Mitten in ... Absurdistan (VI):Mitten in ... Absurdistan (VI): Pudel mit Durchfall

Waschbrettbäuche im Schaufenster für Kinderbekleidung, eine angezeigte Bürgermeisterin und ein Wohnheim für Kampfhunde: im SZ-Korrespondenten berichten Kurioses aus aller Welt.

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Deutschlandflagge Kühe, dpa

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Mitten in ... Ihrhove

Endlose Weite, jede Menge Schwarzbunte, ein Einzelhandel, der die Mittagsruhe achtet und Eier aus der eigenen Hühnerzucht, die der Nachbar stets pünktlich zur Ankunft der Köln-Renegaten vor die Tür legt.

Willkommen in Ihrhove, Ostfriesland - Paradies für Anhänger des Downshiftings. Alles ist weniger aufgeregt, Pseudo-Megatrends kommen stets verspätet an: Selbst die SPD erzielt hier noch satte Mehrheiten.

Nun ist die EM länger vorbei, passé die Zeiten von Massenpatriotismus. Ruhe allerorten, erst recht hier.

Man blickt aus dem Schlafzimmerfenster, will die Behaglichkeit aufsaugen - und sieht: Die netten Nachbarn haben Schwarz-Rot-Gold geflaggt.

Foto: dpa

(Dirk Graalmann/SZ vom 12./13.07.2008)

Waschbrettbauch, iStock

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Mitten in ... Holyoke

Die US-Klamottenkette Abercrombie & Fitch dürfte weniger für ihr konventionelles Angebot als für ihre Werbung bekannt sein. Die hält sich mit dem Zeigen von Kleidung nicht auf, sondern setzt voll auf den sensualistischen Overkill. Das ist auch in der Shopping-Mall von Holyoke/Massachusetts nicht anders.

Im Fenster von Abercrombie hängen nur Poster eines Mannes mit nacktem Oberkörper, erigierten Brustwarzen und offenen Lippen. Aus dem Geschäft quellen schwüler Sandelholzduft und Housebeats. Drinnen: Bilder eines bauchfreien Models, die 34er-Jeans bis zum Schamansatz aufgeknöpft, die Hand im Schritt. ,

"Wie alt sind sie denn?", flötet die herbeistöckelnde Verkäuferin, deren Outfit in jeder Table-Dance-Bar Erfolg hätte, dem Kunden zu. ,"Wie alt ist wer?" ,"Na, Ihre Kinder", flötet sie weiter, ,"das ist Abercrombie Kids, der Herrenladen ist drei Türen weiter."

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(Marten Rolff/SZ vom 12./13.07.2008)

Rote Ampel, ddp

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Mitten in ... Utrecht

Ausländische Besucher gucken sich verwundert an, wenn Holländer bei Ampelrot die Straße überqueren. Dabei handeln diese aus Frustration, weil die Ampeln für Autos geschaltet sind und nicht für Fußgänger oder Radfahrer.

Dies erlebte auch Utrechts Bürgermeisterin Aleid Wolfsen, die ebenfalls auf dem Fahrrad eine rote Ampel ignorierte. ,"Es ist mehr stillstehen als radeln. Kein Wunder, dass jeder bei Rot fährt", kommentierte Wolfsen den Missstand. Die Ex-Richterin hat angeordnet, die Ampeln ihrer Stadt neu einzustellen, um den Verkehr flüssiger zu machen, da 40 Prozent im Stadtverkehr radelnd zurückgelegt würden.

Bei ihrem Regelverstoß wurde die Bürgermeisterin übrigens von einem Stadtbewohner ertappt, der die Rotsünderin pflichtgetreu anzeigte - so wie es die Regierung von jedem Bürger fordert. Seitdem hält sich Frau Wolfsen an die Verkehrsregeln.

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(Siggi Weidemann/SZ vom 12./13.07.2008)

Hunde Kinderwagen, ddp

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Mitten in ... München

Die Tierrettung Schwabing hat jetzt einen süßen Stofftiger im Fenster. Am Wochenende parkt ein Rettungswagen davor. Auf dem Bürgersteig. Sieht aus wie einer vom Roten Kreuz, fährt jedoch nur Pudel mit Durchfall durch die Gegend.

In München soll jetzt ein Wohnheim für Kampfhunde gebaut werden. Weil man sonst alle herrenlosen Pitbulls einschläfern müsste. Die armen Pitbulls! Da wären doch sicher auch viele Kinder traurig.

Apropos Kinder: Letztens konnte ich eine Frau beobachten, die aus lauter Sorge um den Nachwuchs fast gänzlich in einem Kinderwagen verschwand. In ihrem Kinderwagen saß ein Hund. Man sollte Hundebesitzer anleinen!

Foto: ddp

(Martin Zips/SZ vom 12./13.07.2008)

Mitten in Hamburg, oh

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Mitten in Hamburg

Und schon ist man Kinderhasser. Ein Hamburger Architekt hat diese Woche gelernt, dass das ziemlich schnell gehen kann.

Er wohnt neben einem Spielplatz in Barmbek. Das Kinderparadies neben seiner Erdgeschosswohnung, Eigentum, ist gerade neu gestaltet worden. Es stört nur sein Plakat, das er daneben aufgespannt hat: "Wir fühlen uns von der maßlosen Ausdehnung des Spielplatzes stark beeinträchtigt" - weil die Grünfläche zwischen Spielplatz und seinem Garten nur noch zwei Meter breit ist.

Der Architekt ist natürlich kein Kinderhasser. Er hat selbst zwei, die gerne an den neuen Geräten turnen. Sein Foto haben die Hamburger Blätter nun genüsslich abgedruckt. Ob er mit seinen Kindern noch gern gesehen ist? Seinen Protest hat er schon abgeschwächt. Auf seinem Plakat prangen nun Friedenstaube und Peace-Flagge.

Foto: oh

Christiane Langrock-Kögel/SZ vom 5./6.7.2008)

Mitten in Lampedusa, isole italia

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Mitten in Lampedusa

Rosario, der junge Kapitän, steuert den Ausflugskahn auf die Isola dei Conigli, die Kanincheninsel, zu. Türkis ist hier das Wasser, azurblau der Himmel, schroff die Felsen und fein der Sand am Strand. Nachts legt die Karettschildkröte am Ufer der Kanincheninsel ihre Eier ab.

Manch einer hat hier schon Delphine in den Bugwellen der Schiffe schwimmen sehen. Bootsflüchtlinge aus Afrika? Es ist lange her, dass sie nachts erschöpft an den Türen der Insulaner klopften. Inzwischen holt die Küstenwache die, die nicht gekentert sind, weit draußen im Meer ab. An Land werden die Einwanderer im Flüchtlingslager dann vor dem Fremdenverkehr versteckt.

Der Sizilianer Totò ist mit seiner neuen Flamme Concetta an Bord des Bootes. "Weisch", sagt Totò, "des isch einfach himmlisch hier." Totò war 20 Jahre lang Metzger in Karlsruhe.

Foto: Isole Italia

(Julius Müller-Meiningen/SZ vom 5./6.7.2008)

Mitten in Poughkeepsie

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Mitten in Poughkeepsie

Acht Uhr früh. Der Zug aus Poughkeepsie schiebt sich den Hudson-River entlang Richtung New York. Am ersten Tisch im Waggon sitzen zwei Schaffner. Kaffeepause. Ein Mann lehnt in der Tür. Ob er sich dazusetzen dürfe. "Meine Frau hat im anderen Waggon eine Freundin getroffen. Nicht auszuhalten. Wahnsinn, was Weiber so alles zu bequatschen haben!"

Ein Nicken, verständnisvolles Grinsen. Man kommt ins Gespräch, es redet vor allem - der Neuankömmling. Das Wetter ("drückend!"). Die Yankees ("tolles Spiel"). Politik ("McCain!"). Familie ("Wissen Sie, meine Tochter züchtet Ratten"). Er zeigt jetzt Fotos seiner Enkelin herum. Nach 30 Minuten stehen die Schaffner auf. "War nett, aber wir müssen, nächster Halt, Sie verstehen?"

Der Mann geht zu seiner Frau zurück, die im Nebenwaggon ein Buch liest. "Wo warst du denn?", fragt sie. "Ach, nur so hier und da."

