Mitten in ... Absurdistan (IV):Mitten in ... Absurdistan (IV)

SZ-Korrespondenten berichten Kurioses aus aller Welt - eine Bildergalerie.

25 Bilder

Mitten in ... Absurdistan

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Mitten in ... Berlin

"Wohin soll's denn gehen?", fragt die Taxifahrerin. "Bitte zum Helmholtzplatz."

"Kommen Sie denn auch aus dem Springer-Hochhaus?" "Ja, warum?" "Mein letzter Fahrgast kam nämlich auch aus dem Springer-Hochhaus und wollte zum Helmholtzplatz." "So ein Zufall."

"War ein sehr unangenehmer Gast. Vermutlich ein Kollege von Ihnen." "Oh, das tut mir leid." "Hat mich gedemütigt als Frau und als Taxifahrerin. Am Ende wollte er Trinkgeld geben. Das habe ich abgelehnt." "Hm, wie kam es denn zu der Missstimmung?"

"Ach, so die ganze Art, wie der geredet hat über die Welt. Das muss ich mir nicht anhören." "Ah, Grundsatzdebatten." "Fangen Sie jetzt auch so an? Ich wusste es ja, dass Sie aus dem Springer-Haus kommen." Pause. "Aber Trinkgeld darf ich Ihnen geben, oder?" "Hör'n Se uff."

(Ijoma Mangold / SZ vom 26./27.1.2008)

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Mitten in ... Absurdistan

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Mitten in ... Venedig

Ach, Venedig. In einer Stadt mit 446 Brücken sollte es doch ein Leichtes sein, eine 447ste zu bauen. Doch die neue Brücke des spanischen Architekten Santiago Calatrava, die sich 94 Meter lang über den Canal Grande spannt, wird inzwischen als "längste Brücke der Welt" verspottet. Vor zwölf Jahren begann man mit der Planung, im vergangenen Sommer konnte sie aufgestellt werden, doch bleibt sie seitdem verschlossen.

Die Einweihung zunächst für Neujahr, dann zum Karneval geplant, wird wohl nicht mal zum 1. April stattfinden können. Das rostrote Stahlskelett, das noch wenig vom "leuchtenden Pfad" zeigt, den der Architekt den Venezianern versprochen hat, "bewegt" sich bei den wechselnden Klimaverhältnissen und muss laufend "monitoriert" werden. Die Rialto-Brücke war in nur drei Jahren fertig.

(Henning Klüver / SZ vom 26./27.1.2008)

Transport des neuen Brückenbogens im August 2007 unter der Rialto-Brücke hindurch. Foto: dpa

Mitten in ... Absurdistan

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Mitten in ... London

Einige Privilegierte wie die Queen müssen sich im Verkehrsmoloch London keine Sorgen über den Transport machen, auf sie warten stets Limousinen und freigeräumte Straßen. Als Normalsterblicher ist man es gewohnt, sich zur Rush Hour in übervolle Busse, U-Bahnen und Pendlerzüge zu quetschen. Britische Boulevardmedien bemühen hierzu gern den geschmacklosen Viehwaggon-Vergleich.

Wenn einem allerdings zum dritten Mal der ebenso höfliche wie tollpatschige Stehnachbar auf den Fuß getreten ist und "Excuse me" gemurmelt hat, brüllt tief im Fahrgast tatsächlich manchmal ein wütendes Rind. Die Zeitung Evening Standard fordert jetzt in einer Kampagne von der Regierung die Garantie eines Sitzplatzes für jeden Pendler. Schließlich darf die Queen ja auch immer sitzen, wo sie will.

(Alexander Menden / SZ vom 26./27.1.2008)

Protest in der Londoner U-Bahn gegen Tiertransporte Foto: dpa

Mitten in ... Absurdistan

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Mitten in ... München

Das kubanische Befreiungslied "Guantanamera" ist zuletzt von Fans in der Allianz Arena zu einem bayerischen Befreiungslied umgedichtet worden: "Fressen und saufen, ihr könnt nur fressen und saufen." Gemeint waren jene Schlipsträger in den Logen, die - nach Ansicht der Basis - nur ins Stadion kommen, um gesehen zu werden und Schampus zu verklappen. Obwohl Bayern-Manager Hoeneß in einer Wutrede die Verhältnisse geradegerückt hat, liegt eine vorrevolutionäre Stimmung über dem im Winterschlaf schnarchenden Stadion.

