Mitten in Absurdistan:Da liegt sie, ohne eine Schweißperle auf der Haut

Unter der gleißenden Sonne von Hurghada zeigt sich, wer wirklich etwas aushält. Und in Neufchâtel-en-Bray ist Pinkeln eine durchaus anspruchsvolle Disziplin.

28 Bilder

Jo-jo-Sommer

Quelle: dpa

1 / 28

Mitten in ... Hurghada

Es ist heiß am Roten Meer. 40 Grad in Hurghada, wenn die Sonne mittags gleißend auf den Strand brät. Man verkriecht sich im Schirmschatten, schlürft eisgekühltes Wasser und kapituliert wenig später. Rückzug ins klimatisierte Zimmer, bis nachmittags eine Brise weht, die Sonne warmes Orange zaubert. Die ägyptische Familie nebenan: unbeeindruckt, die Tochter rückt ihre Liege in die Sonne. Und wenn man sich um vier Uhr wieder ans Meer traut, liegt sie noch da, ohne eine Schweißperle auf der Haut. Unterschiedliches Temperaturempfinden offenbar. Zum Abendessen auf der Terrasse angenehme 28 Grad, alle Europäer sitzen draußen, wie schon beim Frühstück. Die Ägypterin mit ihrer Familie und allen Landsleuten hingegen: drinnen. Im Kühlschrank. Klimatisiert, 18 Grad. Ja, es muss unterschiedliche Temperaturempfinden geben.

Paul-Anton Krüger

SZ vom 29. Juli 2016

Fahrradstreife der Dresdner Polizei

Quelle: dpa

2 / 28

Mitten in ... Leipzig

Fahrradpolizisten haben es oft schwer, ernst genommen zu werden. Trikots mit Polizei-Schriftzug, Helme mit Lüftungsschlitzen, kein Blaulicht, kein Tatütata - im Vergleich zu einem SEK-Kommando macht das nicht viel her. Doch hier scheint es sich um eine ernste Sache zu handeln: Ein Rad-Polizist und eine Rad-Polizistin strampeln hinter einem athletischen, tätowierten jungen Mann her. Das Trio rast auf eine Baustelle zu. Eine Verfolgungsjagd? Zu den Aufgaben der Fahrradstreife gehört es, "Radl-Rowdys" zu stellen. Beim Schild "Radfahrer absteigen" bremst der Tätowierte ab und schiebt. Die Polizei rollt rechts an ihm vorbei, sie hatten ihn gar nicht im Visier. "Das Schild gilt auch für Sie!", ruft der Mann. Schuldbewusst steigen die uniformierten Verkehrsrowdys ab - und entschuldigen sich beim selbst ernannten Ordnungshüter.

Titus Arnu

SZ vom 29. Juli 2016

Rechtsstreit ums Pinkeln im Stehen in nächster Instanz

Quelle: dpa

3 / 28

Mitten in ... Neufchâtel-en-Bray

Eine Kleinstadt in der Normandie, der Wirt des Café du Centre hat offenbar nicht nur gute Erfahrungen mit seinen Gästen gemacht; zumindest nicht mit jenen, die die Toilette besuchen. Es gebe seit Neuestem eine Tendenz, nicht in, sondern neben das Pissoir zu urinieren, steht auf dem Merkblatt, das er übers Pissoir geklebt hat. Deshalb: "Falls Sie protzig sind, treten Sie lieber einen Schritt vor. Der Abstand ist viel kürzer, als Sie denken. - Falls Sie zerstreut sind: Um zu vermeiden, dass Sie auf Ihre Hose pinkeln, knöpfen Sie Ihren Hosenlatz und nicht Ihre Weste auf. - Falls Sie zu klein sind: Nehmen Sie einen Schemel anstatt zu springen." Schwierig genug, sich zu konzentrieren, bei solch einer Lektüre. Es folgt der letzte Tipp, der Wirt hat ihn in Fettbuchstaben geschrieben: "Vermeiden Sie, diese Anweisung während des Pinkelns zu lesen."