Foto: dpa

(Marten Rolff/SZ vom 5./6.7.2008)

Mitten in Stockholm

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Mitten in Stockholm

Essingeleden, die Autobahn hoch über dem Mälarsee, ist dicht. Obwohl längst Ferien sind, steht das Blech brütend unter der Nachmittagssonne. Seit Dienstag geht das so, da sind Stockholms Busfahrer für unbestimmte Zeit in einen Streik getreten und haben den öffentlichen Nahverkehr ins Chaos gestürzt.

Wer trotz Urlaubszeit arbeiten muss, nimmt Auto oder Taxi. Und steht im Stau. Gefährlich ist es: Eine Zeitung mahnte die Stockholmer extra zur Vorsicht, weil nun angeblich Scharen genervter Landeier durch die Hauptstadt kurven, die ihre Volvos sonst nur durch einsame Wälder ohne Fußgänger und Ampeln lenken.

Mancher denkt an Flucht ins Ausland, denn die Verbindung zum Airport wird noch nicht bestreikt. Darum stehen auch einige Flughafenbusse am Essingeleden im Stau. Immerhin haben die Fahrgäste dort Seeblick. Und warm ist es auch.

Foto: Arlanda Airport Stockholm

(Gunnar Herrmann/SZ vom 5./6.7.2008)

Zigaretten, ddp

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Mitten in ... Jakarta

Man bildet sich ja einiges ein auf eingelöste Vorsätze. Ich habe mit dem Rauchen aufgehört, vor drei Jahren, war gar nicht schwierig - ein Triumph. Keine Rückfälle seither. Und kaum Versuchungen. Bis jetzt, bis Jakarta.

Schwer und süß liegt er in der Luft, der Geruch der "Kretek", der Nelkenzigaretten. Er ist stärker als der Smog. Fast überall rauchen sie hier noch: unter den Motorradhelmen, in den Restaurants, in Krankenhäusern.

Und die Ticketkontrolleure der halsbrecherischen Stadtbusse, die sie in Jakarta "Kings of the road" nennen, hängen bei voller Fahrt aus der hinteren Türe, Notenscheine in der freien Hand, Kretek im Mundwinkel. Nelken sind drin, Gewürze von den Molukken, manchmal Rum, Ananas, Zimt. 500 Produzenten in Indonesien schwören auf ihre Mischungen. Diese Schwaden! Sie betören, sie verführen. Fast fatal.

Oliver Meiler (SZ vom 28./29.06.2008)

Foto: ddp

Bush, AP

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Mitten in ... San Francisco

Lange nachdem US-Präsidenten aus dem Amt geschieden sind, lebt ihr Name in bedeutenden Bauten weiter. Es gibt das Lincoln-Memorial und den John-F.-Kennedy-Flughafen. Nach George Washington wurde ein Bundesstaat benannt.

Solche Ehre soll auch Bush zuteil werden. Die "Presidential Memorial Commission", die in San Francisco Unterschriften für ihr Anliegen sammelt, hat ein geeignetes Objekt gefunden: Das "Oceanside Water Pollution Control Plant", ein Klärwerk, das in "George W. Bush Sewage Plant" umbenannt werden soll.

Die Initiative dürfte Bush vor der Sommerpause gut tun. Nur die Republikaner sind von der Idee nicht angetan: "Das sind ein paar Betrunkene, die sich einen Scherz erlauben." Zur Einweihung am 20. Januar soll das Werk mit einem kollektiven Simultanspülen geflutet werden. Bush zu Ehren.

Jörg Häntzschel (SZ vom 28./29.06.2008)

Foto: AP

Capri, AP

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Mitten in ... Capri

Blau leuchtet oben der Himmel, weiß spritzt unten die Gischt. Atemberaubend eng schlängeln sich Serpentinen zwischen den Kalksteinfelsen auf Capri und verbinden den Hauptort auf der einen Seite mit dem Hafen Marina Piccola auf der anderen Seite der Insel.

Der deutsche Industrielle Friedrich Alfred Krupp ließ die Straße um 1900 anlegen, um schneller von seinem Wohnsitz, dem Hotel Quisisana, zum Hafen zu kommen, wo er ein Forschungsschiff liegen hatte.

Diese Via Krupp mit ihren phantastischen Ausblicken musste immer wieder wegen Steinschlag und anderer Mängel gesperrt werden; zuletzt blieb sie 32 Jahre lang geschlossen.

Am Samstag wird sie wieder eröffnet, und Capri feiert. Der italienische Staatspräsident kommt, der deutsche Botschafter in Rom, Hanna Schygulla spielt Theater und die Capresen machen viel Musik.

Henning Klüver (SZ vom 28./29.06.2008)

Foto: AP

Autoscooter, iStock

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Mitten in ... Nablus

Wer von Ramallah nach Nablus fahren will, einer Stadt im Norden des Westjordanlands mit weit mehr als 100.000 Einwohnern, muss etwa zwei Kilometer vor der Stadt einen israelischen Checkpoint passieren.

Hohe Drahtzäune und Stacheldraht geben den Weg zu einem Drehkreuz vor: das neue Tor zur Stadt. Ein mulmiger Blick nach links in die langen Reihen derer, die nach draußen wollen - der weit schwierigere Weg.

Hinter der Sperre liegt eine geschäftige Stadt. Auf dem Markt wird mit Obst und Gemüse gehandelt, Schülergruppen ziehen lärmend durch eine Straße, in der nur Automechaniker ihre Geschäfte haben, Mütter kaufen mit ihren Kindern ein.

Für die Kleinen ist das Langeweile pur, sie quengeln und betteln um einen Ritt auf den Fahrgeschäften vor dem Laden - dem bunten Auto, oder noch besser: dem Panzer mit Maschinengewehr.

Foto: iStock

Silke Lode (SZ vom 28./29.06.2008)

Mitten in ... Chemnitz, ddp

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Mitten in ... Chemnitz

Ein Haus am Stadtrand, Eigentümer- und Mieterversammlung in der Gartenlaube. Die Tischdecke ist abwaschbar, der Gartenzwerg reicht bis zur Hüfte, die Bewohner vertragen sich nicht.

Letztes Jahr rieten die Vermieter ihnen, einander zu ignorieren. Nun aber zwei neue Beschwerden. Die erste: dass A. nicht mehr grüßt. Worauf A. antwortet: "Aber wir haben doch Stillschweigen vereinbart." Die zweite: dass A. nie pünktlich das Treppenhaus putzt. B. liest die Hausordnung vor: Treppenhausreinigung bis Sonnabendmittag. Und wann putzt A.? "Mal um 16, mal um 17 Uhr, ganz wie sie will."

Der Vermieter fragt, was das Problem ist. "Dass sie es nicht pünktlich macht", antwortet B. Der Vermieter fragt, ob man in die Hausordnung "Sonnabend" statt "Sonnabendmittag" schreiben soll. B. antwortet: "Damit wär' ich einverstanden."

(Detlef Esslinger/SZ vom 21./22.6.2008) Foto: ddp

Mitten in ... Quito, ddp

Quelle: SZ

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Mitten in ... Quito

Den Meerschweinchen geht es ja weltweit nicht sehr gut, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. In der Schweiz zum Beispiel teilte kürzlich das Bundesamt für Veterinärwesen den Kindern mit, dass sie die knuddeligen Nager bitte nicht abknutschen und herumschleppen sollten.

In südamerikanischen Ländern wie Ecuador wiederum hat man für solche Sentimentalitäten keinen Sinn: Hier werden die Meerschweinchen, wenn sie sich kugelrund gefressen haben, ganz selbstverständlich abgemurkst, auf einen Grillspieß gesteckt und mit Genuss verzehrt.

Vor wenigen Tagen fand in der Hauptstadt Quito gar das ·II. Internationale Festival des Meerschweinchens· statt. Das Ziel: die Produktion und den Konsum des "Cuy" zu fördern. Zur Feier des Tages gab es Meerschweinchen satt. Den Kindern in der Schweiz sollte man das vielleicht lieber nicht erzählen.

(Antje Weber/SZ vom 21./22.6.2008) Foto: ddp

Mitten in ... Wien, www.elegantevents.at

Quelle: SZ

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Mitten in ... Wien

Mittags vor Schloss Schönbrunn. Was für ein Auftritt! Die Braut in Weiß, der Bräutigam in einer Uniform wie aus dem Operettenfundus: Orden, Säbel, Epauletten. 3000 bis 7000 Euro kostet eine Hochzeit im Schloss, die Suite im Hotel Imperial nicht mitgerechnet. Die Mehrzahl der Paare kommt aus dem Ausland, viele aus Japan.