Nach der Rosenrevolution in Georgien, der orangenen Revolution in der Ukraine, der Zedernrevolution im Libanon könnte ein Umsturz dort drohen, wo man ihm am wenigsten erwartet. Die Hummerrevolution. Ein Abstauber von Klose aber nimmt allen Druck vom Kessel.

(Holger Gertz / SZ vom 26./27.1.2008)

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Mitten in ... Petting, dpa

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Mitten in ... Petting

Als Rassegeflügelzüchter hast du es nicht leicht heutzutage. Mit Wasservögeln zum Beispiel kannst du gleich daheimbleiben. Immer noch wegen der Vogelgrippegefahr. Aus diesem Grund sind die monatlichen Kleintiermärkte des Rassegeflügelzuchtvereins Petting e.V. seit zwei Jahren etwas spärlich besucht.

Das Veterinäramt des Landratsamtes Traunstein wacht mit Argusaugen über die Einhaltung der Vorschriften. Untersagt ist der Handel mit Hühnern, Truthühnern, Perlhühnern, Rebhühnern, Fasanen, Laufvögeln, Wachteln, Enten und Gänsen.

Zugelassen sind hingegen Sittiche, Kanarienvögel, Tauben - und Hasen aller Art. Jawohl, immer mehr Hasenzüchter nisten sich ein bei den Rassegeflügelzüchtern von Petting. "Vor der Vogelgrippe", sagt Sepp Würnstl, 68, der Zuchtwart des Rassegeflügelzuchtvereins, "waren es fast doppelt so viele Aussteller. Bis zu 400." Würnstl selbst züchtet erfolgreich Tauben.

(Rudolf Neumaier/SZ vom 19./20.1.2008)

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Mitten in ... Amsterdam, AP

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Mitten in ... Amsterdam

Der Zeitungskiosk, der in vielen europäischen Städten noch zum Straßenbild gehört und in Amsterdam fast ausgestorben war, soll in Hollands Städten wieder eine Chance bekommen. Im Frühjahr sollen die ersten Buden, nach italienischem Vorbild mit viel Gusseisen, aufgestellt werden. Die Kioske sollen eine soziale Funktion erfüllen und für mehr Sicherheit sorgen.

Außerdem werden sie Rauchern, die in Cafés oder Restaurants mittlerweile auch in den Niederlanden unerwünscht sind, eine neue Heimat bieten. Natürlich sollen sie den Absatz von Zeitungen ankurbeln, weil es immer weniger Abonnenten gibt und immer mehr Leute, die ihre Tageszeitung ohnehin auf der Straße kaufen.

Überall im Lande wird die Initiative begrüßt, nur Amsterdam wehrt sich gegen Kioske im Zentrum. Die Ratsherren finden, dass die ohnehin schon ziemlich vollgestellte Innenstadt nicht noch mehr mit Buden möbliert werden soll.

(Siggi Weidemann/SZ vom 19./20.1.2008)

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Mitten in ... Sri Lanka, Getty Images

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Mitten ... Colombo

In Deutschland gibt es den Spruch: "Zehn Minuten nach der Zeit ist gerade noch Pünktlichkeit." Auf Sri Lanka gibt es diesen Satz nicht. Zum einen, weil die Übersetzung selbst polyglotte Menschen ins Schwitzen bringen würde. Dazu gibt es in Colombo eine andere Zeitrechnung als in München.

Bestellt man morgens ein Taxi mit der Bitte: "Ganz dringend!", kann man durchaus noch drei Stunden durch ein Einkaufszentrum im Stadtteil Bambalapitiya bummeln. Und wenn der Fahrer eines Tuk-Tuks - das sind die knuffigen Motor-Rikschas - verkündet, die Fahrt zum Nationalpark werde höchstens 30 Minuten dauern, dann kann man gerne ein Nickerchen planen, schließlich wird man mindestens vier Stunden unterwegs sein.