Detlef Esslinger

SZ vom 29. Juli 2016

Tageszeitungen

Quelle: dpa

4 / 28

Mitten in ... Madrid

Die nette Dame mit dem grauen Dutt und dem müden Grauhaardackel hat etwas für deutsche Kultur übrig: Aus ihrer Wohnung im ersten Stock ertönt gelegentlich das Vorspiel zu Wagners "Rheingold" oder "Isoldes Liebestod". Auch fährt sie einen älteren VW Golf. Neulich fragte sie im Treppenhaus, ob sie nicht, wenn ich sie ausgelesen hätte, ein paar von den deutschen Zeitungen bekommen könnte, die der Briefträger immer am Treppenabsatz ablegt, weil sie nicht in den Briefkasten passen. Aber selbstverständlich. "Eure Zeitungen sind nämlich die besten", sagt sie. Selbstverständlich, nicke ich erfreut. Wie immer fängt sie von ihrem Perrito an, dem Hundchen. Der sei ja schon alt, mit dem Gassigehen klappe es nicht immer. "Aber dieses deutsche Papier", strahlt sie. "Es saugt einfach alles auf, ohne Flecken aus Druckerschwärze zu machen."

Thomas Urban

SZ vom 29. Juli 2016

Aida Kreuzfahrt Mittelmeer Neapel Italien

Quelle: imago/Waldmüller

5 / 28

Mitten in ... Neapel

"Neapel sehen und sterben", schmachteten einst die Nordländer nach dieser Hafenstadt des Südens, wegen ihrer Baukunst, des brodelnden Straßenlebens und der spektakulären Landschaft zwischen Mittelmeer und Vesuv. Wer Neapel gesehen hat, hat alles gesehen und kann getrost von dannen gehen, drückt der Spruch aus. Neapel sehen und sterben, seufzen wir diesmal aber aus anderem Grund. Das Thermometer warnt vor 36 Grad, die Sonne knallt auf das schwarze Lavapflaster, und der feuchte Wind vom Meer wirkt in den "Spanischen Vierteln" wie ein Saunaaufguss. Es ist Zeit für Lichtschutzfaktor 50 und für ein Eis. Der Pensionswirt erklärt den Weg zur Bar. Wir biegen um einige Ecken - und stehen nicht vor einer Eisdiele, sondern vor einem Bräunungszentrum. "Inferno Giallo", steht ehrlicher Weise darüber, "Gelbe Hölle".

Stefan Ulrich

SZ vom 22. Juli 2016

Tourismus in Berlin

Quelle: picture alliance / dpa

6 / 28

Mitten in ... Berlin

Die meisten Touristen, die nach Berlin kommen, finden die Stadt toll und würden am liebsten bleiben. Oder zumindest durchfeiern, drei Nächte wach. Die Touristenfamilie in der S-Bahn gehört nicht dazu. Der Vater blättert lustlos in einem Reiseführer, die Mutter sieht genervt aus dem Fenster, und der pubertierende Sohn wirkt ohnehin, als sei großes Unglück über ihn hereingebrochen. Noch mehr schlechte Laune, als die Bahn stehen bleibt und alle rausmüssen. Nichts fährt mehr, man hört nur plärrende Lautsprecherdurchsagen. Als gute Einheimische erklärt man den Touristen, was der Grund dafür ist: Auf der Strecke wird gerade eine Weltkriegsbombe entschärft. Das Gesicht des Vaters hellt sich auf. Berlin, was für eine Stadt, sagt er. "So very authentic." Und auch der pubertierende Sohn scheint zum ersten Mal seit Langem zu lächeln.

Verena Mayer

SZ vom 22. Juli 2016

-

Quelle: imago stock&people

7 / 28

Mitten in ... Versam

Wohin die Reise geht, lässt die Reaktion der Schweizer Freunde in Zürich ahnen. Safiental? Keine Ahnung, nie gehört, entschuldige, aber: Wo ist dieses Tal? In Graubünden, sagt Wikipedia, es liege nord-südlich von der Einmündung eines Nebenflusses des Rheins: der Rabiusa. Auch nie gehört, sagen die Freunde. Zwei Stunden später bahnt sich das Postauto hupend einen Weg durch die Serpentinen, jedes Kind wird mit Namen und Tatütata begrüßt. Zwischendurch hält der Fahrer, weil die Kinder Süßigkeiten kaufen wollen. Das Postauto hat mittlerweile 20 Minuten Verspätung, der Fahrer ermahnt die Gäste: "Keine Eile. Wir sind im Safien." Als eine Baustelle den Weg versperrt, steigt der Fahrer aus, ein Küchenmesser in der Hand. Was jetzt wieder ist? Er gehe "pilzeln" erklärt er. Pilze sammeln. Uns wundert jetzt gar nichts mehr.

