Mitten in Absurdistan:Mit spitzen Ellenbogen im Flieger

Ehrliche Flugkapitäne, wütende Kinder und Steine aus Styropor: SZ-Autoren berichten Kurioses aus aller Welt.

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Mitten in ... Dalaman Sonniges Drehkreuz der türkischen Ägäis, Einflugschneise der Touristenbomber: Dalaman. Soeben ist die Maschine einer deutschen Billig-Airline gelandet. Jetzt steht und rollt sie abwechselnd in Richtung finaler Parkposition. Die Gäste an Bord werden ungeduldig, der Flugbegleiter muss seine obligatorische Ansage machen: "Bitte bleiben Sie noch so lange mit uns angeschnallt sitzen, bis die Motoren zum Stillstand gekommen sind." Nach einem theatralischen Räusperer fährt er fort: "Dann dürfen Sie auch gleich aufspringen, Ihre Ellenbogen ausfahren, drängeln und schubsen - wie Sie das gewohnt sind!" Gelächter im Flugzeug. Die Passagiere nicken zustimmend und freuen sich, so ironisch den Spiegel vorgehalten zu bekommen. Dann parkt die Maschine. Die Leute springen auf, fahren die Ellenbogen aus, drängeln und schubsen. Jochen Temsch, SZ vom 10./11.10.2009 Foto: iStock

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Mitten in ... Berlin Wen interessieren ein paar Kinder, die über Wochen vier große Mauersteine aus Styropor bemalt haben? Niemanden. Jedenfalls niemanden von der Presse. Am 9. November sollen bei einem Fest am Brandenburger Tor 1000 Styropor-Steine umgestoßen werden und an den Fall der Mauer erinnern. Lech Walesa wird den ersten Schubs geben. Schüler aus aller Welt hatten sich beworben, die Steine zu bemalen. An der Löcknitz-Grundschule in Berlin-Schöneberg waren es sieben Mädchen, deren Entwürfe ausgewählt wurden: Es sind die bunten Gedanken von Kindern, die mehr zeigen als alle Reden großer Männer, die an diesem Tag zu erwarten sind. Die Direktorin der Schule war so stolz, dass sie die lokale Presse zum Termin auf den Schulhof gebeten hatte. Die Kinder warteten lange. Als es zu nieseln begann, trugen sie die Steine behutsam ins Trockene. Renate Meinhof, SZ vom 10./11.10.2009 Foto: oh

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Mitten in ... Madrid Manuel Vázquez Montalbán selig rühmte den FC Barcelona, das soziokulturelle Aushängeschild Kataloniens, nicht nur für fußballerische Leistungen. Sondern stets auch dafür, Immigranten integriert zu haben. Dieser Tage, in Madrid, lag der Gedanke an den Schriftsteller nahe. Am Rande eines Fußballplatzes balgten sich zwei Buben, einer blond, der andere pechschwarz und erkennbar aus lateinamerikanischen Migrationszusammenhängen. Worum es ging, ist erstens unbekannt und zweitens unerheblich, Zehnjährige balgen sich eben. Die Älteren gingen nur dazwischen, weil sie ihre Rauferei auf dem Rasen fortsetzen wollten. Befriedet waren die Streithähne hinterher nicht, der Blonde suchte noch das letzte Wort: "Du alter Katalane, du!" Denn mochte der andere auch so schwarz sein wie er wollte: Er trug das Trikot des FC Barcelona. Javier Cáceres, SZ vom 10./11.10.2009 FC Barcelona, Foto: AP

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Mitten in ... München Erstmal runter zur Isar kommen. An der Isar ist der Radweg breit, hier lässt es sich gemütlich fahren, ohne die Angst, vom Seitenspiegel eines Betonmischers enthauptet zu werden. Dann vorbei am Gasteig, gefühlte 20 Prozent Steigung, jetzt weiter durch Haidhausen, schön ist's hier, wirklich schön, und jetzt rasch diese Frau überholt, die da mit 2,5 km/h über den Radweg schleicht, und dann nur noch links weg und - "Rambo, Sie Rambo", schreit die Frau und beschleunigt auf - na, sagen wir, 3,2 km/h - "echt, Rambo, so was!" Die Frau biegt mit ab nach links. "Rambo", ruft sie erneut. Rambo - wie in: John Rambo, Kämpfer, im Kino verkörpert von Sylvester Stallone. Die Frau kreischt: "Rambo!" Schließlich muss sie abreißen lassen, die Rufe verhallen. Was sie wohl gemeint hat? Oberarme? Oder doch Gesicht? Letzteres wäre gemein. Christian Zaschke, SZ vom 26./27.9.2009 Foto: iStock