Einen Vorteil hat das veränderte Zeitgefühl: Wird man am Ende des Urlaubs gefragt, ob man im kommenden Jahr ganz sicher wiederkommen wird, kann man gut gelaunt "Ja" sagen - ohne zu lügen. (Jürgen Schmieder/SZ vom 19./20.1.2008)

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Mitten in ... Buenos Aires, pixelio

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Mitten in ... Buenos Aires

Argentinier teilen sich derzeit in zwei Gruppen auf. Die einen liegen am uruguayischen Reichenufer von Punta del Este, im argentinischen Seebad Cariló oder dem Massengrill Mar del Plata, sind jedenfalls im Urlaub. Wer es sich leisten kann, der trat die Ferien gegen Weihnachten an und beendet sie Ende Januar, wir befinden uns im südamerikanischen Hochsommer.

Der Rest schwitzt in Buenos Aires und hofft, dass zwischendurch ein löschendes Gewitter niedergeht, und die Klimaanlage durchhält. In der glücklicherweise halbverlassenen Metropole findet wieder das alljährliche Glücksspiel statt: Bei welcher Temperatur und welchem Energieverbrauch versagt die Kühlung? Diese Woche hatte es zwischenzeitlich 41 Grad.

Und die neue Präsidentin Cristina Kirchner gab gerade zu, dass 5000-mal der Strom ausgefallen sei. Bei ihr wohl kaum.

(Peter Burghardt/SZ vom 12./13.1.2008)

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Mitten in ... Alpbach, dpa

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Mitten in ... Alpbach

Doch, es gibt noch andere Nachrichten aus dem schönsten Tiroler Skiort: Die Alpbacher Welt besteht ja nicht nur aus einem 104-Jährigen, der hier zufällig eine Ferienwohnung besitzt. Johannes Heesters erholt sich gerade von seinem Sturz in der Reha-Klinik, was die Alpbacher mit der ihnen typischen Gelassenheit zur Kenntnis nehmen.

Das für seine Küche gerühmte Hotel Post beispielsweise ist am Wochenende wieder mal ausgebucht; auf den Bergen liegt trotz des Wärmeeinbruchs noch genügend Schnee, die Lifte laufen.

Heesters hin oder her: Die Alpbacher sind nur dann glücklich, wenn das Wetter gut ist. Und wenn es schlecht ist, können sie auf ihr Congress Centrum hoffen, ein Glaskasten mitten in putziger Landschaft. Am Montag treffen sich dort die Österreichischen Zimmermeister. Und in der Post ist mal wieder kein Zimmer frei.

(Christian Mayer/SZ vom 12./13.1.2008)

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Mitten in ... Rio, AP

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Mitten in ... Rio

Am Strand von Ipanema treffen sich extrem Arm und Reich. Die Reichen residieren, beschützt von Zäunen und Wachmännern, in teuren Apartments und Hotels, führen Pudel Gassi, die Lederschuhe an den Pfoten tragen, joggen mit Pulscomputern am Handgelenk und fläzen in Liegestühlen.

Die Armen hausen auf der Straße, bedienen die anderen aus Kühltaschen mit kalten Getränken, die sie bei 42 Grad durch die Sonne schleppen, und abends hauen sie die leeren Bierdosen flach, um ein paar Reals fürs Blech zu kriegen.

Plötzlich kommt Hektik auf. Einer der zerlumpten Getränkemänner hat seinen Karren umgeworfen, seine Dosen schlittern über die Promenade. Überall bücken sich die Flanierer, sogar eine der Pudeldamen. Sie helfen dem Mann mit den Dosen, wünschen ihm einen schönen Tag. Kleine Gesten der Menschlichkeit - eine seltene Begegnung.

(Jochen Temsch/SZ vom 12./13.1.2008)

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Mitten in ... Baku, AFP

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Mitten in ... Baku

Es hat geschneit in Baku. Nicht sehr, aber um den Flughafen der aserbaidschanischen Hauptstadt lahm zu legen reicht es. "Geben Sie mir Ihre Tickets", verlangt der mürrische Schalterbeamte am Transferdesk. Da ist es schon nach Mitternacht. "Ja, aber wann geht es weiter?", fragen einige Passagiere beherzt. "Woher soll ich das wissen?", blafft der Mann zurück, da solle man sich an die Vertreter der Fluggesellschaft wenden. Gerne.