Charlotte Theile

SZ vom 22. Juli 2016

-

Quelle: AFP

8 / 28

Mitten in ... Pullach

Die Idee der friedlichen Koexistenz hat eine Chance verdient. Tofuschnitzelesser und Schweinswürstlgriller, Kampfhunde und Raubkatzen, Radfahrer und Fußgänger - sie könnten sich doch alle mal gern haben, auch kreuzweise. Doch als ich auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad eine Fußgängerin mit Hund überhole, schreit sie mich von der Seite an: "Wir dürfen auch hier laufen!" Was habe ich ihr getan? Abbremsen, zurückfahren, Gegenfrage: "Sie dürfen von mir aus gerne hier laufen, wo ist das Problem?"- "Sie schauen so böse." Zugegeben, um ins 27 Kilometer entfernte Büro zu kommen, muss ich viel in die Pedale treten, das ist anstrengend. Aber muss ich mich für mein Gesicht rechtfertigen? Nachdem ich mich dafür entschuldigt habe, wie furchtbar ich aussehe, lachen wir beide und wünschen uns einen schönen Tag. Peace & Harmony!

Titus Arnu

SZ vom 22. Juli 2016

Das E-Bike - Gefahr für die Berge

Quelle: Karl-Josef Hildenbrand/ dpa

9 / 28

Mitten in ... Torbole

Torbole am Gardasee ist so etwas wie eine Erstaufnahmeeinrichtung für mittelalte Männer in Funktionswäsche. Hier kommen die Radlrudel an, die über die Alpen schwitzen. Zum Zielritual gehört ein Triumphbier und ein Foto am See. Auch diese Gruppe hat sich in der Abenddämmerung am Ufer versammelt. Ein mittelalter Mann bietet an, ein Foto von den Rennradlern zu machen. Also, Bierflaschen hoch und entschlossen in die Kamera blicken. "Wo seid ihr heute losgefahren?", erkundigt sich der Fotograf. Endlich fragt er, die Gruppe seufzt fast erleichtert. "In München", antworten drei Radler. "In München?" fragt der Fotograf nach. "Ja, ja, heute morgen um halb drei sind wir los", lautet der klägliche Versuch einer beiläufigen Antwort, der bedeutet: Wir wollen bewundert werden, wofür haben wir uns die Quälerei denn angetan.

Sebastian Herrmann

SZ vom 15. Juli 2016

Artikel mit Che Guevara-Konterfei

Quelle: dpa

10 / 28

Mitten in ... Berlin

In Kreuzberg wird wieder gegen die Gentrifizierung demonstriert. Jüngster Fall: ein Laden für "Revolutionsbedarf", der Berlins autonome Szene seit 30 Jahren mit Gasmasken, Trillerpfeifen, Antifa-Broschüren und Che-Guevara-Shirts versorgt. Doch jetzt hängt ein riesiges Plakat im Schaufenster, auf dem steht: "Diesem Laden droht die Zwangsräumung." Das Haus wurde verkauft, der neue Eigentümer ist aus Amerika und hat dem Revolutionsbedarf gekündigt. Etliche Dutzend Leute sitzen auf der Straße, pfeifen und singen Protestlieder. Aus dem Laden tritt indessen ein junger Mann, der gerade Pfefferspray gekauft hat. Freimütig erzählt er, dass er letztens ein Auto "abgefackelt" habe, "und da ist jetzt Vorsicht besser als Nachsicht." Man verlässt den Bezirk mit dem dumpfen Gefühl, dass Kreuzberger Nächte bald wieder lang sein könnten.

