Haus verlässt. Abdur Rahman misst die Kundin zunächst mit dezentem Blick. Anfassen ist nicht. Dann hilft er bei der Anprobe: Er rafft das Kleidungsstück, wirft es mit Schwung über die Kundin. Passt auf Anhieb, das hatte vor ihm keiner hinbekommen. Seine Modelle haben grüne Borten, lila Armabschlüsse. Wo wenig Spielraum ist, wird jeder Farbtupfer zur Freude. Ein Schneider, der das Metier beherrscht, ist sein Geld wert. Abdur Rahman würden viele Frauen gern in Gold aufwiegen.

Monika Maier-Albang, SZ vom 12./13. Juli 2014

Bier

Quelle: dpa

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Mitten in ... Masar-i-Scharif

Das deutsche Feldlager bei Masar ist noch immer ein heißes Pflaster, momentan hauptverantwortlich dafür ist der Monat Juli mit Tageshöchstwerten jenseits von 40 Grad Celsius. Mal steht die Luft, mal weht sie, heiß ist sie immer, und das Marmal-Gebirge liegt tönern und furztrocken am Horizont herum. Am Abend sucht man Erfrischung, in der "Oase" ist diese für alle rationiert - zwei kleine Bier für jeden. Stattdessen also ein Besuch bei der Abendandacht im Haus Benedikt. Dürre im Land, Dürre im Glas, es gibt wirklich bessere Rahmenbedingungen für den Psalm vom guten Hirten. Der Militärpfarrer berichtet trotzdem von grünen Auen und zitiert aus der Lutherbibel: Du schenkest mir voll ein... Ein Soldat fühlt sich da offenbar in seinem Glauben geprüft, er schaut ratlos lächelnd zu Boden, dann sagt er ganz leise: "Pfft".

Cornelius Pollmer, SZ vom 12./13. Juli 2014

1965 Mercedes-Benz 600 Pullman Limousine for sale sale in Stuttga

Quelle: dpa

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Mitten in ... Berlin

Ein kleiner Stau hat sich in einer Wohnstraße in Prenzlauer Berg gebildet, der Grund: zwei schwarze Mercedes-Limousinen. In einem der Wagen schaut jemand im Fond Fernsehen, der Bildschirm ist in die Kopfstütze eingelassen. Wer da schaut, ist nicht zu erkennen. Im Nu verschwinden die Limousinen, auf dem Trottoir zurück bleibt der israelische Botschafter. Womöglich haben der Botschafter und die Person im Auto zu Abend gegessen, sinniere ich, als ich vor einem Kaiser's-Supermarkt plötzlich die beiden Limousinen wiedersehe. Im Supermarkt-Eingang stehen Fahrer und Leibwächter. Kommt jetzt gleich Kanzlerin Angela Merkel heraus? Fast. Ernsten Gesichtes eilt Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière zu seinen Limousinen, in einer Hand eine pralle Kaiser's-Tüte, unterm rechten Arm eine Großpackung Toilettenpapier.

Thorsten Schmitz, SZ vom 05./06. Juli 2014

Public Viewing in Detroit, USA, Fußball-WM 2014

Quelle: AP

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Mitten in ... Los Angeles

Die USA sind im Fußballfieber, hört man nun allenthalben. Treffpunkt zum Public Viewing in Los Angeles ist der Pier von Hermosa Beach, zur Partie zwischen den USA und Deutschland waren 15 000 Menschen gekommen. Also nichts wie hin zum Spiel Deutschland gegen Algerien. Aber leider: nichts los, der Strand wie leergefegt. Darauf einen Drink. "Hier gibt es kein Fußballfieber", erklärt mir der Barkeeper. "Die WM gibt den Menschen bloß einen Grund, sich in Nationalfarben zu kleiden und 'U-S-A' zu brüllen." Am Freitag, Nationalfeiertag, ist der Pier von Hermosa Beach dann voller Menschen. Sie sind rot-weiß-blau gekleidet, viele brüllen "U-S-A", obwohl ihr Team doch längst ausgeschieden ist. Aus einer kleinen Wohnung, 500 Meter vom mutmaßlichen WM-Epizentrum entfernt, hört man derweil ein leises, dreistimmiges: "Schlaaaand!"

Jürgen Schmieder, SZ vom 05./06. Juli 2014

Im Bild: Solange das US-Team noch Chancen hatte, wurde kräftig gefeiert - etwa hier In Detroit am 1. Juli.