Aber von Azerbaijan Airlines lässt sich keiner blicken. Jetzt nicht, und auch in den kommenden langen 16 Stunden Verspätung nicht. Hinlegen wäre schön, doch auf allen Bänken lümmeln Soldaten.

Im Morgengrauen formiert sich ein Revolutionskomitee der Fluggäste. "Dies ist der schlechteste Flughafen der Region", ruft einer. "Da", entgegnet ein Sicherheitsmann", "sind wir aber auch stolz drauf."

(Daniel Brössler/SZ vom 12./13.1.2008)

Foto: AFP

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Mitten in ... Bangkok

Es gibt unverhofft zauberhafte Momente in Großstädten. Etwa in Bangkok, Ratcha Thewi, eine Haltestelle des Skytrains, der Monorail. Klebrige Hitze, Verkehrsgedröhne, streunende Hunde. Eine Treppe führt in die Hollywood Street, eine Einkaufsgalerie.

Glamour war mal, ist nicht mehr. Viele Ladenlokale sind leer. Einige wurden an Studenten oder an Start-ups vermietet, und die haben schwere Vorhänge in die Schaufenster gehängt. Am Eingang der Arkade lockt "The Rock Pub" mit vergilbten Konzertpostern und Singha-Bier für 120 Baht die Flasche. Das ist nicht viel.

Doch dann, plötzlich, wie aus dem Off: ein Gitarrenriff. Es muss Deep Purple sein, gespielt von einem Kunden des Musikladens. Die Gitarre füllt die Galerie, übertönt den Lärm der Straße, der Motorräder, der Busse. Und gibt dem lauten Moloch eine liebliche Milde. Einen Moment lang, einen kurzen.

(Oliver Meiler/SZ vom 5./6.1.2008)

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Mitten in ... Osnabrück

Auf dem Marktplatz vor dem Osnabrücker Rathaus ist es ganz still, nur ein leiser Wind weht. Doch die Ruhe trügt, denn in der nahen Kfz-Zulassungsstelle scheppern Telefone unerbittlich.

Beides hängt so zusammen: Das Rathaus war Zeuge großer Momente der Stadtgeschichte, von Hexenverbrennungen bis zum Westfälischen Frieden 1648. Die Neue Osnabrücker Zeitung greift für ihren jährlichen Silvesterscherz am liebsten das Friedensereignis auf. Diesmal vermeldete sie, der Oberbürgermeister habe ein neues Autokennzeichen erwirkt: "FOS" für "Friedensstadt Osnabrück" statt "OS".

Hunderte elektrisierte Leser wollen ihr neues Schild in der Zulassungsstelle bestellen. Die Zeitung rudert am Donnerstag zurück; man habe "mit viel Witz" eine "Art Bleigießen" veranstaltet.

Die Leser werden die Unannehmlichkeit verzeihen - wenn Osnabrück eine echte Friedensstadt ist.

(Jan Grossarth/SZ vom 5./6.1.2008)

Foto: dpa

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Mitten in ... Samana

Federico fährt uns über die Hauptstraße, umkurvt die vielen Schlaglöcher. Im richtigen Moment biegt der Moped-Taxifahrer links ab. Das Ziel ist erreicht: eine Hahnenkampfarena auf der Halbinsel Samana in der Dominikanischen Republik.

60 Männer sind gekommen, stolz präsentieren sie ihre Gockel. Es geht um Leben und Tod der Tiere, um Ehre und Geld der Männer. Zwei Hähne hetzen sie aufeinander, die sich sofort attackieren. Ein grausames Spektakel, das hier legal ist.

Geschrei, Gestampfe, Geklatsche. Fast alle feuern die Tiere an, suchen einen Wettpartner. "Ich setze auf den weißen Hahn, 200 Pesos", ruft mir ein Dominikaner zu und riskiert so seinen halben Tageslohn.

Ich halte dagegen, er gewinnt. Als ich sehe, wie die Besucher am Ausgang ihre Waffen zurückbekommen, wird mir mulmig. Über die verlorene Wette bin ich ganz froh.

(Tobias Matern/SZ vom 5./6.1.2008)

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Mitten in ... Rom, AFP

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Mitten in ... Rom

Der Himmel über der Stadt ist voller Zeichen: Viele kleine schwarze Punkte ballen sich im satten Blau der Abendstunden zu geometrischen Figuren zusammen. Blitzschnell, wie in einem Kaleidoskop, bilden sie Kreise und Wellen, Trapeze und Flügel oder sogar Buchstaben.