Verena Mayer

SZ vom 15. Juli 2016

-

Quelle: imago stock&people

11 / 28

Mitten in ... Thessaloniki

Parkplatzsuche im Zentrum: enge Straßen, auf beiden Seiten stehen Autos, keine Chance. Irgendwann muss das Gefährt einfach stehen bleiben, am Ende einer Einbahnstraße namens Platonos, neben der Agios-Dimitrios-Kirche. Ganz leicht zu finden, simst man dem Mann von der Vermietungsfirma. Er will es am Abend abholen. Stattdessen ruft er um halb zehn im Hotelzimmer an. "Ich finde das Auto nicht. Können Sie mitkommen und helfen?" Kurz darauf steht man zusammen in der Platonos-Straße, vor der Agios-Dimitrios-Kirche. Nur sieht hier alles ganz anders aus als vorhin. Kein Auto, nirgends. Man fährt dreimal um die Kirche herum, beginnt an der eigenen geistigen Gesundheit zu zweifeln. Am Ende bringt Google Maps die Rettung. Thessaloniki hat beides zweimal, Kirche und Straße. In zwei benachbarten Stadtvierteln.

Kathleen Hildebrand

SZ vom 15. Juli 2016

A sloth holds on to the post of a traffic barrier on a highway in this handout photo provided by Ecuador's Transit Commission in Quevedo

Quelle: REUTERS

12 / 28

Mitten in ... München

Das Referat über Faultiere für die Grundschule steht an. Dabei soll aber bitte nicht Google helfen, sondern total undigital das dicke Lexikon. Großes Staunen, wie viel über die Gattung Choloepus da drinsteht. Dann mit dem Rad zum Zoo, eine Stunde vor Torschluss, das Faultier in echt angucken. Die Dame an der Kasse verortet es irgendwo in der Mitte des Zoos - doch es ist nicht zu finden. In keinem Gehege, in keinem Dschungelhaus. Wo kann es nur sein? Kurze Verschnaufpause auf einer Bank im Nashornhaus. Es hilft alles nichts, die guten Vorsätze müssen über Bord. Also mal kurz im Handy googeln: "Wo leben Faultiere in Hellabrunn?" Die Antwort: In einem Baum im Nashornhaus. Ein Blick nach oben, da hängt das Paar und pennt. Tatsächlich! Wir saßen direkt drunter. Aber nur mit Googles Hilfe haben wir es gemerkt.

Ulrike Heidenreich

SZ vom 15. Juli 2016

-

Quelle: SZ

13 / 28

Mitten in ... München

Es läuft ein Spiel der Deutschen bei der EM, die Stimmung ist angespannt. Auch der Wirt der vollen Stammkneipe ist nervlich nicht mehr auf der Höhe. Da zwitschert die Bedienung: Einmal Käsespätzle für den Frahahanz! Der Wirt blickt zur Leinwand, dann dreht er sich ruckartig um und macht einen Schritt Richtung Küche. Dann brüllt er: "Der Franz geht mir auf den Keks mit seiner Fresserei! Muss der die ganze Zeit fressen? Was denkt der sich denn? Als hätte ich nichts anderes zu tun, als dem Franz Essen zu machen!" Dann schaut er wütend in den Gastraum. "Das kann er vergessen, der Franz! Der kriegt jetzt nichts! Ja, kann ich denn noch nicht mal in Ruhe das Spiel sehen!" Stille. Die Deutschen spielen weiter. Die Gäste starren auf die Leinwand und trinken Bier. Keiner rührt sich. "Immer der Franz!", brüllt der Wirt. Dann geht er in die Küche.

Harald Hordych

SZ vom 8. Juli 2016

-

Quelle: Kenzo Tribouillard/AFP

14 / 28

Mitten in ... Paris

Ach Paris, es war wunderbar mit dir. Dieser Anflug von Sommer, dieser Apéro im 11. Arrondissement, dieser bunte EM-Eiffelturm. Jetzt aber: Flughafen Orly, Sonntagabendtraurigkeit, alle wollen nach Hause. Kommen sie aber nicht. Nach drei Stunden Wartezeit das Inferno des effektiven Europäers: Der Flug verspätet sich, um 17 Stunden. Erste Phase: Wut. "Ich habe morgen meinen ersten Arbeitstag!" "Uns stehen Gratisgetränke zu!" "Wir sind hier nicht in Indien!" Im Airport-Hotel dann Phase zwei: Dosenbier-Depression auf weißen Bettlaken. Am nächsten Tag Phase drei: Akzeptanz. Man kennt sich nun am Gate, plaudert. "Ich war noch eine Nacht bei meiner Freundin." "Das Essen im Airport-Hotel war immerhin gratis." "Jetzt kann ich endlich mal meine Überstunden abfeiern." Ach, Billigflüge sind schon was Wunderbares.