A wedding couple of tourists pose for their own photographer at the Trocadero Square near the Eiffel Tower in Paris

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Paris

Als Kind mal einen Film gesehen, in dem die These vertreten wurde, dass der Eiffelturm bei jedem Bild, das von ihm geschossen wird, einen Teil seiner Energie verliert. Sehr beeindruckende These! Es wird viel fotografiert, im Film, der Eiffelturm wird immer blasser und verschwindet am Ende ganz. Kein Paris-Besuch, bei dem man nicht daran denkt. Ob er bald wirklich verschwindet, wenn die Touristen am Trocadéro nicht endlich aufhören, ihn zu knipsen? Japaner halten sich ihre an eine Art Wanderstock angebrachten Smartphones vors Gesicht. Der ausgestreckte Arm ist zu kurz fürs Selfie. Daneben: Bestens ausgeleuchtete Profi-Shootings mit Hochzeitspaaren aus Russland. Nur ein paar belgische Sportler stören das Bild, als sie der Braut versehentlich ein Rad über den Schleier schieben. Und der Eiffelturm? Der lacht sich eins.

Martin Zips, SZ vom 05./06. Juli 2014

Toilette Toilettenpapier

Quelle: dpa

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Mitten in ... Dietingen

Unsere Geschichte spielt in drei nebeneinander liegenden Toilettenkabinen, dies zur Warnung, niemand ist gezwungen weiterzulesen. Autobahn 81 Richtung Bodensee, eine Raststätte bei Dietingen. Es gibt selbstreinigende WC-Sitze dort, der Ring dreht sich leise surrend durch eine Art Mini-Waschstraße. In einer der Kabinen surrt es unablässig. Ein Schweizer Bub fragt seinen Vater durch die Kabinenwand: "Du, Daddy, warum dreht sich die Tualette?" Der Vater antwortet: "Die macht sich selbst suwer." Sohn: "Du, Daddy, warum haben wir denn so was nicht daheim?" Vater: "Weil wir das daheim nicht brauchen." Sohn: "Du, Daddy, warum brauchen wir das nicht daheim?" Der Vater zögert einen Moment zu lang. Der Sohn sagt: "Aaah. Da haben wir ja die Mama." Später, beim Händewaschen, streicht der Vater dem Sohn gütig durchs Haar.

Roman Deininger, SZ vom 05./06. Juli 2014

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Schiras

Der Mann sucht Augenkontakt, was nicht einfach ist, weil alle stehen, er aber sitzt am Boden auf dem belebten Zugang zum Schāh-Tscherāgh-Heiligtum in Schiras. "Leg da die Hand drauf", sagt er, also geht man in die Hocke, legt die Hand auf eine Handvoll Kichererbsen, zieht sie wieder zurück, und der Alte beginnt, das Schicksal zu ordnen: drei Erbsen nach rechts, die Familie, ein paar nach links, Freunde, ein paar nach oben, eine einzelne abseits, eine leere Hülse kickt er aufs Pflaster. Er erklärt: Hier alles gut, dort auch, viel Glück überall. Die einzelne Erbse? "Da kommt noch etwas." Er hält die Hand auf. 20 000 Rial, 50 Cent, reichen nicht. Das Doppelte möchte er, die Inflation rast ja gerade in Iran - und bei so viel Glück. Aber dann ein Foto, bitte. Er willigt ein, doch die Erbsen bedeckt er mit der Hand. Das Glück mag käuflich sein, er ist es nicht.

Monika Maier-Albang, SZ vom 14./15. Juni 2014

TURKEY- WINE

Quelle: AFP

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Mitten in ... Özbağ

Wer länger in Berlin lebt, kennt das Gefühl: Man kann sich keinen Ort auf der Welt vorstellen, der annähernd an Berlin heranreicht. Deshalb verlassen die Berliner ihre Stadt nur im Notfall - was soll man woanders, wenn man in Berlin sein kann? Die Berliner Familie, die in Zentralanatolien unterwegs ist, fühlt sich deshalb sehr, sehr fremd. Graue Hügel, mehr Steppe als Landschaft. Die Orte karg und einsam, keiner versteht einen. An einer Autobahnraststätte das erste Gespräch. Ein älterer Mann fragt in gebrochenem Englisch, woher man komme. Berlin, sagt die Familie. "Ah, Berlin!", sagt er und wechselt in das flüssige Deutsch von Türken, die in Deutschland gelebt haben. "Kreuzberg, Kottbusser Tor!" Und mit einem Mal fühlen sich die Berliner wie so viele Deutsche, wenn sie auf Mallorca ein Schnitzelrestaurant entdecken: angekommen.

Verena Mayer, SZ vom 14./15. Juni 2014

© SZ/cag/ihe
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