Tausende Stare sind es, die da, wie jedes Jahr um diese Zeit, so elegant und präzise ihre Formationen fliegen, als würden sie von einer göttlichen Hand gesteuert. Staunend blicken wir nach oben und überlegen: Was soll das bedeuten? Einst gab es im antiken Rom Beamte, die Auguren, die Antworten gaben und aus dem Vogelflug die Zukunft deuteten.

Heute müssen wir die Rätsel schon selber lösen. Gestern Abend haben wir es wieder versucht. Doch diesmal - wir trauten unseren Augen kaum - verdichteten sich die schwarzen Vögel zu einem enormen Fragezeichen.

(Stefan Ulrich/SZ vom 29./30.12.2007)

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Mitten in ... Völs, dpa

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Mitten in ... Völs

Vor einem Jahr blies er noch einmal die Tuba. So, wie er es 50 Jahre lang getan hatte, in Völs/Südtirol. Der Zimmerlehner Sepp zog mit der Musikkapelle zwischen den Jahren in eisiger Kälte von Haus zu Haus. Um Geld zu sammeln. Für neue Instrumente.

41 Jahre war der Zimmerlehner Sepp Mitglied des Völser Gemeinderates, 25 Jahre war er Bürgermeister, 45 Jahre sang er im Kirchenchor, 20 Jahre arbeitete er im Landesbauernrat und 30 Jahre im Vorstand des Grauviehzuchtverbands. Mit seiner Frau hatte er acht Kinder. So einer war der Zimmerlehner Sepp: Ein Macher, ein Charismatiker, ein Tuba-Bläser.

Als er vor genau einem Jahr wieder vor der Tür stand und spielte, da hatte er gerade erst von seiner schweren Krankheit erfahren. Wenige Tage später war er tot. 3000 Menschen kamen zur Beerdigung. Vor dem Sarg haben sie ihm seine Tuba voraus getragen.

(Martin Zips/SZ vom 29./30.12.2007)

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Mitten in... Absurdistan

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Mitten in ... Berlin

Es gibt in Berlin ein ungeschriebenes Gesetz, das besagt: In der Weihnachtszeit hat man mindestens eine Lichterkette in das Fenster zu hängen. Am besten bunt und blinkend. Das Gesetz wird hauptsächlich in Kreuzberg und in Wedding beachtet. Nun hat diese Sitte auch das Kanzleramt erreicht. Rechts oben, im siebten Stock, hat Kanzleramtschef Thomas de Maizière sein Bürofenster dekoriert. Man kann es von überall her sehen: aus der S-Bahn ebenso wie aus den umliegenden Bürogebäuden oder vom Reichstag aus.

Es ist allerdings keine Lichterkette, sondern ein Schwibbogen aus dem Erzgebirge, 1,80 Meter hoch und zwei Meter breit. Nur blinken tut er nicht. Am Freitag war er plötzlich aus. Der Minister hatte sein Büro verlassen. Das Fenster bleibt auch über Weihnachten dunkel. Ein unverzeihlicher Verstoß gegen die Berliner Sitten.

(SZ vom 22./23.12.2007 / Philip Grassmann)

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Mitten in... Absurdistan

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Mitten in ... Paris

Mein Sohn will einmal mit einem richtig schnellen Zug fahren. Mit dem TGV. Von München nach Paris und zurück, an einem Tag. Mittags stehen wir vor einer gotischen Kirche mit zwei abgesägten Türmen. Der Fluss davor heißt Seine. "Wir sind jetzt in Paris", brüllt er seinem kleinen Bruder ins Handy. Im Louvre hängt ein Bild, das sehr teuer ist und eine lächelnde Frau zeigt. Leider ist die Schlange vor dem Museum zu lang, jedenfalls wenn man nur zwei Stunden 50 Minuten Zeit hat.

Paris wird von Menschen bevölkert, die Englisch und Kölsch sprechen. Weit in der Ferne ahnt man den Triumphbogen. "Wir sind jetzt auf der Schansellisee", brüllt er ins Handy. "Und ich bin gerade auf dem Münchner Olympiaturm", brüllt sein kleiner Bruder in Deutschland zurück. Um 21.38 Uhr fährt der TGV wieder im Münchner Hauptbahnhof ein. Pünktlich.