Friederike Zoe Grasshoff​

SZ vom 8. Juli 2016

Last day of The Floating Piers

Quelle: dpa

15 / 28

Mitten in ... Monte Isola

Auf der Monte Isola, wohin sich sonst kaum Touristen verirren, wälzen sich Menschenmassen berauscht von Christos Installation durch die Gassen. Mit dem Gewitter kippt die Stimmung rund um die Floating Piers: Die Stege werden geräumt. "Wenigstens wird die Entenscheiße weggespült", sagt eine Security-Frau. Doch wer sich jetzt noch auf der Insel befindet, sitzt im Regen fest. Ein paar Glückliche flüchten sich in ein Restaurant und beobachten, wie der Sturm den Stoff über den Stegen aufbläst. Christo und seine Crew fahren im Boot die Stege entlang, reparieren den Schaden. Dann steuern sie das Ufer an, steigen aus und - kommen direkt ins Restaurant. Das ganze Lokal feiert: stehender Applaus, Handykameras klicken, "Grazie!", "Thank you!", Kellner rücken Tische zurecht. Der Maestro, so hungrig, so nah. Wie gut, dass es regnet.

Tatjana Krieger​

SZ vom 8. Juli 2016

-

Quelle: Thomas Hahn

16 / 28

Mitten in ... Greifswald

Ein Laternenpfahl in Greifswald. Ein Hilferuf in DIN A4. Eine Suchmeldung mit Bild und Ausrufezeichen. Das Papier ist mit Klebeband befestigt und schon etwas vergilbt. Es hängt da seit Ende Mai, wie man dem Text entnehmen kann. Der Text wiederum erzählt eine Geschichte von Tränen und Verlust. Eine Unaufmerksamkeit auf der Strecke zwischen Löffler-Straße und Europakreuzung hat offenbar gereicht, um eine Lücke in ein Leben zu reißen. Die Worte gehen ans Herz, auch wenn man den Absender nicht kennt und wohl nie kennen lernen wird, denn die Telefonnummern, die man von dem Papier abreißen konnte, sind alle weg. Immerhin, das macht Hoffnung, dass die Geschichte gut ausgegangen ist. Der Hilferuf bleibt trotzdem hängen, wenn man an dem Laternenpfahl vorbeigegangen ist. "Puppe verloren! 50,00 Euro Finderlohn!!!"

Thomas Hahn​

SZ vom 8. Juli 2016

Waschsalon in Paris, 1955

Quelle: UNITED PRESS

17 / 28

Mitten in ... Stuttgart

Sie hat ein kleines Pflaster auf dem Handrücken. Da wird man ja mal unverbindlich nachfragen können. "Haben Sie sich wehgetan?" Wir kennen uns seit zwei Jahren, ohne je ein persönliches Wort gewechselt zu haben. Sie stammt aus Vietnam. Sie ist Chefin der Reinigung, in der ich meine Hemden abgebe. Eins-a-Service. Sogar mein Nachname steht mittlerweile fehlerfrei auf dem Abholzettel. Und nun dieses Pflaster. Ein Unfall? Sie atmet tief ein. Seufzt. "Infusion", sagt sie. "Magenspiegelung." Die ersten Tränen fließen. Sie rackere sich zu Tode, aber die Kunden: fürchterlich. Vor allem diese Schwäbinnen: meckern, meckern, meckern. Ihr Magen halte das einfach nicht mehr aus. Noch mehr Tränen. Also, liebe Schwäbinnen, hier eine klare Ansage: Reißt Euch am Riemen in der Reinigung - vor allem, wenn die Chefin aus Vietnam stammt!

Josef Kelnberger

SZ vom 1. Juli 2016

-

Quelle: SZ

18 / 28

Mitten in ... Poznan

Touristisch gesehen befindet sich Poznan in einer goldenen Phase, es gibt gute und günstige Gastronomie, aber keine Engländer, die das Trottoir vollkotzen. Auf selbiges ist man durchaus angewiesen, bauchgefühlte sieben Taxis teilen sich das erweiterte Zentrum. In respektvoller Anerkennung dieser Eigenheit erhält Stefan beim Sonntagsfrühstück den Auftrag, zwei Wagen für die Gruppe zu organisieren. Er geht sogleich zum Tresen des Café Lavenda, kurzer Schnack mit der Chefin, Lächeln. Stefan kommt zurück, der Zug kommt bald, also Junge, wird das was? Two cabs, klaro, kommen sofort! Noch eine Gabel Rührei, ein Löffel Milchschaum, so langsam müssten wir aber, oder? Die Chefin nickt freundlich, gleich, Freunde, gleich, und als es fast zu spät ist, steht sie schließlich strahlend am Tisch - in ihren Händen zwei makellose Keramiktassen.