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Mitten in ... Buenos Aires Maradona ist wieder da. Er landete am Donnerstag auf dem Flughafen vor Buenos Aires und fuhr dann mit seinem Mini zur Zentrale von Argentiniens Fußballnationalmannschaft. Diego Maradona ist deren Trainer, allerdings hat seine Truppe zuletzt ständig verloren und könnte die WM verpassen. Außerdem war Teamchef Diego gerade zur Abmagerungskur nach Südtirol geflüchtet und schien derweil entmachtet worden zu sein. Aber wie so oft in seinem Leben kam alles anders. Abgenommen wurden ihm in Meran außer drei Kilo Körpergewicht auch seine Brillantohrsticker im Wert von 4000 Euro - Steuerfahnder griffen zu, er schuldet Italiens Finanzamt 36 Millionen Euro. Doch nach der Rückkehr trug Maradona Trainingsanzug, es blitzte wieder an den Ohrläppchen, und er sprach: "Der einzige, der hier entscheidet, bin ich." Peter Burghardt, SZ vom 26./27.9.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... Niedersachsen Niedersachsen, genauer geht es leider nicht. Irgendwo im Grenzgebiet zu Thüringen und Hessen soll er sich rumtreiben. Der Elch. Im Wald. Mehrere Augenzeugen wollen ihn gesehen haben, darunter nach Angaben aller hierzulande fürs Elchwesen Zuständigen sogar glaubwürdige. Nein, liebe Kinder, der Elch ist nicht aus dem Möbelhaus weggelaufen, in dem eure Eltern euch jeden Samstag in einen Behälter mit bunten Kugeln werfen. Der Elch kommt aus dem Norden und ist wohl übers Baltikum eingereist. Oder er ist ein verkleideter Hirsch. Vielleicht auch ein erschöpft vom Himmel gefallenes Rentier, das all die Nikoläuse und Lebkuchenherzen zu den Supermärkten transportieren musste, in glühender Septembersonne. In den Siebzigern spazierte übrigens mal ein Elch durch Lübeck. Großes Hallo damals. Bis ihn ein Mann erlegte. Ralf Wiegand, SZ vom 26./27.9.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... Cres In einem Metzgerladen in Cres, dem Hauptort der gleichnamigen kroatischen Insel. Ein Kunde betritt den Laden, mit nichts am Leib außer einer Bermuda und einem goldenen Monstrum von Armbanduhr. "Steaks", sagt er. "Filet?", fragt der Metzger. Klar, Filet. "Wie viele?""15." 15 Filetsteaks! Der Kunde erklärt: "I hob Gäste auf der Yacht." Offensichtlich ein Österreicher. "An Bürgermeister von Wolgograd - Stalingrad, wissens eh." Der Metzger kann seinen Blick nicht von der Armbanduhr wenden. "Die Uhr - was kostet?" "20.000 Euro", sagt der Yachtbesitzer. Der Metzger erstarrt. "20.000! Meine Uhr" - er zeigt seine Armbanduhr, auch ein schönes Stück - "200 Euro!" Die Metzgersfrau ist unbeeindruckt. "Haben Glück, dass nicht in Bosnien", sagt sie, "sonst . . ." und sie lässt die Handkante scharf auf ihren Unterarm sausen. Hans Holzhaider, SZ vom 19./20.9.2009

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Mitten in ... Köln Warten auf die German-Wings-Maschine, Flug 4 U 88 nach München soll Verspätung haben. Zwei Bodenstewardessen und ihr Kollege verziehen sich vom Schalter nach hinten in den Finger zum Flugzeug. Dort fangen sie zu diskutieren an, sehr, sehr laut. "Ey, spinnst du oder was?" - "Ey, volle Kacke, voll bescheuert." - "So eine Schlampe, echt der Hammer." Ein Passagier steht auf, er kann sich nicht mehr auf die Zeitung konzentrieren und ruft in Richtung Finger: "Wir wollen Ihre Privatgespräche nicht hören." Die Drei treten heraus, der Mann vorneweg, Hände in die Hüften gestemmt. "Ist was?", fragt er in die Menge. Der eine Passagier gibt sich ihm zu erkennen und wiederholt: "Wir wollen Ihre Privatgespräche nicht hören." Der Bodensteward: "Da sind Sie aber der einzige." Darauf hundert Passagiere, wie auf ein Kommando: "Nööööö." Detlef Esslinger, SZ vom 19./20.9.2009 Foto: AP

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Mitten in ... London Unter dem Sammelsurium übriggebliebener Münzen vergangener Urlaube liegt eine ordentlich gefaltete 20-Pfund-Note, ungefähr 20 Jahre alt. Reicht für ein Abendessen, wenigstens für ein kleines. Allerdings ist der Schein größer als die neu umgetauschten und keiner will ihn haben. Es will ihn aber auch niemand umtauschen, dabei gibt es in London eine Menge Banken und alle Banker sind unglaublich hilfsbereit und erklären, wo denn die nächste Filiale sei, die den Schein bestimmt annehmen werde. Irgendwann stellt sich heraus: Einen neuen Schein gibt es nur für Besitzer eines englischen Bankkontos. Der Schein wird also in der Schachtel enden. Der letzte Versuch am Flughafen bei der Wechselstube: "Seems to be ours!", ("scheint unserer zu sein"), meint der bärtige Herr und drückt mir einen neuen Zwanziger in die Hand. Petra Payer, SZ vom 19./20.9.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... Thüringen Im Regionalexpress vom thüringischen Grimmenthal nach Würzburg. Eine Gruppe von acht Damen sitzt an zwei Vierertischen. Das Haar schon leicht ergraut, die Blusen in Pastelltönen. Piccolo-Flaschen werden geöffnet, Schnittchen gereicht. Eine hat ihr Mobiltelefon auf den Tisch vor sich abgelegt, der Lautsprecher ist eingeschaltet. Wencke Myhre besingt ein "Knallrotes Gummiboot", später ertönen "Schön ist es auf der Welt zu sein" sowie "Take it easy, altes Haus". Um nur eine ganz kleine Auswahl zu nennen. Auch Matthias Reim teilt dem gesamten Waggon mit: "Verdammt ich lieb dich, ich lieb dich nicht!" Kurz vor Würzburg steht ein junger Mann auf, um die 20 Jahre ist er alt, und geht zu der Gruppe. "Verzeihung die Damen", sagt er. "Könnten Sie das etwas leiser machen? Die Musik stört mich beim Lesen." Marco Völklein, SZ vom 12./13.9.2009