(SZ vom 22./23.12.2007 / Sebastian Beck)

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Mitten in... Absurdistan

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Mitten im ... Kosovo

Schon mal ohne Strom gelebt? Wie? Ein kleiner Stromausfall? Nein, das zählt nicht. So richtig dauerhaft, über Stunden und das jeden Tag. Das kann im Kosovo erleben, wer will. Die Erfahrung ist gar nicht schlecht, mal an einem Abend rauszugehen und die Stadt ist dunkel, keine Straßenlaterne und kein Weihnachtsbimbam. Nur leider findet man die Hausnummern nicht, und der Gastgeber muss mit einer Taschenlampe kommen und leuchten.

Drinnen ist es auch ganz romantisch: Candlelight-Dinner, weil es gar nicht anders geht. Nicht so gut ist, dass viele Wasserspülungen nur mit Elektrizität funktionieren ...Und die Ampeln ersetzen Schupos, die wild mit den Armen wedeln. Manche Kinder im Kosovo lernen als erstes Wort "Strom", weil der so selten ist und sie nur im Dunkeln spielen können. Das ist eigentlich ein Skandal.

(SZ vom 22./23.12.2007 / Marc Hoch)

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Mitten in... Absurdistan

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Mitten in ... München

Mein Hautarzt in München ist so gut, dass es sich bis in die Vereinigten Arabischen Emirate herumgesprochen hat. Manche Scheichs fliegen in Privatmaschinen nach München, um sich von ihm kurieren zu lassen. Jüngst saß eine Scheichsgattin aus Dubai in seiner Praxis. Sie lüftete den Schleier und zeigte auf trockene, gerötete Stellen um Mund und Nase. Ein Test attestierte eine Katzenallergie in einer Heftigkeit, wie sie der Arzt bislang "nur selten erlebt" habe. Ob sie Katzen besitze?

Natürlich nicht, sagte die mit wertvollem Schmuck behängte Patientin, in Dubai gebe es gar keine. Mein Arzt wollte schon seine Fähigkeit zu Diagnosen in Zweifel ziehen, als die Frau das Rätsel ihrer Katzenallergie selbst lüftete: "Sind Tiger und Löwen auch Katzen?" Ihr Mann betreibe im Garten der Villa einen Privatzoo mit zwei Löwen und drei Tigern.

(SZ vom 14./15.12.2007 / Thorsten Schmitz)

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Mitten in... Absurdistan

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Mitten in ... Rom

Im Erdgeschoss unseres Palazzo liegt eine Hauskappelle. Das gehört sich so für ein ordentliches römisches Wohngebäude in Sichtweite des Vatikans. Manchmal, wenn ich die Blumen auf dem Balkon zu sehr gieße, dann tropft es in der Kapelle von der Decke, sagt unser Vermieter. Eines Abends in dieser Woche höre ich Gesänge heraufdringen. Die Großfamilie des Padrone begeht den Todestag eines Vorfahren. Plötzlich läutet es an unserer Tür.

Draußen steht Gaetano, der Hausmeister. Er hält ein kleines Glaskännchen in der Hand, wie man es für Essig und Öl benutzt. "Hätten Sie vielleicht etwas Weißwein?" Ich schenke ein und blicke ihn fragend an. "Es ist für die Messe", sagt Gaetano. "Der Priester hat mich gebeten, Wein zu besorgen. Und da niemand eine Flasche offen hatte, dachten wir, wir probieren es einmal bei den signori tedeschi."

(SZ vom 14./15.12.2007 / Stefan Ulrich)

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Mitten in... Absurdistan

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Mitten in ... Frankfurt

Es gibt, das haben aufwändige Selbstversuche ergeben, offenbar drei Voraussetzungen, um in Frankfurt am Main Taxi fahren zu dürfen: Man darf sich erstens nicht in Frankfurt auskennen, darf zweitens seinen Fahrgästen keinesfalls allzu genau zuhören und drittens kein Navigationsgerät besitzen. Falls man doch eines hat, darf man es nicht bedienen können. Neulich aber ließ sich eine Taxifahrt nicht vermeiden, die Zeit drängte, das Ziel lag an einer sehr langen Straße. Vielleicht hätte man besser aufpassen sollen, denn als das Taxi endlich stand, blickte der Fahrer kurz nach hinten und teilte mit: "Vorbeigefahren."