Cornelius Pollmer

SZ vom 1. Juli 2016

Iran Oil and Gas International Exhibition

Quelle: dpa

19 / 28

Mitten in ... Teheran

Im quirligen Leben von Teheran fallen sie immer wieder auf, die jungen Frauen mit schicken Kopftüchern und sehr eleganten Oberteilen zu passenden Leggins. Manche tragen ein Pflaster auf der Nase, ein sichtbares Zeichen, dass sie reich genug sind, um ihre Nase dem Schönheitsideal anzupassen. Manchmal ist es auch nur ein Fake, erinnert an die Schönheitspflästerchen der Adeligen im 17./18. Jahrhundert. Doch als uns der Reiseleiter über den neuesten Schönheitstrend aufklärt - Iran ist das Zentrum für plastische Chirurgie im Orient - glaubten wir, ein Märchen zu hören. Neue Öhrchen? Im Farah-Diba-Palast, jetzt ein Museum, entdecken wir es, das Elfenöhrchen. Unter dem geschickt drapierten Kopftuch einer Besucherin erscheint ein zierliches Ohr mit einer künstlich modellierten Spitze. Absurd oder geheimnisvoll?

Roswitha Budeus-Budde

SZ vom 1. Juli 2016

Anschieben eines "Lloyd", 1954

Quelle: PFEIFFER, GERD

20 / 28

Mitten in ... Ibiza

Die beiden Einheimischen, die an uns vorbeigehen, erfassen die Situation sofort: Wir stecken fest. Von allen Parkreihen am Strand im Norden der Insel haben wir uns die mit dem tiefsten Sand ausgesucht. Jetzt, nach einem herrlichen Badetag, wollen wir zurück in die Unterkunft. Allein: Unser Mietauto spielt nicht mit. Einer der Spanier übernimmt das Kommando: Er dirigiert uns nach vorne, auf die Motorhaube, weil das Auto ja einen Frontantrieb habe. Danach empfiehlt er uns, den Wagen von unten anzuheben, woraufhin wir wie wild an der Stoßstange zerren. Schließlich geht er selbst ans Steuer und lässt uns von hinten anschieben. Mit vereinten Kräften bugsieren wir das Auto zu viert aus dem Sand. Wir sind erleichtert, wundern uns aber, warum die Hinterreifen so erkennbar blockiert haben. Ach so, die Handbremse war gezogen.

Florian Kaindl

SZ vom 1. Juli 2016

S-Bahn München

Quelle: dpa

21 / 28

Mitten in ... München

Die bayerische Provinz hat dieses Paar offenbar in die Münchner S-Bahn geworfen, vorbereitet auf die Fahrt ist es nicht. Der Mann - in Tracht und mit einer Kuhglocke am Handgelenk - und seine mitreisende Dame haben keine Fahrkarte. Unsicher und sehr laut denkend schaut er auf den Streckenplan, fragt die Umsitzenden, ob sich ein Ticket noch lohne bis zum Hauptbahnhof. Ein kerniger Mann sagt: "Des kostet euch 120 Euro, wenn's erwischt werds." Er empfiehlt: in Trudering aussteigen, ein Ticket kaufen und dann weiter mit der U-Bahn. Das Paar bleibt unsicher, hakt nach, ob denn oft kontrolliert werde. Ja, sagen andere Passagiere: Oft. Der kernige Mann sagt nix, schüttelt den Kopf. Als das Paar unter dem Gebimmel der Kuhglocke aussteigt, grummelt er: "Wenn i ned grad Urlaub hätt, hättn's die 120 Euro glei zoin miassn."