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Mitten in ... Nablus Taxifahrt nach Nablus im Westjordanland. Dem Fotografen ist unwohl bei dem Gedanken, in die Palästinenserstadt zu fahren. Als israelischer Jude darf er dort eigentlich auch gar nicht sein, das schreibt das israelische Gesetz vor. Unser Fahrer hatte uns an einem israelischen Armee-Stützpunkt getroffen. Als wir diesen passieren, werden wir alle kontrolliert, unser Fahrer auch, in unfreundlichem Ton von einem israelischen Soldaten, der sein Sohn sein könnte. Doch unser Fahrer lächelt. Und redet und redet. Den ganzen Nahost-Konflikt von seinen Anfängen vor hundert Jahren bis dato erklärt er uns - bis er uns mit seiner Meinung verblüfft. Die Besatzung, sagt er, "ist das Beste, was uns Palästinensern passieren konnte. Die Siedler geben uns Arbeit. Wir bauen ihre Häuser und können so unsere Familien ernähren." Thorsten Schmitz, SZ vom 12./13.9.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... Vinisce Kroatische Küste. Ein Einbahnstraßen-Kaff, viele Kurven entfernt von der Magistrale Split - Sibenik. Nur Katzen, Boote und ganz wenig Menschen. Und alle sprechen: kroatisch. Zumindest klingt es so. Kein schwäbisch, weder nieder- noch oberbayerisch, kein Ton von all den anderen süddeutschen Immer-noch-Urlaub-Habern. Im Restaurant versteht die Bedienung kein Wort, kann weder deutsch noch englisch. Herrlich. Endlich das Gefühl, in einem anderen Land zu sein. Auf der Speisekarte: außer Snicel und Rumstek wenig Verständliches. Wir bestellen mit Händen und Füßen, es kommt was ganz anderes, egal. Hauptsache nicht mehr "Lass das, Leon!" hören müssen, kein "Kevin, runter da!" Nur unverständliches Kroatisch. Urlaub! Bis zu dem Schild an dieser Garage im fast autofreien Nirgendwo, schwarz auf gelb: "Parken verboten!" Thomas Becker, SZ vom 12./13.9.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... Medellín Wanderer, kommst du nach Medellín, dann denkst du natürlich an Pablo Escobar. An den Patron, den mächtigsten und berüchtigtsten Drogenbaron aller Zeiten, 1993 auf den Dächern seiner Heimatstadt erschossen. Unter seiner Leitung war die kolumbianische Stadt seinerzeit der gefährlichste Ort der Welt, sein Mythos schwebt über den grünen Hügeln. Aber es spukt hier noch ein Geist, ein melodischer. Carlos Gardel. Argentiniens berühmtester Tangosänger starb 1935 in der späteren Kokainzentrale, als auf der Landebahn sein Flugzeug verunglückte. Seine Lieder überlebten. Nicht zuletzt seinetwegen wird in Medellín ungewöhnlich gerne und gut Tango getanzt, obwohl Kolumbien sonst eher die Disziplinen Salsa oder Merengue bevorzugt, und auch Popstar Juanes aus der Gegend stammt. In einem Restaurant ergriff also kürzlich ein dunkelhäutiger Kolumbianer das Mikrofon, sang Klassiker wie "Mi Buenos Aires Querido" und "Volver". Ein einheimisches Paar setzte virtuose Schrittfolgen zwischen die Tische, und Gardel war für einige Takte mächtiger als Escobar. Peter Burghardt, SZ vom 5./6.9.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... Kampala Vielleicht liegt Afrikas Rettung ja zwischen zwei Buchdeckeln verborgen. Man braucht nur durch die Regale von "Aristoc" stöbern, dem größten Buchladen von Kampala. Eine Phalanx von Lebensratgebern baut sich da vor dem Kunden auf: "Wie ich reich werde" - "Wie an sich jung und reich zur Ruhe setzt" -"Wie man den Millionärscode knackt". Alles Titel aus den USA, das ganze Regal entlang. Wer blättert da nicht gerne mal rein? Im Vorwort eines Buches steht: "Wenn Sie die erste Milliarde gemacht haben, vergessen Sie nicht, mir einen Dankesbrief zu schicken." Geht klar, Chef, das machen wir. Die Bestseller über US-Präsident Barack Obama und den King of Pop, Michael Jackson, stehen natürlich auch überall herum. Aber können die überhaupt noch mithalten, bei all den Dollar-Bibeln, die den Leser locken? "Die Ratgeber verkaufen sich schon sehr gut", muss die Verkäufern an der Kasse gestehen. Und dann verrät sie auch noch ein Geheimnis: "Ich hab auch schon eins gelesen." Ach ja? Und? "War einfach super"', strahlt sie. Und bedient fröhlich weiter. Arne Perras, SZ vom 5./6.9.2009 Foto: AFP