"Manche Braut will Sissi spielen, manche wollen eine elegante Location", sagt die Chefin der Agentur "the wedding planner". Und die Uniform? Die sei echt, versichert ein an der Zeremonie Beteiligter. So viele Japaner in Schönbrunn - eine falsche Uniform zu tragen, könne sich Herr H. gar nicht erlauben. Er würde sofort enttarnt. Im Übrigen, gell, sei Herr H. Mitglied des Kaiserhauses, des japanischen.

Sein Vorteil: H. muss sich keinen Frack ausleihen wie viele seiner Landsleute. Das gehe stets schief, lacht der Mann: zu klein die Japaner!

(Kassian Stroh/SZ vom 21./22.6.2008) Foto: www.elegantevents.at

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Mitten in ... Moskau

Die Grundstimmung ist patriotisch in Russland, Flaggen sind beliebt, der Vorwurf nationaler Unzuverlässigkeit existenzbedrohend. Andererseits ist nichts so aufregend wie ein neuer, fremder Trend.

Die Wasserpfeife zum Beispiel, einst in Berlin als Gipfel morgenländischer Lebenskunst gefeiert, verlor sich mit dem Rauchverbot. In Russland aber ist die ,,Kalian'' derzeit eine gastronomische Wunderwaffe. Es gurgelt in sibirischen Einkaufszentren, in Sushi-Restaurants vor Twer und beim Thai in Moskau.

Importiert ist dabei nur der Tabak mit Bananen- oder Cappuccino-Aroma, der Rest entspricht lokalen Ansprüchen: Man raucht auf Wasser, aber auch auf Milch, Absinth oder Whisky. Trotzdem ist das ein schöner Import, dem man ein langes Leben wünscht - was man von anderen nicht sagen kann. Umwerfend populär ist gerade auch der Vokuhila.

(Sonja Zekri/SZ vom 21./22.6.2008) Foto: iStock

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Mitten in ... Venedig:

Russen. Sie sind überall, wo es schön und teuer ist, also sind sie auch in Venedig. Nie allein, denn der Russe reist im Kollektiv, selbst wenn er Oligarch ist, dann hat er eben eine Gruppe Bodyguards dabei.

Am Adria-Hafen Punta Sabbioni steigen die Petersburgerinnen mit ihren Prada-Handtaschen in die Fähre ein, um eine halbe Stunde später am Markusplatz zu landen. Shopping in Venice dauert vier Stunden, die Horde überschwemmt die Designerläden und kauft italienische Markenartikel und Karnevals-Kitsch.

Zurück mit der Fähre nach Punta Sabbioni. Die Russinnen sind zufrieden, ihre männlichen Begleiter dagegen ein wenig gelangweilt, obwohl der Dogenpalast von außen ganz nett war. Am Fährhafen müssen alle plötzlich aufs Klo. Ein Dutzend Russinnen stürmt die Trattoria. Mamma Mia! Noch eine Überschwemmung.

Foto: AFP

Text: Christian Mayer

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Mitten in ... Istanbul

Es ist still im Istanbuler Stadtteil Eminönü, in dem sich die Touristen sonst auf die Füße treten. Über der Blauen Moschee schreien ein paar Möwen, sonst ist nichts zu hören auf der Dachterrasse des Hotels Sultanahmet. Vielleicht ist es der Fußball.

Eben hat die Türkei 0:2 gegen Portugal verloren, obwohl ihre Spieler in der Werbung Bälle durch Beton schießen. Still rauchen ein paar deutsche Touristen ihre Wasserpfeife. Plötzlich ertönt ein Geräusch.

Es klingt wie leises Händeklatschen und kommt vom Aquarium auf dem Tisch. Im Aschenbecher daneben zuckt - ein Fisch.

Die Reisegruppe ist sich einig: Selbstmord, aus Enttäuschung. Als sie später geht, treibt das Tier reglos im Wasser. Ein Omen für die EM? Cigdem Cure, Managerin des Hotels Sultanahmet, teilte nun mit: Dem Fisch geht es wieder gut. Und die Vorrunde ist noch nicht zu Ende.

Foto: dpa

Text: Marc Felix Serrao (SZ vom 14./15.6.2008)

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Frankfurt

Jochen hat Betriebswirtschaftslehre studiert, ist aber ansonsten ein angenehmer Mensch und seit einiger Zeit Gastwirt im Frankfurter Nordend. Seine Speisekarte ist nicht sehr hessisch, was auch eher angenehm ist.

Es gibt bei ihm Burger, Chickenwings, Country Potatoes, derlei eben. Er nennt diesen Imbiss ein Bistro. Neulich saß Jochen rauchend vor dem Bistro, als eine ältere Dame vorbeikam. Sie sprach sehr viel hessischer, als es Jochens Speisekarte ist, fragte, wie der Laden laufe, und wollte dann über die Speisekarte reden, die in der Nachbarschaft Irritationen erzeugt habe.

Alles so amerikanisch, sagte sie, man habe sich schon gefragt, ob er, Jochen, am Ende selbst "ein Ami" sei. Sie wirkte beruhigt, als er verneinte. Seitdem ist Jochen manchmal etwas nachdenklich. Was Burger auf hessisch heißt, ist ihm aber noch nicht eingefallen.

Foto: dpa

Text: Christoph Hickmann

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Hamburg

Es ist, als würden sie nie schlafen, die Obdachlosen vom Bahnhof Sternschanze, die zu jeder Tages- und Nachtzeit am Fahrkartenautomaten auf Wechselgeld warten.

Ich hab aber keins, im Gegenteil: Mir fehlen 50 Cent. Als ich einen Freund darum bitte, mischt sich ein Obdachloser ein: "Wieviel brauchst Du?", fragt er und klimpert mit den Münzen in seinem Pappbecher. "Nichts", lüge ich, ich kann von ihm nichts nehmen!

Doch er beharrt. In Rumänien, seiner Heimat, würden Männer Frauen noch aushalten. Zudem laufe das Geschäft super. Der Kleingeldbecher tanzt vor meinen Augen. Ich will den Mann nicht beleidigen und nehme das Geld, so gerührt wie peinlich berührt.

Als ich gehen will, reißt er sein Hemd auf und reckt mir die Brust entgegen. Darauf ein tätowiertes Kreuz. Jesus, erklärt der Obdachlose, hätte einer Bedürftigen wie mir auch geholfen.

Foto: dpa

Text: Charlotte Frank

Massage, Scherl

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Mitten in...Tiflis

Baden in den Thermen von Tiflis ist wie alles in dieser Stadt eine besondere Art von Herausforderung.

Der Besucher mietet einen abgeschlossenen Teil des Bades, eine große Halle mit einer riesigen Kuppel über dem Becken mit heißer Sole. Nach zehn Minuten vorsichtigen Eintauchens erscheint eine gewichtige Persönlichkeit, die Bademeisterin, es ist Zeit für die Massage.

Arbeitsgeräte sind ein Eimer, ein Handschuhwaschlappen und Seife. Ohne Zögern entledigt sie sich ihres langen Rockes und steht da nun in ihrer Arbeitskleidung, geblümter Schlüpfer und T-Shirt.

Der Gast auf der Liege hat wenig Zeit, sich darüber zu wundern, denn er wird nun eingeseift und abgeschrubbt wie seit seiner Kindheit nicht mehr. Danach fürchtet der Badegast nichts mehr. Er traut sich jetzt sogar zu, den chaotischen Autoverkehr zu überleben.

Text: Roswitha Budeus-Budde (SZ vom 7./8.6.2008)

Foto: Scherl

reykjavik Erdbeben, Reuters

Quelle: SZ

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Mitten in...Reykjavik

Das Erdbeben kommt um 17.42 Uhr. Es hat die Stärke 6,2 auf der Richterskala. Gewaltig, das größte Beben seit langem in Island.

Zehn Minuten zuvor hatte unser Bus kurz vor Reykjavik noch unbehelligt das spätere Epizentrum passiert. Die Brücken in die Hauptstadt werden danach gesperrt. Es gibt keine Toten, wiewohl großen Sachschaden. Die Stimmung in Reykjavik bleibt jedoch unaufgeregt.

Abends sammeln sich die Menschen wie jeden Abend zum Ausgehen im schicken Viertel 101 im Zentrum. Das Ereignis ist nicht mal das Hauptthema. Ein Tanz auf dem Erdbeben scheint zwischen Gletschern, Geysiren, Wasserfällen, Lavafeldern und Vulkanen etwas Normales. In dem praktisch nur an den Küsten und Fjorden bewohnten Land können die Isländer der Natur schließlich jeden Tag bei ihrer wilden Arbeit zusehen.

Text: Alexander Hosch (SZ vom 7./8.6.2008)

Foto: Reuters

Hund Bikini, iStock

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Mitten in... Havanna

Havanna ist auf den Hund gekommen. Vom Dackel bis zum Dobermann ist alles vertreten, was kläfft und mit dem Schwanz wackelt.

Während die kubanische Jugend ihr Glück im Ausland sucht und immer weniger Kinder geboren werden, nimmt die Zahl der Vierbeiner ständig zu. Dabei treibt die Hundeliebe mitunter seltsame Blüten.

Kampfhund Diago schläft im Ehebett, Cocker-Dame Sharon Stone geht einmal im Monat zum Friseur. Der Hundesalon in der Calle Obispo, der schönsten Einkaufsmeile der Altstadt, erfreut sich großer Beliebtheit.

Der stolze Besitzer von Sharon hebt ihre Schlappohren, damit die Friseuse den Fransen einen flotten Schnitt verpasst. Zum Schluss gibt es Hundeparfüm auf Brust und Nacken und als Belohnung ein Softeis in der Eisdiele. Hollywood-Träume im 50. Jahr der Revolution, die langsam vor die Hunde geht.

Text: Martina Scherf (SZ vom 7./8.6.2008)

Foto: iStock

affe

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Mitten in ... Singapur:

Mitten in Singapur, dieser modernen und geordneten Metropole, begegnet man der Natur zuweilen in deren wildesten, unliebsamsten Offenbarung. Zum Beispiel Kobras, drüben auf der Wiese, auf der wir eine Weile lang Fußball spielten. Machen wir jetzt nicht mehr.

Oder Affen, mitten in Wohngegenden. Sie schauen böse. Schaut man böse zurück, greifen sie an. Sie steigen durch Fenster, leeren Kühlschränke, räumen Buffets ab. Wie viele Makaken es in Singapurs Naturreservaten gibt, weiss niemand genau.

Doch immer mehr von ihnen verlassen ihr natürliches Habitat. Manche Singapurer füttern sie, was eigentlich streng verboten ist und mit bis Bußgeldern bestraft wird von bis zu 3000 Singapur-Dollar, etwa 1500 Euro. Die Zeitungen zeigen die Fotos der Fütterer, als wären sie Kriminelle. Dabei sind sie ja, wie wir alle, auch nur Primaten.

Foto: dpa

Text: Oliver Meiler

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Zunhua:

Die chinesische Geschichte ist reich an großartiger Kultur und ausgesuchter Grausamkeit. Von beidem zeugen die Grabanlagen der Qing-Dynastie im Kreis Zunhua nahe Peking. Besonders beeindruckend ist die Gruft des Kaisers Qianlong und seiner Lieblingsfrauen. Mit ihnen sind Hunderte weiterer Konkubinen bestattet worden.

Der Kaiser galt als Ästhet. Seine Grabkammern sind über und über mit Buddha-Darstellungen und tibetischen Schriftzeichen verziert. Direkt vor seinem Sarkophag will es eine amerikanische Touristin genauer wissen. "Hat man seine Frauen umgebracht, als er gestorben war?" Die Reiseführerin ist entsetzt über eine solche brutale Unterstellung. "Aber nein!", ruft sie, "das hat man nur zur Zeit der Ming-Dynastie gemacht." Erleichterung bei der Amerikanerin.

Darauf die Reiseführerin: "Bei den Qing erhängten sich die Frauen selbst."

Foto: oh

Text: Jochen Temsch

Oppossum

Quelle: SZ

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Mitten in ... Collingwood:

Der kollektive Zorn der Neuseeländer auf die Opossums nimmt bisweilen manische Formen an. Nicht nur, dass selbst ältere Damen die Gaspedale ihrer Pick-Ups bis zum Anschlag durchtreten, sobald einer der Beutelsäuger die Straße überquert - ganze Kleinbetriebe haben sich der Rache an dem niedlichen Tier verschrieben.

Das Biest bringt es fertig, Wälder in Wüsten zu verwandeln und sich trotz tätlicher Anfeindung auch noch prächtig zu vermehren. Ein Vorposten im Kampf gegen die Bestie ist das Café "Possum". Direkt am Rande des Buschs werden hier aus den Häuten erlegter Opossums Lampenschirme und Kissenbezüge hergestellt, ihr Fell wird, mit Schurwolle vermischt, zu weichen Pullovern.

In Töpfe aus Opossum-Haut werden junge Rata-Bäumchen gepflanzt, eine Baumart, die besonders unter dem Kahlfraß der Possums zu leiden hat.

Foto: Scherl

Text: Max Scharnigg

Tom Jones

Quelle: SZ

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Mitten in ... Ostende:

Fußgängerzone, Adolf-Buylstraat, ein Plattenladen. Auf dem Wühltisch gibt's das Stück für 7,50 Euro. Tom Jones, den wollte ich immer schon mal haben, und hier: alle großen Stücke auf einer CD.

Wird gleich zu Beginn der Fahrt eingelegt. Green Green Gras of Home und Spanish Eyes hat er bereits zu Ende geknödelt, nun fängt er mit Yesterday an. Die erste Zeile ist noch nicht vorbei, da sagt der Sohn auf der Rückbank: "Es gibt auch noch ein anderes Yesterday." Irgendwie erstaunlich, dass ein Zehnjähriger das überhaupt noch kennt.

Die Lösung: "Das hat Fady Maalouf im Halbfinale gesungen."Jones macht weiter, ... I'm not half the man I used to be, da steht das Urteil der Jugend von morgen fest über den Mann, der nächste Woche 68 wird, auf dem Cover das Hemd aber sperrangelweit offen hat: "Fady war besser." Foto: ddp

Text: Detlef Esslinger

Mitten in ... Steinbrünning, Heddergott

Quelle: SZ

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Mitten in ... Steinbrünning

Wehrhaft wären die Steinbrünninger im Ernstfall allemal. Sie zählen zu den treffsichersten Luftgewehrschützen im Berchtesgadener Land, und mit 110 Mitgliedern gibt ihr Schützenverein auch zahlenmäßig eine ziemlich stattliche Truppe ab.

Abgesehen davon trägt er einen Namen, der die poetischsten Auswüchse von Rilke-Botanik in den Schatten stellt: Weiherlilie Steinbrünning. Große Sorge bereitet er den Steinbrünningern dennoch.

Sepp Prechtl, 36, will nicht mehr Schützenmeister sein. Aus beruflichen Gründen - sein Arbeitgeber, die Eisenbahn, hat ihn unlängst nach München befördert, den Chefposten bei der Weiherlilie könne er daher nicht mehr adäquat ausfüllen, sagt er.

Aber ach, es findet sich kein Nachfolger, die Jahreshauptversammlung musste mangels Aspiranten abgebrochen werden. Dabei steht der Ruf und im Ernstfall das Wohl des Dorfes auf dem Spiel.

Foto: Heddergott (Rudolf Neumaier/SZ vom 17./18.5.2008)

Mitten in ... Havanna, iStock

Quelle: SZ

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Mitten in ... Havanna

Havanna ist immer noch kurios, aber es hat eine eigenwillige Attraktion verloren: Die Kamele sind weg!

Die Camellos, so heißt das auf Spanisch, waren rosafarbene und braune Sattelschlepper, die jahrelang Menschenmassen durch die kubanische Hauptstadt beförderten. Sie kamen als Notlösung im Zuge der sogenannten Spezialperiode nach dem Zusammenbruch des Hauptsponsors Sowjetunion und verdanken ihren Kosenamen höckerartiger Erhöhungen.

Für Benutzer wurden die quietschenden, überhitzten und sagenhaft unbequemen Ungetüme zum Symbol von Mangelwirtschaft und Transportkrise in Castroland.

Touristen machten Fotos und kauften Postkarten mit ihren Bildern drauf. Jetzt sind die Camellos aus Havanna verschwunden, vertrieben von vor allem chinesischen Bussen mit Benzin aus Venezuela. Die Kamele zogen weiter - nach Osten, in Kubas Provinz.

Foto: iStock (Peter Burghardt/SZ vom 17./18.5.2008)

Mitten in ... Amsterdam, dpa

Quelle: SZ

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Mitten in ... Amsterdam

Den Luftraum über Amsterdam müssen sich Vögel und Flugzeuge teilen. So wurden im vergangenen Jahr allein über dem internationalen Flughafen Schiphol fast 450 000 Flugbewegungen registriert und die offizielle Zahl von "gefährlichen Situationen", wie die Luftverkehrsleitung in ihrem Jahresbericht mitteilte, hat sich auf 737 Vorfälle verdoppelt.

Auch die wilden Graugänse, die sich zu Tausenden rund um den Flughafen niedergelassen haben, tragen zur Unsicherheit bei. Nun sollen die Gänse, die sich in immer größerer Anzahl in einem Zirkel von zehn Kilometern rund um Schiphol aufhalten, gefangen und in den Ofen geschoben werden.

Nach Meinung von Gourmets überzeugen "Schipholgänse" durch ihren besonders "exquisiten Geschmack", und Restaurants wollen sie als Leckerbissen auf die Karte setzen. Das Geheimnis ihres sehr feinen Fleisches liegt wohl in den mit Kerosin belasteten Gräsern.

Foto: dpa (Siggi Weidemann/SZ vom 17./18.5.2008)

Mitten in ... Washington, AFP

Quelle: SZ

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Mitten in ... Washington

Neulich war White House Correspondents' Dinner, richtig mit rotem Teppich und Blitzlichtgewitter. Es ist so ungefähr das wichtigste Ereignis im Washingtoner politischen Jahr. Was auch daran liegt, dass sich der bald scheidende Präsident in Szene setzen kann: als Dirigent der Marine-Band und auf der Bühne im Ballsaal des Hilton-Hotels (3000 Leute!).

Bush reißt Witzchen über sich und seinen Vize. Das freut die Journalisten, weil sie es nicht selbst tun müssen.

Zum Ereignis wird das Drei-Gänge-Dinner (Salat, Lachs, Weiße-Schokoladen-Mousse), weil Washington endlich mal echte Promis sieht: Ben Affleck (hochseriös), Miss America Kristen Haglund (groß und naturblond), Donatella Versace (übermenschlich blond) und Pamela Anderson (blond, aber klein von natürlichem Wuchs). Klar, da ist der Präsident nicht mehr ganz so wichtig.

(Reymer Klüver/SZ vom 3./4.5.2008)

Foto: AFP

Mitten in ... Luxor, AFP

Quelle: SZ

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Mitten in ... Luxor

Wer in diesen Tagen in Luxor am Nil unterwegs ist, sollte früh aufstehen - oder nach Sonnenuntergang die Kultstätten der renommiersüchtigen Pharaonen besichtigen.

Besonders effektvoll ist die Tempelanlage von Karnak, wenn die von der Hitze des Tages ermatteten Besucher zwischen beleuchteten Säulen und Alabasterstatuen in Trance versetzt werden: Schauspieler erzählen tief bewegt vom Hauptgott der Sonnenanbeter, Amun-Re, und vom unsterblichen Herrscher Ramses II., dessen Zeugungskraft legendär war.

Fast ist man geneigt, an die altägyptischen Gottheiten zu glauben, als die Stimme vom Band jäh übertönt wird: Aus allen Richtungen schallt der Ruf des Muezzin herüber, als müsse er an diesem Freitag die ungläubigen Tempeltouristen bekehren. Heiliger Amun! Die Gegenwart ist doch stärker als der Stein der Geschichte.

(Christian Mayer/SZ vom 3./4.5.2008)

Foto: AFP

Mitten in ... London, Reuters

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Mitten in ...London

Pete Doherty ist überall. Auf den Straßen, in der U-Bahn, in den Plattenläden Londons: Klone im abgerissenen Chic des dauerbenebelten Rockers, wohin man schaut.

Besonders beliebt ist der Doherty-Deckel, jenes Hütchen, das man in Deutschland einst mit älteren Limousinenfahrern assoziierte, die auch gestrickte Klorollenmützen gut fanden.

Im East End sind sie die Krönung der Coolness. Junge Hipster kombinieren die Kopfbedeckung mit engen Strumpfhosen-Jeans und Shirts mit psychedelischen Pilz-Motiven. Derart individuell uniformiert stehen sie cliquenweise vor den Pubs und trinken Bier.

Plötzlich großes Gelächter. Es gehen zwei Jungs vorbei, die zwar auch Hüte tragen, aber nicht aus Stoff, sondern Stroh - wie albern! Die Verspotteten bleiben locker, stecken sich Zigaretten in die Mundwinkel. Selbst diese gelassene Pose ist abgeschaut. Danke, Pete!

(Jochen Temsch/SZ vom 3./4.5.2008)

Foto: Reuters

Mitten in ... Zermatt, oh

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Mitten in ... Zermatt

Das Matterhorn können sich die Zermatter wohl bald vergolden lassen. Der unfassbar schöne Berg raubt den Touristen dermaßen die Sinne, dass sie zu allem bereit sind - zum Beispiel zum hemmungslosen Verprassen von Geld. Und das geht gut in Zermatt.

In den Schaufenstern der Juweliere liegen Uhren, die so teuer sind wie Mittelklasseautos. Ein Sportladen bietet diamantenbesetzte Skier für 64.000 Franken an. Ein Bier in der Aprés-Ski-Bar: neun Franken. Eine zum schönen Wetter passende Sonnenbrille: 350 Franken.

Wer nicht aufpasst, gerät in einen Höhen-Kaufrausch. Warum also nicht durch einen dieser schicken Schuhläden in der Bahnhofstraße schlendern? Kostet ja nichts. Oder doch? "Die Schuhe sind zum Kaufen da, nicht zum Anschauen!" knurrt der Inhaber. Dann lieber raus hier. Draußen ist wenigstens noch das Glotzen gratis.

(Titus Arnu/SZ vom 3./4.5.2008)

Foto: oh

Pansol

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Mitten in ... Pansol:

Es ist ja jetzt Sommer auf den Philippinen, heiß und feucht. In Pansol, einer kleinen Stadt im grünen, vulkanischen und hügeligen Süden Manilas, stehen am Straßenrand viele junge Männer mit schwarzen Schildern. Auf denen leuchtet in fluoreszierend gelber Farbe: "Rent a pool", "Miete ein Schwimmbad".

Villenbesitzer vermieten hier ihre privaten Pools an Hitzeleidende: für stattliche 5000 Pesos im Tag, 75 Euro. Manchmal sitzen dann die Besitzer oben in der Wohnung, während unten Fremde planschen.

Die jungen Männer am Straßenrand erhalten zehn Prozent Kommission für jeden angeworbenen Kunden. Und so werfen sie sich vor die vorbeifahrenden Autos, flehen um Gunst. Ich habe mir eine der Villen angeschaut, über Mittag, die Hitze macht ja duselig. Der Pool war groß, glitzerte in der Sonne. Und war leer.

Foto: dpa/Text: Oliver Meiler

Kopenhagen

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Mitten in ... Kopenhagen:

Seit mehr als 100 Jahren züchtet man im Kopenhagener Rathaus Tauben - etwa 300 wohnen dort in einem Turm. Niemand störte sich bislang daran, obwohl die Vögel jährlich gut 13.000 Euro kosten.

Aber wegen neuer Arbeitsschutzrichtlinien ist eine Modernisierung des Taubenschlags nötig und die war dem Stadtrat zu teuer. Da beschloss der Stadtrat, die Untermieter einfach rauszuwerfen.

Kulturbürgermeisterin Pia Allerslev zögert jedoch mit der Räumung. Einem Gerücht zufolge hat nämlich Architekt Martin Nyrop, der das Rathaus Ende des 19. Jahrhunderts entwarf, den Tauben schriftlich für alle Zeit Bleiberecht zugesichert.

Allerslevs Beamte suchen nun fieberhaft nach diesem Dokument. Sollte es verschollen bleiben, müssen die Rassetauben wohl künftig vor dem Rathaus weitergurren. So wie Tausende ihrer Artgenossen.

Foto: AP, Text: Gunnar Herrmann

Supermarkt Berlin

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Mitten in ... Berlin:

Das letzte Abenteuer der Großstadt lauert an der Kasse eines Supermarktes im Prenzlauer Berg. Spätabends sitzen dort seit kurzem nicht mehr erfahrene Verkäuferinnen in weißen Kitteln, sondern junge Zeitarbeiter in roten Pullis.

Wahrscheinlich will der Laden Lohnkosten sparen. Soll man das jetzt gutheißen?

Die erste Zeitarbeiterin jedenfalls gab einen Euro zu wenig raus, es war ihr sehr peinlich. Beim Zweiten begann einen Tag später die Kasse plötzlich zu piepsen und hörte nicht mehr auf. Die Dritte rechnete flugs ab, paradiesisch schnell, ehe sie fragte: "Das war doch Staudensellerie, oder?"

Da musste man ihr widersprechen. Das Gewächs auf dem Warenband, rot wie die Pullis der Zeitarbeitsfirma, trug einen viel schöneren Namen: Rhabarber.

Kassierer zu sein, das ist eben eine ziemliche Herausforderung. Rhabarber hin, Sellerie her.

Foto: AP/Text: Marc Widmann

Stockholm

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Mitten in ... Stockholm:

17 Monate ist Johanna alt und schon für den Ernstfall gewappnet. Ihre Ausrüstung schickte die Steuerbehörde in einem flachen Paket.

Der Inhalt: Erkennungsmarke samt Kettchen. So eine, wie sie Filmsoldaten immer lässig vom Hals baumelt. Eingestanzt - in zweifacher Ausführung - sind der Name meiner Tochter, Personennummer vom Meldeamt und Blutgruppe.

In der Mitte ist das Abzeichen perforiert, damit man es im Todesfall durchbrechen und eine Hälfte zu den Akten legen kann. Wir waren besorgt. Aber die Steuerbehörde versichert, dass alles seine Ordnung hat.

Jedes Baby in Schweden bekommt eine Blechmarke. Die soll man gut aufheben und dem Kind zum Beispiel bei einer Katastrophe umhängen. Auch praktisch: Will Johanna später einmal in die schwedische Armee eintreten, kann sie die Marke dort weiterbenutzen.

Das Stück hat nun im Familienalbum einen Ehrenplatz.

(Foto: istock, Text: Gunnar Herrmann)

Manaus

Quelle: SZ

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Mitten in ... Manaus:

Es wird nicht allgemein bekannt sein, dass das Taj Mahal einen ausgezeichneten Blick auf das kurioseste Opernhaus der Welt bietet. Es heißt Teatro Amazonas und steht mitten in der brasilianischen Stadt Manaus, also mitten im Amazonasgebiet. Die grandiose Bühne mit Marmor, Samt, Edelholz, Kuppeldach entstand während des Kautschukbooms vor 110 Jahren, Manaus war damals sagenhaft reich.

Unterdessen ging es etwas bergab, aber das Teatro Amazonas sieht nach seiner Renovierung wieder prächtig aus. Es zog Caruso in seinen Bann, Pavarotti, Klaus Kinski alias Fitzcarraldo, zuletzt Christoph Schlingensief.

Gegenüber liegt das Hotel Taj Mahal, dessen indischer Eigner sich trotz stets fallender Qualität fünf Sterne genehmigt. Gäste können von manchen Suiten Fluss und Theater bewundern. Falls sie nicht gerade im Aufzug steckenbleiben oder die Zimmertür klemmt.

(Foto: AP, Text: Peter Burghardt)

Stuttgart

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Mitten in ... Stuttgart:

Der Zwiebelrostbraten ist im Schwäbischen lange ein Sonntagsessen gewesen. Weil es den Schwaben mit der Zeit aber immer besser ging, gibt es ihn nun jeden Tag.

Zwiebelrostbraten ist hier ein Konsens-Essen, Meinungsverschiedenheiten gibt es höchstens darüber, ob er mit oder ohne Soße verzehrt werden sollte. Auch die Einführung der dänischen Fertigröstzwiebel konnte ihm nichts anhaben.

Nun aber ist der Zwiebelrostbraten in Gefahr. Überall auf der Welt sind die Menschen wegen steigernder Nahrungsmittelpreise in Sorge, in Afrika und Asien gab es Unruhen. Und auch in Schwaben macht sich Unruhe breit. Die argentinischen Rinderfarmer streiken, der Nachschub an Roastbeef wird knapp und teuer.

Noch bewahren die Schwaben Ruhe, aber für Anfang Juni haben die ersten Gastwirte angekündigt, den Preis für den Zwiebelrostbraten anzuheben. Und dann kann man für nichts mehr garantieren.

(Foto: dpa, Text: Bernd Dörries)

Mitten in ... Oslo, oh

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Mitten in ... Oslo

Oslo ist stolz auf seine neue Oper. Wie Eisschollen ragen die strahlend weißen Baumassen aus dem Hafenbecken. Kosten: 500 Millionen Euro. Ein Klacks für ein Land, das Dank des hohen Ölpreises derzeit vor allem durch seinen märchenhaften Reichtum von sich reden macht.

Königin Sonja schreitet gravitätisch durch das Foyer. Geblendet vom edlen Carrara-Marmor betrachtet die Monarchin die Innenarchitektur. Was wie ein spontaner Besuch aussehen soll, ist eine vom Hofstab minutiös geplante Besichtigung. Um 14.53 Uhr trifft Königin Sonja auf den Künstler Olafur Eliasson, der ihr seinen Beitrag zu Norwegens neuem Wahrzeichen erläutert.

Die Königin lauscht und nickt, lächelt und nickt wieder. Sagen will sie nichts. Vielleicht, weil sie weiß, dass es sich bei dem Exponat um die Außenwand der Herrentoilette handelt.

(Elmar Jung/SZ vom 12./13.4.2008)

Simulation: oh

Mitten in ... München, dpa

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Mitten in ... München

Am Hauptbahnhof. Nach einem erlebnisreichen Ausflug verlassen die Kindergärtnerinnen H. und K. mit 40 Heranwachsenden den Zug. Kind 1: "Ich muss mal." Kind 2: "Ich auch." Dann müssen alle.

Dumm, dass die angeblich öffentliche Toilette Eintritt verlangt. Die Damen an der WC-Rezeption wollen 1,10Euro. Pro Kind. "Ja, glauben Sie, ich bezahle Ihnen jetzt 44 Euro fürs Bieseln?", schimpft Frau K. zu Recht. Sie wirft 1,10 Euro ein, passiert das Drehkreuz und lässt sich von ihrer Kollegin H. alle Kinder über das Absperrgitter reichen.

Das passt den Rezeptionistinnen nicht. Ein Handgemenge folgt, aus dem K. und H. glücklicherweise siegreich hervorgehen. Zurück auf der Straße kann man beobachten, wie sich ein Dackel auf dem Bürgersteig entleert. Das Häufchen bleibt liegen. Der Hund wird geherzt. Alles ganz normal.

(Martin Zips/SZ vom 12./13.4.2008)

Foto: dpa

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Berlin

Ein Berliner Philharmoniker hat vermutlich selten Gelegenheit, ein Trinkgeld zu bekommen. Aber bei den Lunchkonzerten des Orchesters im Foyer der Philharmonie, dienstags um 13 Uhr, freier Eintritt, kann das schon mal passieren.

Gut 2000 Menschen stehen diesmal auf den Treppen, in den Gängen und hören das erste Konzert des eben gegründeten "Ensemble Bolero Berlin": Philharmoniker, die mit so viel Feuer und Zartheit Tango und Bossa Nova spielen, dass man die Beine nur mit Mühe zur Ruhe zwingen kann.

Eine Dame ist am Ende so begeistert, dass sie sich zum Klarinettisten vorwagt. "Ick hab' hierfür ja nüscht bezahlt", sagt sie, "und det war so schön, da möcht' ich mich erkenntlich zeigen." Sie steckt Manfred Preis ein Scheinchen in die Hemdtasche, und als der abwehrt, sagt sie: "Jetzt geh'n Se mit ihren Kollegen mal 'n richt'jen Kaffee trinken."

(Renate Meinhof/SZ vom 12./13.4.2008)

Foto: Mademann

Beim Zahnarzt

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Mitten in ... Tel Aviv:

Wir sitzen in unserem Lieblingsrestaurant in Tel Aviv, wo mit Bio-Gemüse und ohne Fleisch gekocht wird. Eine Freundin erzählt, wie beschwerlich das Leben wird mit einem Bauch im neunten Schwangerschaftsmonat. Sie esse für drei und stochert in den Gerichten der anderen herum.

Mein Tofu-Curry schmeckt ihr besonders gut, sie bedient sich noch einmal. Plötzlich schreit sie auf. Ein Stück Zahn liegt auf ihrer Gabel.

Empört rufen wir den Kellner, der den Geschäftsführer ruft. Allen ist der Zahn unendlich peinlich. Wir ekeln uns und verlassen das Lokal.

Draußen schreit die Freundin erneut auf. Der Zahn in meinem Curry war ihre Krone. Sie ruft ihre Zahnärztin an und macht einen Termin aus, sie soll gleich vorbeikommen, und zwar mit der verloren gegangenen Krone. Gesenkten Hauptes geht sie zurück in das Lokal.

(Foto: ddp, Text: Thorsten Schmitz)

Mayrhofen

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Mitten in ... Mayrhofen:

Es schneit zwar noch, trotzdem ist die Skisaison so gut wie vorbei. Gottseidank, denn viele dürfen sich nun endlich wieder ganz der Arbeit widmen.

Was war das für ein Stress kürzlich in Mayrhofen, Tirol. Was spielen sich da morgens für Mini-Manager-Dramolette ab in der Gondel auf den Penken, den Hausberg Mayrhofens.

Ein junges Paar. Sie, blaue Skijacke, wühlt nach dem Blackberry. Er: "Checkst du etwa wieder Emails?" Sie: "Diesmal ist es privat, ehrlich!"

Ein älteres Paar. Er, gelbe Skijacke, hängt für zehn Minuten am Handy. Sie: "Gott, was war denn nun wieder in der Firma?" Er: "Nix Wichtiges."

Wer in der Gondel nicht fertig wird, kann entspannt oben weiterarbeiten. Touristikexperten haben dafür jetzt eine W-Lan-Station für skifahrende Workaholics auf dem Berg eingerichtet. Slogan: "Frisches Denken am Penken." Mayrhofen wünscht schöne Ferien.

(Foto: oh, Text: Marten Rolff)

Skateboarder in Barcelona

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Mitten in ... Barcelona:

Die dumpfen Schläge und quietschenden Reifen sind schon in den engen Gassen von Barcelonas Altstadtviertel El Raval zu hören. Fußgänger schlängeln sich in dem ehemals verrufensten Teil der Stadt an alten Kolonialwarenläden und verrauchten Tapas-Bars vorbei, bis sie auf dem großen Plaça Àngels landen.

Gelandet ist hier 1995 auch das Museum für zeitgenössische Kunst von Stararchitekt Richard Meier. Mit seiner blendend weißen Fassade und den geschwungenen Kurven wirkt es immer noch wie die Edelversion eines Fremdkörpers - und entpuppt sich als Mekka sämtlicher Skateboardfahrer dieser Stadt.

Der weitläufige Vorplatz und die unterschiedlichen Treppenstufen bieten beste Bedingungen für die Jungs mit den weiten Hosen und schmalen Brettchen, die bis abends freudig über den Asphalt purzeln.

(Foto: AFP, Text: Laura Weißmüller)

Longyearbyen

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Mitten in ... Longyearbyen:

In der Lobby des Polarhotels auf Spitzbergen steht ein Computer. Ein Mann steuert darauf zu, er greift nach der Maus. Es knistert laut. Der Mann zieht mit einem Aufschrei seine Hand zurück. Ein elektrischer Schlag. Der wievielte heute? Hier zucken die Menschen ständig zusammen.

Denn auf Spitzbergen im nördlichen Nordatlantik ist es üblich, sofort nach dem Betreten der Häuser die Schuhe auszuziehen. Weil Spitzbergen eine lange Bergarbeitergeschichte hat, entstand wegen der schmutzigen Schuhe diese Tradition. Also schlappen hier alle auf Socken herum, sogar in manchen Bars.

Und weil die synthetische Funktionssocke so weit verbreitet ist, sind alle ständig elektrisch aufgeladen. Es knistert und knallt, sobald man jemand anderen oder einen Gegenstand auch nur sanft berührt. Wenn es dunkel ist, sieht man Funken fliegen. Das ist also das Nordlicht.

(Foto: Getty Images, Text: Birgit Lutz-Temsch)

Berg-Karabach

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Mitten in ... Berg-Karabach:

Der Schiguli hat schon bessere Tage gesehen, und die Straßen in Berg-Karabach sind steil. Nach einer halben Stunde gibt die Kupplung krächzende Geräusche von sich. Der Fahrer schwört, das Auto sei gestern bestens in Schuss gewesen.

Oben brodelt der Motor leise, was gut zu hören ist, denn das armenische Kloster Gandzasar ist ein verwunschener, stiller Flecken vor gezackten Gipfeln.

Auf dem Rückweg kündigt der Fahrer an, er werde nur noch im vierten Gang fahren, um die Kupplung zu schonen; bergab schaltet er den Motor ganz aus. Die Straße habe ein Exil-Armenier spendiert, plaudert er, ebenso wie die Dorfschule.

Der Gegenentwurf zum Kloster ist nach der letzten Biegung wegen des Qualms der Bremsen kaum zu erkennen: Neben einem künstlichen Wasserfall ragt spitznasig wie ein Schwertfisch, Hunderte Kilometer von der nächsten Küste entfernt, der Stolz der Region auf: das Restaurant "Titanic". (Foto: , Text: Sonja Zekri)

Persepolis

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Mitten in ... Persepolis

Iraner sind die Gallier des Nahen Ostens: Zu Raufereien mit einer Weltmacht aufgelegt, unbeugsam, stolz - und sehr kontaktfreudig. Als Tourist wird man dauernd angelächelt und muss dann sagen, woher man kommt.

Wenn einem dann "Alman" über die Lippen rutscht, wird das Grinsen noch breiter. In der Regel wird dann gemurmelt: "Wir sind doch auch Arier." Als aufgeklärter Mensch ist man in solchen Momenten verstört. Aber deutschen Soldaten in Afghanistan oder Reisenden in Indien geht es auch nicht anders.

Ein typischer Dialog, kürzlich in Persepolis, vor 2500 Jahren Hauptstadt des Perserreiches, heute Ausflugsziel und Weltkulturerbe: "Das ist hier wie die USA!", sagt ein Mann. Verwunderung beim Besucher. In gebrochenem Englisch redet der Bürger der Islamischen Republik weiter: "Ja, das war hier einst die Zentrale des persischen Weltreiches, wie Washington. Und nun stehen hier nur noch Ruinen."

(Foto: dpa, Text: Lars Langenau)

Vang Vieng

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Mitten in ... Vang Vieng:

Der Typ ähnelt dem jungen Bob Dylan. Das ist nichts Besonderes in Vang Vieng, denn Vang Vieng ist einer der Lieblingsorte für Globetrotter in Laos. Wer am Vietnamkrieg teilgenommen hat, wird sich erinnern: Vang Vieng liegt nördlich von Vientiane, der Hauptstadt, und südlich von Luang Prabang, der einstigen Königsstadt. Bob Dylan jr. ist schon seit zwei Wochen hier, er weiß, worauf man achten muss.

Er zeigt auf die letzte Seite der Speisekarte. In dem kleinen Lokal nicht weit von Nazims Restaurant stehen dort Gerichte mit dem Zusatz "Happy". Pizza Napolitana happy. Das bedeutet nicht Mozzarella, sagt er, sondern Marihuana. Kürzlich habe einer einen Kreislaufkollaps erlitten, weil er das nicht wusste. Wir bestellen Chicken-Curry, "not so spicy".

Als der erste Bissen im Hals explodiert, der Schweiß ausbricht und die Augen hervorquellen, verfluchen wir diesen Typen. Man wird glücklicher, wenn man nicht alles weiß.

(Achim Zons, SZ vom 15./16.3.2008)

Foto: oh

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Quito:

Die Karwoche wird in Quito, dieser katholisch geprägten Stadt mit ihren unzähligen Kirchen und Klöstern aus der Kolonialzeit, stets besonders andächtig zelebriert: Von Palmsonntag an ziehen Prozessionen durch die Stadt; am Höhepunkt Karfreitag ziehen sich die Gläubigen spitze Kapuzen über die Köpfe oder schleppen Holzkreuze.

In diesem Jahr wird das Gebet besonders inbrünstig ausfallen: Mach bitte endlich dem Regen ein Ende!, wird es vieltausendfach gen Himmel schallen.

Denn der Regen, der seit Wochen über Ecuador herniederrauscht, hat Flüsse übertreten lassen, ganze Regionen unter Wasser gesetzt und tödliche Erdrutsche verursacht. Nicht nur in Quito fragen sich die Menschen, ob gerade eine neue Sintflut begonnen hat. Da hilft nur Beten.

(Antje Weber, SZ vom 15./16.3.2008)

Foto: oh

Koffer

Quelle: SZ

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Mitten in ... Singapur:

Es gibt Weltwunder der Moderne, die lassen einen andächtig staunen. Zum Beispiel dieses alltägliche Mirakel hier vom Kofferband am Singapurer Flughafen, dem Changi Airport, im großen Terminal 2. Ich bin schon gelaufen, ja gerannt, vom Gate über die Passkontrolle bis hin zur Kofferausgabe, um endlich, endlich einmal dieses Wunder zu entzaubern. Vergeblich!

Denn stets lag mein Koffer schon auf der Endlosschleife. Nun fragt das Magazin Time Out, ähnlich verzaubert wie ich: "Verdammt, wie machen die das nur?" Das Magazin liefert eine beeindruckende Zahl: Ein Koffer braucht hier nur zwölf Minuten! Spätestens zwölf Minuten nachdem die Maschine angedockt hat, muss der erste Koffer aufs Band rollen. Das ist die Vorgabe der Flughafenbehörde. Egal, wie weit das Gate entfernt ist.

Zwölf Minuten. Unglaublich. Wie die Arbeiter das nur hinkriegen...? Es bleibt ihr Geheimnis. Und das ist gut so bei Wundern.

(Oliver Meiler, SZ vom 15./16.3.2008)

Foto: AP

Mitten in ... Magerøya, iStock

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Mitten in ... Magerøya

Der deutsche Tourist ist und bleibt ein großes Rätsel. Im Bus fährt er über die verschneiten Straßen der norwegischen Insel Magerøya. Nur noch zehn Kilometer zum Nordkap und schlappe 2000 Kilometer zum Nordpol. Was für eine sensationelle Landschaft! Was für ein herrlicher Sonnenschein!

Doch statt aus dem Fenster zu blicken, kriecht der deutsche Tourist seinem Busnachbarn ins Ohr. Erzählt, wie er mal im Amazonas war, 1978. Muss toll gewesen sein. Und auch St. Petersburg, Melbourne, Peking, Buenos Aires. Dieser Mann kennt die Welt.

Nur in Avignon, da sind die doch echt unverschämt. Kein Knoblauch, hat er gesagt. Und wonach schmeckte das Lamm? Mannomannomannomann. Das Nordkap macht er jetzt schon zum fünften Mal. Wahrscheinlich hat er schon die ersten vier Mal einfach nicht aus dem Fenster geguckt.

(Martin Zips/SZ vom 8./9.3.2008)

Foto: iStock

Mitten in ... Regensburg, dpa

Quelle: SZ

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Mitten in ... Regensburg

Der Raucher, wenn er Zug gefahren ist, geht aus dem - in diesem Fall Regensburger - Bahnhof und steckt sich eine Zigarette an. Das Recht zu paffen scheinen Aschenbecher direkt am Portal zu geben. Sofort jedoch wird er von zwei Wachmännern belehrt: Die Aschenbecher seien nur für jene da, die den Bahnhof betreten; der Rauchverbotsbereich ende an der Straße.

Der Raucher beobachtet nun, dass ein älterer Herr sich den Anordnungen widersetzt, woraufhin die Polizei gerufen wird zur Feststellung der Personalien. Später im Gasthof Prößl in Hainsacker muss der Raucher zum Rauchen ins "Raucherhaisl" auf der Terrasse.

In der Toilette ein Schild: "Rauchen auf der Toilette verboten". Darunter hat einer geschrieben: "Mir lassen uns nicht derwischen." Der Raucher denkt: Vielleicht hat die CSU zuletzt ja doch zu Recht verloren - deswegen.

(Stephan Handel/SZ vom 8./9.3.2008)

Foto: dpa

Mitten in ... Barcelona, iStock

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Mitten in ... Barcelona

Am Hafen von Barcelona, Kolumbussäule, beim Abbiegen zur Rambla (das ist die berühmte Fußgängerzone) wird's kritisch: Darf man reinfahren trotz Verbot, als Hotelgast? Vertraute Stimme der Navigatorin: "Jetzt rechts einbiegen!" Ein Taxi und ein Polizeiauto zuckeln hinterher. Zwischen Fußgängermassen aus aller Welt. Vorsicht, bis kurz vor dem Rambla-Ende der GPS-Navigator fordert. "Jetzt scharf rechts abbiegen!"

Aber: Die enge Gasse zum einprogrammierten, ersehnten Hotel blockiert durch Eisenpoller. Rückwärtsgang. Warnsignal piept: Fußgänger! Vorbei an der Plaza Catalunya zu breiteren Straßen ins Gotische Viertel, wieder enge Gassen, wieder Eisenpoller, die enorm nerven. Einheimische mit Sesam-öffne-dich-Karten senken Poller.

Absolut fußgänger- und touristenfreundlich ist Barcelona-Mitte labyrinthisch verpollert.

(Friedrich Kassebeer/SZ vom 8./9.3.2008)

Foto: iStock

Mitten in ... Stockholm, AFP

Quelle: SZ

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Mitten in ... Stockholm

Mein Nachbar ist Postbote. Manchmal beneide ich ihn: Kommt früher heim als ich. Ist immer an der frischen Luft. Muss nicht nach der Arbeit zum Sport hetzen, weil er bei der Arbeit Rad fahren darf. Und Stress? Wo denn? Was denn?

Eine Erhebung der Stockholmer Gesundheitsbehörde ergab aber nun: 49 Prozent der männlichen und 54 Prozent der weiblichen Briefträger fühlen sich gestresst - sie liegen damit an der Spitze der sich gestresst fühlenden Berufe! Weit vor Managern.

Sie beklagen zu große Bezirke, zu wenig Geld, zu geringe Anerkennung, zu schwere Pakete. Die Erhebung bezog sich nicht nur auf Stress. Gefragt wurde auch: Welche Berufsgruppe erleidet am häufigsten Hörschäden, welche die meisten Handekzeme?

Journalisten tauchten nur in einer Statistik weit vorne auf: Als es um "herabgesetztes psychisches Wohlbefinden" ging.

(Gerhard Fischer/SZ vom 8./9.3.2008)

Foto: AFP

Mitten in ... Absurdistan

Quelle: SZ

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Mitten in ... Stockholm

Schwedens Wirtschaftsministerin Maud Olofsson und ihre Leibwächter sind im wilden Norden Skandinaviens Zeugen eines blutigen Unfalls geworden. Ein Mann war bei Umeå, nahe des Polarkreises, mit dem Auto in eine Rentierherde gerast und hatte mehrere Tiere verletzt. Die Minister-Limousine stoppte, Olofssons Wächter - ein Beamter des schwedischen Geheimdienstes - zückte seine Dienstwaffe zum Gnadenschuss. Wie der Unfallfahrer später der Zeitung Västerbotten Kurier berichtete, verfehlte der Personenschützer aber sein am Boden liegendes Ziel, ein zweiter Schuss verletzte das Ren nur noch schwerer.

"Dann fuhren die einfach weiter", berichtete der Mann empört. "Zum Glück kam ein Bekannter vorbei, der hatte eine Axt im Auto." Schwedens Geheimdienst dementiert die Geschichte: Der Beamte habe das Ren sehr wohl getötet, mit dem zweiten Schuss also.

(Gunnar Herrmann / SZ vom 1./2. März 2008)

Foto: ddp

Mitten in ... Absurdistan

Quelle: SZ

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Mitten in ... Peking

Es klingelt und vier Uniformierte stehen vor der Tür. Drei Männer, eine Frau. "Wohnen Sie hier?" Sie seien von der Einwanderungsbehörde und wollten Ausweis und Visum sehen, sagen sie. In China stellt man besser keine Gegenfrage, wenn der "große Bruder" klopft. Nachdem sie die Papiere überprüft haben, geht das Verhör weiter.

Ob ich alleine hier wohne? Ob ich mich bei der Polizei gemeldet habe? Wo die Registrierung sei? Mein Name wird auf einer Liste abgehakt. In ganz Peking sind in diesen Wochen Polizisten und uniformierte Beamte in solchen Kommandos unterwegs. Sie durchkämmen jeden Wohnblock der Stadt, klopfen an jede Tür. "Gemeinsam für sichere Olympische Spiele" lautet das offizielle Motto dafür. Der Polizeistaat China läuft sich für die Spiele warm. Gäbe es eine Goldmedaille im Überwachen, sie ginge an China.

(Henrik Bork / SZ vom 1./2. März 2008)

Foto: AFP

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