Frank Nienhuysen

SZ vom 24. Juni 2016

-

Quelle: AP

22 / 28

Mitten in ... Keflavík

Die Fußball-EM ist schon am ersten Tag historisch für Island: Die "Strákarnir okkar", unsere Jungs, ringen im ersten EM-Spiel ihrer Geschichte Portugal ein 1:1 ab, gegen Rrrronall-ttó, wie er hier ausgesprochen wird. Das Land taumelt, Áfram Ísland, Island vor, der TV-Kommentator - bei jedem Ballkontakt dem Herzkasper nahe - kann nach 90 Minuten nur noch krächzen. Die Bestellung im Pub wird über den Tresen geröchelt; als der Ausgleichstreffer zum siebten Mal wiederholt wird, macht die Menge "Uuuuuuh!". Im Hinterhof spielen sie bald darauf aufgekratzt Beachvolleyball, in Shorts und Unterhemden. Die Mitternachtssonne scheint, die deutschen Besucher sitzen im wärmenden Fleece in der zwölf Grad kalten Luft. Dreht sich eine Frau mit Sonnenbrille um und ruft: "Isn't it amazing, the summer heat?" Sommermärchen auf Island.

Annette Zoch

SZ vom 24. Juni 2016

Eltern

Quelle: dpa

23 / 28

Mitten in ... Zürich

Ein sonniger Tag an der Limmat, das erste Badewetter des Sommers. Fünf Jungs mit Balkan-Akzent im Schweizerdeutsch diskutieren über Frauen. "Ich sag's dir, Alter, ob du's glaubst oder nicht, die schönsten Frauen sind Mutter." Heftiger Widerspruch. "Du glaubst mir nicht? Ich kann's beweisen." Er zieht ein Shirt über, stellt sich an den Fußgängerweg und schaut herausfordernd. Zwei, drei Frauen lässt er vorbeilaufen, dann aber traut er sich. "Ey Schönheit! Bist du Mutter?" Die erste fängt an zu lachen und geht kopfschüttelnd weiter, die zweite nickt, fünfjährige Tochter. Auch die dritte Frau lacht und nickt, sie hole gerade ihre beiden Kinder aus der Betreuung ab. Die Jungs schnalzen beeindruckt mit der Zunge. Theorie bewiesen, die Diskussion aber geht weiter. "Ist doch auch voll der gute Anmachspruch, gleich fragen: Bist du Mutter. Oder?"

Charlotte Theile

SZ vom 24. Juni 2016

-

Quelle: SZ

24 / 28

Mitten in ... Kairo

Kleingeld ist ein knappes Gut in Kairo, davor warnt selbst der Reiseführer. Es gibt 1 Pfund (umgerechnet zehn Euro-Cent), 50 und 25 Piaster jeweils als Münzen, die aber werden wohl von einem schwarzen Loch geschluckt. Im Supermarkt bleibt der Kassierer schon mal mit entwaffnendem Lächeln ein paar Piaster schuldig, der Gemüsehändler verrechnet sie beim nächsten Einkauf, und Taxifahrer können nie herausgeben - vor allem wenn der Fahrgast Ausländer ist. Doch jetzt hat die Regierung Abhilfe geschaffen: Es gibt neue Scheine, einen grünen, der 50 Piaster wert ist, und einen blauen, 25 Piaster. 2,5 Cent also. Auch die Ein-Pfund-Note, der man nur noch auf dem Land begegnete, hat die Zentralbank neu aufgelegt. Der Supermarktkassierer gibt nun also freudestrahlend heraus: 4,25 Pfund Restgeld - in einem Stapel von 17 Scheinen.

Paul-Anton Krüger

SZ vom 24. Juni 2016

Funken mit Köpfchen: WLAN-Netze sicher teilen

Quelle: dpa-tmn

25 / 28

Mitten in ... Le Mans

Anarchie! 60 mäßig junge Menschen treffen sich auf einem verlassenen Grundstück im französischen Le Mans; ein Wochenende kein Handynetz, dafür Livemusik mit Kontrabass und Geige. Die Deutschen und die Franzosen, sie verstehen sich: trinken Wein zum Frühstück, diskutieren über Brexit und EU, knutschen auf der Tanzfläche. Ja, gibt es was Schöneres? Ja, gibt es: in diesem wahrgewordenen Woodstock-Kinderbuch ein Zweibettzimmer zu bewohnen. Es ist das Zentrum der Macht, also: das Zimmer mit dem Wlan-Router. Türklopfen; der Gastgeber bittet, das Passwort nicht allzu vielen zu verraten, sonst bricht die Übertragung auf die EM-Leinwand zusammen. Und dann - hört es zwei Tage nicht auf zu klopfen; nur einen Zug buchen, nur diesen Song runterladen, bitte bitte, s'il vous plaît! Anarchie? Monarchie!