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Mitten in ... Madrid Im Zarzuela-Palast wurde kürzlich souverän gelächelt, als König Juan Carlos den Chef der postkommunistisch Vereinigten Linken, Cayo Lara, zu einem Gedankenaustausch empfing. Lara trug dem Monarchen vor, wie der Weg hin zur III. Republik und also der Abschaffung der Monarchie in Spanien zu bewältigen wäre. Die vielen Details, die Lara erklärt haben will, behielt er dann vor den Medien zwar für sich, es darf aber wohl vermutet werden, dass der Postkommunist dem Staatschef weder Exil noch ein Kissen unterm Fallbeil angeboten hat. Rebellisch zeigte sich Lara aber schon: Einerseits unterließ er es, sich einen Schlips zu binden. Andererseits schmückte er das Revers seines Paletots mit einem Anstecker, der die republikanische Trikolore zeigte. Der König konterte mit einer roten Krawatte, die freilich weder mit irgendwelchen Hämmern oder Sicheln geschmückt war, sondern von einem französischen Topdesigner stammte. Offen blieb, ob auch zur Sprache kam, dass Lara erst vor wenigen Wochen das Königshaus "ein trübes Steuerparadies" genannt hatte. Javier Cáceres, SZ vom 5./6.9.2009 Foto: AFP

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Mitten in ... Accra Ein Fußballfeld in Ghanas Hauptstadt, ein Steinwurf vom Strand entfernt. Die nahe Brandung rauscht, über den Platz und die marode Tribüne mit den 250 Zuschauern schwappt eine Woge der Begeisterung. Denn 25 Minuten vor Abpfiff läuft auf: ein Bleichgesicht. Leider hatte man keine Ahnung, auf was man sich da einließ, als man der Mannschaft in der Halbzeit spontan ein Gastspiel anbot: "Wir in Deutschland spielen ja auch Fußball!" Tja, nur nie auf Sand, und wer in Deutschland eingewechselt wird, der muss normalerweise auch nicht wegen Trikotmangels den durchgeschwitzten Fetzen des Aussortierten überstreifen. Doch der Eiertanz dauert nicht lange, wenig später wird das Spiel wegen einer Schlägerei abgebrochen. Zwei aus derselben Mannschaft können sich nicht einigen, wer den Freistoß ausführen darf. Dominik Prantl, SZ vom 29./30.8.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... München U-Bahnfahrt zum Harras, gegenüber zwei Blondinen Anfang Zwanzig. Die erste: "Jetzt hab ich neulich im Biergarten so einen süßen Typen kennengelernt." Die zweite: "Echt?" Die erste: "Jurastudent. Ganz dunkle Haare und voll blaue Augen, bestimmt einsneunzig und halt total süß." Die zweite: "Und?" Die erste: "Ja, ich war mit der Isa da, und der hat sich so dazugesetzt und mitgequatscht, und irgendwie war's total lustig, weil sich rausgestellt hat, der sitzt Mittwochabend auch immer in der Stabi. Aber irgendwie ham wir uns da noch nie gesehn." Die zweite: nickt. Die erste: "Der wär schon toll gewesen." Wäre! Das ganze Abteil hält die Luft an. "Jedenfalls, der saß so neben mir, und wie der sich mal vorbeugt und ihm hinten das Hemd hochrutscht, seh' ich..." - sogar die U-Bahn fährt ein bisschen leiser - "String." Damit ist das Thema erledigt. Tanja Rest, SZ vom 29./30.8.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... New York New York ist berühmt für seine Ratten, schlimmer heimgesucht wird die Stadt aber von Mäusen. In unserer ersten Wohnung, im East Village, tauchten sie erst im Bad auf, später knabberten sie im Backofen. In Chinatown, in einem windschiefen Häuschen, ließen sie nicht so lange auf sich warten. Wir flohen in die 57. Straße, auch dort war jede Menge "activity", wie der Exterminator es nannte. Ging eine in die Falle, kam der Doorman und zerquetschte sie in der Hand. Dann fanden sich die Tiere auch im Büro ein. Kein Wunder: Im Haus sind sieben Restaurants. Die New Yorker haben stets eine passende Erklärung für das Problem. Der Etat für die Ungezieferbekämpfung sei gekürzt worden. Es liege am Wetter, an den Baustellen, "nimm Dir 'ne Katze!" Auch bei der siebten unterm Schreibtisch gefangenen Maus entfuhr dem Hausmeister noch ein erstauntes "Oh really?"' Jörg Häntzschel , SZ vom 29./30.8.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... Cambridge Die Seuche ist jetzt Alltag. In Großbritannien schon länger als bei uns. Wie man mit dem Virus umgeht? ,"Catch it. Bin it. Kill it.", empfiehlt das Warnplakat auf dem Bahnhof von Cambridge. Was bedeutet: Nur ins Taschentuch schneuzen. Taschentuch sofort wegwerfen. Dann Hände waschen! Ist das nun Panikmache?, fragt man sich beim Einstieg in den Regionalzug. Nein, Panik war gestern, wie sich sofort herausstellt. Eine Bank weiter sitzt ein etwa 16-jähriges Mädchen, das ein befreundetes Ehepaar getroffen hat. Wie es geht? "Echt scheiße", erzählt sie, "Schweinegrippe". Das Paar nickt verständnisvoll. Es sei aber schon fast vorbei. Wegen Tamiflu. Vor drei Tagen sei es "ätzend" gewesen. Aber nicht so ätzend wie ihr Vater, der seitdem das Haus nicht mehr betrete. "Total hysterisch, der Typ, war doch halb so wild", endet sie. Das Paar nickt wieder: "Bye, wir müssen dann". Marten Rolff, SZ vom 22./23.8.2009 Foto: ddp