Die dreistellige Hausnummer war deutlich mehr als doppelt so hoch wie jene das eigentlichen Ziels. Wenden könne er hier allerdings nicht, sagte der Fahrer: "Ich lass' sie dann mal hier raus." Laufen kann so entspannend sein.

(SZ vom 14./15.12.2007 / Christoph Hickmann)

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Die Karlsbrücke in Prag, iStock

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Mitten in ... Prag

"Sie jagen alle nach dem Geld, sagt der junge Mann, "sie verkaufen ihre Seele''. Der Tscheche hat, obwohl kaum 30 Jahre alt, reiche Erfahrung als Unternehmer. Die Kunden zahlen nicht, die Konkurrenz hat schmutzige Tricks. Letztes Jahr bekam er 35.000 E-Mails, jetzt ist er wegen Stress in ärztlicher Behandlung.

Geld regiert das Denken von Millionen Menschen in der postkommunistischen Welt. Laufend meldet die Presse, wie das Durchschnittseinkommen steigt. In Tschechien beträgt es jetzt 800 Euro pro Monat.

Nicht genug für František Prochazka. Der 30-Jährige Wachmann eines Sicherheitsdienstes in Prag hat sich diese Woche eine Wagenladung von 560 Millionen Kronen angeeignet und ist damit spurlos verschwunden. Das Geld, umgerechnet 21 Millionen Euro wert, wiegt über 100 Kilo. Der Bankraub des Jahrhunderts.

(Klaus Brill/SZ vom 8./9.12.2007) Foto: iStock

Straßenbauarbeiten, dpa

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Mitten in ... Yeniköy

Was mir zu Istanbul einfällt? In zehn Sekunden? Bagger. Löcher. Bauwut. Ich wohne seit zwei Jahren in Yeniköy, einem Vorort, der richtig schön wäre, ließe die Stadt endlich unsere Straßen in Frieden. Eine Grube neben der anderen. Seit meiner Ankunft. Seit immer.

Bagger, die an Gruben nagen, Baufirmen, die sich vom Stadtsäckel nähren. Sie graben und graben. Bis sie auf die Metro stoßen (im August) oder der Istanbuler Börse das Glasfaserkabel abzwacken (letzte Woche). Milliarden Dollar futsch, Bagger immer noch da.

Wir wohnen auf dem Berg, es führen vier Wege hinab ins Dorf. Kürzlich haben sie alle vier gleichzeitig aufgerissen. Wir müssen nun durch zwei Nachbardörfer, um in unseren eigenen Ort zu gelangen. Gestern standen Kinder im Dorf, verkauften handgeschriebene Zeitungen: "Stadt hau ab'', stand da: "Befreit Yeniköy!"

(Kai Strittmatter/SZ vom 8./9.12.2007) Foto: dpa

Mitten in ... Quito, iStock

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Mitten in ... Quito

In Quito herrscht an diesem Wochenende Katerstimmung. Es ist der Kater nach der großen Fiesta - schließlich hat die Hauptstadt Ecuadors in den vergangenen Tagen ihren 473. Stadtgründungstag gefeiert, mit Höhepunkt und Abschluss am 6. Dezember, den die Quiteños praktischerweise zum Feiertag gemacht haben.

Zwar wird in jedem Jahr wieder darüber diskutiert, ob man ausgerechnet die Unterwerfung durch die Spanier so ausgiebig feiern muss, doch die Mehrheit interessiert das wenig: Eine Woche lang herrscht Ausnahmezustand, mit Umzügen, Stierkämpfen, Stadtteilfesten.

Auf offenen Bussen fahren ausgelassene Trupps mit Blaskapellen auf dem Dach durch die Altstadt und machen das, was bei dieser Fiesta am allerwichtigsten ist: tanzen und trinken. Und eine ganze Stadt grölt im Chor: "Que viva Quito! Que viva!"

(Antje Weber/SZ vom 8./9.12.2007) Foto: iStock

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