Friederike Zoe Grasshoff

SZ vom 17. Juni 2016

Office Workers In The Business District As Confidence Slides Over China Slowdown

Quelle: Bloomberg

26 / 28

Mitten in ... Hamburg

Es war ein langer Tag, und der Krawattenknoten sitzt schon schief, aber der Ärger im Büro nimmt kein Ende. Der Vater am Flughafen Fuhlsbüttel in Hamburg telefoniert am Abfluggate schon seit einer Stunde zu laut mit seinen Angestellten, die "clients" erwarten mehr, zu wenig "direct response", allgemein ist das "zu langsam, das ist nicht okay mit mir, no way". Plötzlich unterbricht er sein berufliches Telefonat, "sorry, incoming call", und hat offenbar sein Kind am Ohr. Noch mehr Ärger, eine schlechte Schulnote. Der Vater wird leiser, hört zu, nickt, stöhnt leise, warum machen alle immer nur Stress? Schließlich richtet er sich auf. Immer noch ganz der Problemlöser aus der Arbeitswelt, weiß er natürlich auch im Privatleben, was zu tun ist. "Es hilft nichts", sagt er seinem Kind, "du musst dich jetzt auf eine Timeline fürs Lernen committen."

Michael Ebert

SZ vom 17. Juni 2016

Bruck: Bibliothek Aumühle / Ausstellung + Modell Abenteuerspielplatz (ASP)

Quelle: SZ

27 / 28

Mitten in ... Rom

Die Römer neigen dazu, laut und derb zu reden. Und alles radikal abzukürzen - ganze Silben, die Grundformen der Verben, die Vornamen. Bei den Namen ist die Radikalität am größten, eine wahre Metzgerei. Zum Beispiel unter Vätern von Fußballersöhnen im Stadion "Campo Roma", Stadtteil San Giovanni. Sergio ist Se, Fabio nur Fa, Paolo ist Pa, Sandro Sa. Geht schneller. Oliver, übrigens, ist O. "Oh, O!" steht für: "Oliver, da bist du ja!" Nur Angelo bleibt Angelo, immer. Wäre ja auch ein Frevel, wenn ein Engel, ein Angelo, gestutzt würde. Angelo ist aber eben auch der Vater des Mittelstürmers. Der ist zwei Meter groß, ein Turm da vorne, eine Garantie, 14 Tore allein in der Rückrunde der Meisterschaft. Man konnte auch schon hören, wie der Vater "Signor Angelo" genannt wurde, Herr Angelo. Im Sommer trainieren wir den Torschuss, in famiglia.

Oliver Meiler

SZ vom 17. Juni 2016

File photo illustration of Swiss franc currency in a cash drawer in Bern

Quelle: REUTERS

28 / 28

Mitten in ... Zürich

Ein traditionsreiches Caféhaus, unweit der teuren Bahnhofstraße. Heller Steinboden, ein langer Tresen aus dunklem Holz, dahinter wandhohe Spiegel. Unter der Decke ein Art-Déco-Leuchter. Das "La Stanza" ist ein wunderbarer Ort für eine Kaffeepause. Ob denn auch Euros akzeptiert werden, fragt der Tages-Reisende. "Ja, eins zu eins", antwortet der Barmann, also ein Franken für einen Euro. Okay, der Wechselkurs ist gerade eins zu 1,1. Also einen Cappuccino, bitte. "Gerne, das macht fünf Franken." Ein 20-Euro-Schein wechselt den Besitzer. Das Rückgeld besteht aus 15 Franken. Äh, könnten Sie auch Euro herausgeben? "Nein, leider nicht." Also habe ich gerade 20 Euro in Franken gewechselt? "Nun ja", sagt der Barmann, "Sie können auch vier Cappuccinos dafür bekommen." In Finanzfragen macht den Schweizern eben niemand etwas vor.

Patrick Illinger

SZ vom 17. Juni 2016

© SZ/edi
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: