Mitten in ... Aschaffenburg
Nachts im ICE, kurz vor Aschaffenburg. "Wo fahren Sie hin?", fragt der Mann neben mir. Oh nein, bitte kein Smalltalk. Gut, mein Ziel hat nur eine Silbe: "Köln." "Köln?", bei ihm klingt das wie Mogadischu: Was für eine Stadt, die Silvesternacht, der Nordafrikaner an sich, der Flüchtling an sich, und bei der Zeitung arbeiten Sie? Die Medien, alle manipuliert - aber über all das darf man ja nicht reden, hier in Deutschland. Klingt fast wie die Hassmails, die ich manchmal kriege, also frage ich: Was ist manipuliert? Wovor hat er Angst? Er schimpft weiter: die Ausländer, die fahren zu schnell Auto, die wollen unser Geld ... Alles friert ein, alle schweigen, da ruft ein Mann - er hat türkische Wurzeln - durchs Abteil: "Sie hören jetzt sofort auf mit dem Unsinn, das hält doch kein Mensch aus!" Und dann: Stille, so laute Stille.
Friederike Zoe Grasshoff
SZ vom 20. Januar 2017