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Mitten in ... Immenstadt Die Sonne brennt, jedes Stückchen Rasen am Alpsee ist unter einem Handtuch verschwunden. Plötzlich lautes Geschluchze aus Richtung Kiosk. Die Badegäste recken die Köpfe. Zu dumm, eine Hecke versperrt die Sicht. Tränen ersticken die Stimme. Nur das Wort "Pooooommes" dehnt sich endlos in die Länge. Nach fünf Minuten Geschrei glaubt man zu wissen, was das Kind will: "Ich will meine Pommes!" Zehn Minuten später - das Kind schreit noch immer - offenbart sich auf dem Weg zum Kiosk die ganze Szenerie: Eine stark übergewichtige Mutter sitzt auf einer Bierbank einem stark übergewichtigen Vater gegenüber, daneben drei kleine Jungen. Während die Brüder sich Pommes mit Currywurst in den Mund schieben, sitzt der Älteste, die Arme verschränkt, heulend vor seinem Teller. Dann schreit er wieder: "Ich will keine Pommes!" Ann-Kathrin Eckardt, SZ vom 22./23.8.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... Istanbul So oft wie den Barbier sehen viele Türken ihre Eltern nicht, so offen wie mit ihm sprechen viele nicht mit der eigenen Ehefrau. Der Barbier kümmert sich um Haar und Bart. Viele Türken schauen täglich vorbei, und sei es nur, um sich die Nackenhaare abschaben zu lassen. Die perfekt rasierte Wange ist jene, auf der "die Fliege ausrutscht" (Sinek kaydi). Der Istanbuler Friseur redet ebenso gern wie seine Artgenossen in Deutschland, doch arbeitet er gründlicher: Mein Friseur Ismail beendet jeden Haarschnitt mit dem Stutzen der Augenbrauen und der Rasur von Ohren- und Nasenhaaren. Traditionellere Barbiere benutzen dazu auch gern ein langes Stäbchen mit Wattebäuschen an beiden Enden, welches sie in eine Tinktur tunken und mit einer Stichflamme entzünden. Mit diesem Flammenwerfer gehen sie sodann auf Ohr und Nase des Kunden los, Haare absengen. Kai Strittmatter, SZ vom 22./23.8.2009 Foto: Reuters

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Mitten in ... Berlin Zu denen, die stets früher als andere hip waren, zählt Susan Stahnke. Beispielsweise war sie die erste ehemalige Tagesschau-Sprecherin, die im Dschungelcamp von RTL einquartiert war. Sie war die erste Tagesschau-Sprecherin, die wegen erotisch gemeinter Fotos die ARD verließ und fast Großschauspielerin in Hollywood wurde. Auch wird es nicht sehr viele Kinder aus ihrer Heimatstadt Hameln in Niedersachsen geben, die wie sie an der Royal Academy of Dancing mit Auszeichnungen bestand. Von November an wird Susan Stahnke, 41, die einen Mann hat, der - laut Homepage - ihr "Worldwide" Manager ist, die erste frühere Tagesschau-Sprecherin sein, die eine Talkshow für das lokale TV Berlin moderiert. Die Sendung heißt Tischgespräche. Es gibt Essen, Wein, Geplauder, also genau das, was ins Fernsehen einer Hauptstadt muss. Berlin ist außer sich - vor Freude. Christopher Keil, SZ vom 14./15./16.8.2009 Foto: ddp

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Mitten in ... Allensbach Zu Besuch bei der Großmutter am Bodensee. Wir sitzen am Ufer, im Garten ihres Stammrestaurants, in dem der Chef mit Hingabe Fische brutzelt. Am Nebentisch wird ein 80. Geburtstag gefeiert. Der Patriarch thront auf dem Ehrenplatz, sein auch schon kahlköpfiger Sohn hält die Rede. Über die Männer der Generation 1929, die den Krieg als Kinder erlebt haben. Der Sohn zählt Helden des Jahrgangs auf: Kempowski, Juhnke, Enzensberger, Habermas. Die Rede wird immer dramatischer, bis das ganze Lokal zuhört - nur einige jüngere Familienmitglieder des stoisch wirkenden Jubilars schauen gelangweilt Richtung See. Hinter der Insel Reichenau geht die Sonne unter. Allensbach ist schon ein toller Ort, um alt zu werden, und manche Leute werden so alt wie die Demoskopin Elisabeth Noelle-Neumann, die "Pythia vom Bodensee". Sie ist 1916 geboren. Auch ein interessanter Jahrgang. Christian Mayer, SZ vom 14./15./16.8.2009 Foto: picture-alliance

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Mitten in ... Chemnitz Wir hatten Chemnitz bisher nicht unbedingt als Vorreiter multikulturellen Treibens auf dem Plan, aber just hier erblicken wir zum ersten Mal seit Jahren ein Spielzeug, das deutsche Geschäfte zuletzt so verschämt versteckt hielten wie sonst nur die deutsche Kanzlerin ihren Mann: In einem Supermarkt läuft ein Mädchen herum mit einer, jetzt mal politisch ganz korrekt, maximalpigmentierten Puppe. Schwarz. Früher hieß die anders, aber genau wie das Wort war die Puppe selbst irgendwann nicht mehr pädagogisch opportun und musste die Regale räumen. Doch jetzt, plötzlich, ist sie zurück. Ausgerechnet in Chemnitz. Und wem haben wir das zu verdanken? Mitten im Laden fängt das Mädchen an, sich mit seinem Bruder zu hauen, beide zerren an der Puppe. Es macht "Plopp", die Kinder brüllen, der Vater kommt dazu. "Na toll", ruft er "jetzt habt ihr Obama den Kopf abgerissen". Charlotte Frank, SZ vom 14./15./16.8.2009 Foto: oh

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Mitten in ... Zchinwali Der Kaukasus ist kein heiterer Ort. Trümmer. Tote. Wenig Toleranz. Doch es gibt Lichtblicke, ausgerechnet in Zchinwali, der Hauptstadt Südossetiens, wo sich gerade der Krieg jährt. Ein Küchentisch, drei Stücke Kuchen, zwei Menschen: Alexej, russischer Ex-Offizier und Geheimdienstler in undurchsichtigen südossetischen Diensten, seine Frau Olga, südossetische Journalistin und gerade aus der Haft entlassen. Sie hatte das Falsche geschrieben. Nun will sie weg, er nicht. Es gehe hier, zugegeben, ein bisschen "primitiv" zu, "aber dafür ehrlich", sagt er: "Sogar die Frauen sind stark." Sie stochert im Kuchen herum. Weg, weg, aber wie? Seit dem Krieg ist die Grenze nach Georgien geschlossen, Zchinwali und Tiflis schleudern Gift. Olga hebt ihr Glas, sie stoßen an: "Darauf, dass wir irgendwann wieder Tequila in Tiflis trinken." Sonja Zekri/SZ vom 8./9.8.2009 Foto: dpa

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Mitten in ... London Joggen im Park, wie jeden Morgen. Und wie jeden Morgen hängen schwarze Regenwolken über den Londoner Baumwipfeln. Es ist schließlich Sommer in England, und hier pflegt man Klischees. Manchmal denke ich, dass es eine Verbindung gibt zwischen dem Wetter und den zahlreichen Exzentrikern im Land. Nicht, dass es hier mehr gäbe als anderswo. Sie genießen nur höheres Ansehen. Wie jeden Morgen traben dieselben Läufer durch die Pfützen. Zum Beispiel das Frettchen mit dem verkniffenen Gesicht, oder der entspannte schwarze Riese. Da! Einer ist neu! Ziemlich dick ist er. Er joggt auch noch nicht lange, wie die Nike-Shorts mit den Bügelfalten zeigen. Misstrauisch linst er immer wieder in den regenträchtigen Himmel. Eigentlich unnötig. Denn seine Rechte umklammert fest einen schwarzen Knirps. Ach ja, das Wetter. Wolfgang Koydl/SZ vom 8./9.8.2009 Foto: AP

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Mitten in ... Brüssel Busfahren im August. Der öffentliche Nahverkehr fährt ein Sommerprogramm, drei Busse pro Stunde. Heute fällt der erste aus, Zeit für einen Milchkaffee. Plötzlich rollt - außerplanmäßig - ein neuer Bus ran. Aber jetzt erst einmal Kaffee trinken. Der nächste Bus kommt schon nach fünf Minuten. Prima, ich bin noch rechtzeitig im Büro. Plötzlich ändert der Fahrer die Route. Er sei außerhalb des Plans und müsse eine große Runde ums Europaviertel fahren. Ungläubiges Staunen. Am Busdepot heißt es: "Alle aussteigen!" Erstaunt frage ich, wie ich nun zu meinem Büro komme. Madame, Sie haben einen Termin? Ja, um 9.30 Uhr. Steigen Sie ein! Der Fahrer springt auf seinen Sitz, rast los, winkt den an anderen Haltestellen wartenden Menschen zu, ohne anzuhalten, überfährt eine rote Ampel und setzt mich direkt vorm Büro ab. Cerstin Gammelin, SZ vom 8./9.8.2009 Foto: AP

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Mitten im ... Foreste Casentinesi Was ist schöner als die Begegnung mit einem Wildschwein? Davon berichten zu können natürlich. Ein friedlicher Morgen im Nationalpark Foreste Casentinesi in der Toskana. Der Wanderstock klappert, sonst ist es herrlich still. Doch plötzlich bricht die Hölle los! Der Busch rechts vom Weg wackelt, als würde er auseinandergerissen. Dann steht der Eber da. Groß und fett, mit beeindruckenden Hauern. Langsam und schnaufend senkt sich der Schädel... Abends, im Kloster La Verna, will man erzählen, vom irren Rennen den Berg hinauf. Da fällt einem die Tischnachbarin aus Holland ins Wort. Was sie erlebt habe: "de waanzin!" Ein Wildschwein! Sie: gerade noch den Baum rauf. Das Vieh erwischte nur den Rucksack. Da, der Riss im Stoff! Alle sind baff. Der Gast aus Deutschland bestellt noch einen Chianti. Und schweigt. (Marc Felix Serrao, SZ vom 1./2.8.2009) Foto: iStock

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Mitten in ... Prag Seine Villa thront über der Moldau, vom Stadtteil Smichov aus ist sie gut zu sehen. Im Bewusstsein der Prager ist Karel Gott sowieso präsent. 34 Mal bekam er als bester Sänger des Jahres die "Goldene Nachtigall", gerade erst hat er mit großem Echo seinen 70. Geburtstag gefeiert. Und nun dies: Karel Gott ist im Kommunismus vor Zeiten von der Geheimpolizei StB beschattet worden! Die Prager sind erschüttert. Sie lesen: Sein eigener Psychiater war Agent der Geheimpolizei und berichtete seinen Oberen 1971, Gott leide an einer sexuellen Abartigkeit. Angeblich ging es um Exhibitionismus. Ist Gott ein Exhibitionist? Der Sänger beschwichtigt: Die Diagnose sei in Abstimmung mit ihm gefälscht gewesen. Nur so habe er aus seinem damaligen Job als Elektriker in Pilsen herauskommen und Sänger in Prag werden können. Eine Hauptstadt atmet auf. (Klaus Brill, SZ vom 1./2.8.2009) Foto: AP

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Mitten in ... Mailand Die Mailänder Kids sitzen auf dem Trockenen. Jugendliche unter 16 Jahren dürfen ab sofort hier in der Öffentlichkeit keinen Alkohol mehr trinken. So hat es Bürgermeisterin Letizia Moratti in einer Anordnung bestimmt, nachdem Sozialarbeiter der Stadt über ausufernde Trinkgewohnheiten bei der "Generation Flügge" geklagt hatten. Die Lobby der Bar- und Restaurantbesitzer wehrte sich vehement: Soll man jetzt von jedem Kunden den Ausweis verlangen? Prohibition nütze nichts, klagten andere Kritiker, die Babysäufer würden dann eben daheim tief ins Glas gucken. Die Bürgermeisterin blieb hart, soeben trat die Anordnung in Kraft. Deftige Strafen drohen allen (auch Supermärkten), die Jugendlichen unter 16 Alkohol verkaufen. Auch Kids, die mit einer Flasche Bier in der Hand erwischt werden, müssen mit Geldbußen rechnen. (Henning Klüver, SZ vom 1./2.8.2009) Foto: iStock

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Mitten in ... Istanbul Kein Ort für Schirme, Istanbul. Nicht weil es keinen prasselnden Regen und keine stechende Sonne gäbe - beides hat die Stadt im Überfluss. Aber Schirme haben hier keine Chance. Nicht bei Regenwetter und nicht bei strahlendem Himmel. Der Winde wegen. Die Winde packen sie, drehen ihnen den Hals um, brechen ihnen das Rückgrat, blasen sie hoch aufs Dach. Unseren Sonnenschirm vom Balkon musste ich zweimal vom Hausdach holen, während unser Hausmeister mich vom sicheren Erdboden aus mit besorgten Zurufen anfeuerte und eifrig gestikulierend dafür sorgte, dass ich den Schirm - so groß und so bunt wie ein indischer Kriegselefant - nicht übersah; Gott sei Dank blieb er jedesmal am Schornstein hängen, bevor er in die verglaste Veranda der Nachbarn krachen konnte. "Da haben wir ja nochmal Schlimmeres verhindert", sagte der Hausmeister. Kai Strittmatter,SZ vom 25./26.7.2009 Foto: AP

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Mitten in ... Grünwald Riesige Grundstücke, riesige Villen. Offenbar hat jedes Haus Alarmanlage und Überwachungskameras. Neben einer pompösen Eingangstüre finden sich zwei Klingelknöpfe. Neben einem Knopf steht: Hausmeister. Neben dem anderen finden sich zwei Buchstaben. Es muss ja nicht gleich jeder wissen, welcher Prominente hier wohnt. Und nirgendwo sind Kinder. Nur ältere Personen, die sich aus teuren Autos schälen, mit denen sie zuvor andere in der Tempo-30-Zone überholt haben. Die Kirche heißt "Maria Königin" und ist 52 Jahre alt. Sie befindet sich gleich gegenüber der modernen Schönheitsklinik. Beim Blick in einen Garten sieht man zwei gelangweilte junge Menschen. Der junge Mann starrt auf den Rasen, die junge Frau auf das Gartentrampolin. Der riesige Swimmingpool ist mit einer Folie bedeckt. Wegen des Laubs. So ist Sommer in Grünwald. Martin Zips/SZ vom 25./26.7.2009 Foto: lok, Robert Haas

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Mitten in ... Buenos Aires Am 9. Juli 2007 erlebte Buenos Aires ein Jahrhundertereignis. Es schneite in Argentiniens Hauptstadt, zum ersten Mal seit 1918, noch dazu am Nationalfeiertag. Fix lernten die Leute die Grundzüge der Schneeballschlacht ("Schneekrieg" auf Spanisch). Der Vorrat war schnell aufgebraucht und die Naturerscheinung von der Häufigkeit eines Meteoriteneinschlags rasch vorbei, doch man entdeckte am Rio de la Plata die Liebe zu Schneemännern. Und erwartete in diesen Tagen aufgeregt die Wiederholung. Überfallartig brach der Winter herein, pustete eisigen Atem durch die Häuserschluchten, in der Provinz wurden weiße Flocken gemeldet. In die Metropole drangen sie leider nicht vor, trotz null Grad echter und noch weniger "gefühlter Temperatur", wie man hier sagt. Statistisch wird es 2096 wieder so weit sein, bitte vormerken. Peter Burghardt, SZ vom 25./26.7.2009 Foto: Catherina Hess

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Mitten in ... Edinburgh Der Dudelsack ist ein Instrument mit großer Tradition. Und ein schottisches Nationalheiligtum. Ob man seine Musik deshalb ständig und landesweit spielen sollte, ist eine andere Frage. Verständlich: die allgegenwärtigen Musiker, die wegen der Touristen Edinburghs Straßen beschallen. Befremdlich: der musikalische Acht-Uhr-Weckruf unter dem Hotelfenster auf der Insel Skye ("Das war der Gärtner, wie jeden Morgen, unsere Gäste lieben es!"). Erbärmlich: die Synthi-Sackpfeifen-Version von Céline Dions "My Heart Will Go On" im Hochland-Pub von Glen Afric. Erstaunlich: die Stille vor Eilean Donan Castle. Die berühmte Wasserburg auf einer Insel im Loch Duich diente dem Film "Highlander" als Kulisse. Stille? Ein Auto hält. Eine Mutter lädt einen 15-Jährigen aus. Im Kilt. "Danke" steht auf dem Schild, das er vor den geöffneten Instrumentenkasten stellt. Marten Rolff, SZ vom 25./26.7.2009 Foto: Getty Images

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Mitten in ... Wien Es gibt etwas zu verschicken. Die Leute auf dem Hauptpostamt des sechsten Wiener Gemeindebezirks sind sehr freundliche Leute. Und hilfsbereit sowieso. Und neuerdings auch sehr weltläufig. Ein Päckchen soll nach Italien. "Bitte mit Vorrang." So hieß das früher in Österreich, wenn man eine Eilsendung aufgeben wollte. "Wie bitte?" Ratlose Blicke. "Vorrang bitte!" Stummes Unverständnis hinter dem Schalter. "Ich möchte das als Eilsendung aufgeben", wird als weitere Erläuterung der offensichtlich herausfordernden Amtshandlung angeboten. Der etwas stumpfe Blick des Schalterverwalters sagt, dass die Botschaft offenbar wohl noch immer nicht angekommen ist. Man betippt den Computer, wiegt, schätzt. Dann die Frage: "Normal oder Priority?" Fremdsprachen müsste man können in Wien. ( Michael Frank, SZ vom 18./19.7.2009) Foto: dpa

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Mitten in ... Madrid Madrid bewirbt sich grad um die Olympischen Sommerspiele, und eines der Lieblingsargumente der Stadtvertreter ist, dass schon mehr als 70 Prozent aller Anlagen "fertig" sind. Klingt hübsch in Krisenzeiten. Andererseits ist "fertig" ein dehnbarer Begriff, wie derzeit auf der mit Baustellen versehenen Plaza de la Puerta del Sol zu sehen ist. Dort erinnert der Eingang zum neuen, unterirdischen Regionalbahnhof an einen amputierten Wal. Er wurde unlängst eingeweiht. Spaniens Regierungschef, die Landesregierungschefin, der Madrider Bürgermeister waren da, schnitten ein Band durch, und waren vielleicht sogar froh, dass die Spiele, die Madrid haben will, erst 2016 anstehen. Neulich war auch der italienische Komiker Roberto Benigni zu Besuch und sprach den Madrilenen Mut zu: "Wenn Eure Stadt erst fertig ist, wird sie wunderbar sein." (Javier Cáceres, SZ vom 18./19.7.2009) Foto: Reuters

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Mitten in ... München Reifenpanne an einer schmuddeligen Ecke des Isarufers, wo Penner unter der Brücke schlafen, Säufer herumlungern und Glasscherben den Weg säumen. Ich fluche laut, weil das Loch im Schlauch nicht zu sehen ist. Ein junger Bursche mit Bierflasche setzt sich auf die Bank neben mich. "Sie kommen gerade recht", raunze ich ihn missmutig an, "war sicher eine Glasscherbe". "Ich werfe keine Flaschen weg", antwortet er stoisch, und: "über Druck pumpen". Wie bitte? Er nimmt mir Schlauch und Pumpe aus der Hand. Der Gummi dehnt sich zu einer fetten Wurst, in der ein Löchlein sichtbar wird. Gekonnt raut er den Schlauch auf und schmiert Kleber drauf. Ich ziehe unterdessen triumphierend eine Glasscherbe aus dem Reifen. Er sagt nur: "Aufpassen, der Kleber muss ganz trocken sein." Und nimmt einen großen Schluck aus der Flasche. (Jeanne Rubner, SZ vom 18./19.7.2009) Foto: Hess

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Mitten in ... Schleißheim Die russische Küche ist deftig, wird aber in kleinen Portionen serviert - anders als bayerische Kost, die auch kalorienreich, aber immer reichlich ist. Das bekam Russlands Präsident Dmitrij Medwedjew beim deutsch-russischen Gipfel auf Schloss Schleißheim zu schmecken. Nach dem Mittagessen mit bayerischem Gockel, Steinpilzen und Schlosskartoffeln musste er gestehen: Die Kost sei schmackhaft aber auch sättigend. "Man kann nur einmal in Bayern essen und Bier trinken." Russen, die länger im Freistaat leben, schätzen indes die örtlichen Speisen. Ob es Wodka und Kaviar gebe, fragte ein deutscher Passant, der vor dem Münchner Brauhaus wartete, in dem Medwedjew am Abend noch Obazda und Brezen aß. "Njet", erwiderte ein Russe neben ihm. Es gebe hoffentlich Schweinebraten. "Wir Russen lieben die bayerische Küche!" (Oliver Bilger, SZ vom 18./19.7.2009) Foto: dpa

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