Mitten in Absurdistan:Kuriose Weltgeschichten

Eigentlich müsste der Mann in Bangkok die Überflutung furchtbar finden, er gibt sich auch jede Mühe. Doch er hat auch Grund zur Freude - ebenso wie der Taxifahrer in Buenos Aires, der den Passagieren an die Schuhe will.

Kurioses aus aller Welt.

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TOPSHOTS-RUSSIA-VOTE-POLITICS-PUTIN

Quelle: AFP

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Mitten in ... Moskau

Das fängt ja gut an. Eine Bekannte will in Moskau Russisch lernen und bekommt ein Lehrbuch mit folgendem Beginn: Lektion 1, Aufgabe 1. Das Foto eines bekannten Russen mit der Frage, "Wer ist das?" Daneben der Text: "Guten Tag. Ich heiße Wladimir Wladimirowitsch. Mein Nachname ist Putin. Ich bin Präsident. Ich habe eine einfache Arbeit: Ich sage einfach 'Ja' oder 'Nein'. Ich spreche Russisch, Deutsch und Englisch. Ich bin in St. Petersburg geboren, aber derzeit lebe und arbeite ich in Moskau. Ich habe an der Leningrader Universität studiert und mehrere Jahre in Deutschland gearbeitet. Ich liebe Sport: Judo und Ski fahren. Ich reise viel."

Es ist eine überarbeitete Ausgabe von 2009, als Putin schon ein Jahr lang nicht mehr Präsident war. Aber man muss nur warten. Im nächsten Frühjahr ist alles wieder richtig.

Frank Nienhuysen, SZ vom 29./30.10.2011

Sitzung des CSU-Vorstandes

Quelle: ddp

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Mitten in ... Berlin

Staatsoper Berlin, sanierungsbedingt derzeit nicht Unter den Linden, sondern im kleinen Schillertheater. Gleich beginnt die Vorstellung, jetzt rasch noch einen Weißwein im Foyer und - da schau her - frische Brezen gibt's. Ein Operngast aus Bayern, auf Käfer-Häppchen konditioniert, beißt freudig ins Laugengebäck. Doch dann, die Augäpfel treten ihm aus den Höhlen, Würggeräusche.

Vor sich hin schimpfend zerteilt er die Brezen und rauscht zurück zur Theke. "Sie, Fräulein, die Brezen ist innen flüssig, wohl ned ganz durchgebacken?" Die Bedienung verzieht keine Miene: "Das ist Butter, die wird bei uns eingespritzt." Sie zeigt auf das Gebäck in seinen Händen: "Sehen Sie, hier sind die Löcher."

Der Bayer murmelt eine Entschuldigung und schleicht zurück zu seinem Bistrotisch. Sein Gesichtsausdruck: unbezahlbar.

Jutta Czeguhn, SZ vom 29./30.10.2011

Bankautomaten in Argentinien

Quelle: DPA

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Mitten in ... Buenos Aires

Argentiniens Banken waren schon mal Pleite, zehn Jahre ist es her. Seitdem misstrauen sich Banker und Kunden. Dieser Kunde hier wollte nur eine banale Einzahlung auf ein fremdes Konto in Buenos Aires tätigen, aber so einfach geht das nicht. Erst zieht man eine Nummer, die dann irgendwann nach circa einer Stunde auf einem Bildschirm aufleuchtet. Dann dringt man zu einem Schalter vor, die Schalter sind mit Sichtschutz vom Publikum getrennt, damit niemand mitkriegt, was andere abheben oder wechseln.

Telefonieren oder mit dem Handy spielen ist verboten, um keine Diebe vor der Tür anrufen zu können, ein Wachmann weist darauf hin. Schließlich steht man an der Kasse, will das Geld loswerden. Die Bankfrau sagt: Machen Sie das am Automaten. Wie dumm, dass der Automat ausgerechnet an diesem Tag kaputt ist.

Peter Burghardt, SZ vom 29./30.10.2011

BAGEL

Quelle: DPA/DPAWEB

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Mitten in ... Mainz

Wir wollten nur Cappuccino und Gebäck, doch an diesem sonnigen Sonntagmorgen sind die Mainzer Cafés fest in der Hand der Brunch-Gäste. Im "Extrablatt" am Fasnachtsbrunnen ist schon an der Tür kein Durchkommen mehr, auch 100 Meter weiter: Alles besetzt. Aber an der Kunsthalle, da gibt es noch was. Zwei Plätze sind frei, Cappuccino gibt es ebenfalls - aber Gebäck wird nur im All-you-can-eat-Angebot verkauft, für 13,50 Euro.

Die leckeren Hefeschnecken vom Buffet ermutigen uns zu einem letzten Vorstoß, doch der Kellner bleibt stur: Brunch oder gar nichts, "das hat schon seinen Sinn", sagt er. Wir geben auf, warten auf den Kaffee, da kommt eine brunchende Frau vom Nachbartisch. Sie habe die Diskussion am Buffet mitbekommen. "Find ich kleinlich", sagt sie und stellt uns zwei herrliche Hefeschnecken auf den Tisch.

Wolfgang Janisch, SZ vom 29./30.10.2011

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Quelle: AFP

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Mitten in ... New York

Mitten im Central Park eiert eine Gruppe erwachsener Menschen auf Fahrrädern unsicher und planlos in sehr engen Kreisen über einen asphaltierten Platz. Zwischen ihnen steht ein Mann und intoniert pädagogisch-beruhigend sanfte Befehle und Ermunterungen. Die Menschen unter den Fahrradhelmen sind asiatische Touristen, und sie sitzen offenkundig zum ersten Mal in ihrem Leben auf einem Zweirad.

Sie rollen in einem derart langsamen Tempo um die aufgestellten Pylonen, dass selbst ein Zirkusartist Gleichgewichtsprobleme bekäme; einige sitzen gar auf Rädern, an denen die Pedalen abmontiert wurden, sie sehen aus wie Dreijährige auf Laufrädern. Es bleibt die Frage, warum diese Menschen ausgerechnet in New York Radfahren lernen wollen.

Wahrscheinlich ist wieder mal Frank Sinatra schuld, und sie denken sich: If I can make it there, I'll make it anywhere.

Judith Liere, SZ vom 22./23.10.2011

TOTO OTOHIME

Quelle: Geräusche auf Bestellung gibt es auch in Japan. AP

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Mitten in ... Seoul

Das Hotel-Klo macht neugierig. Tasten glänzen links neben der Brille, die Erklärung ist auf koreanisch. Wer die Brille anfasst, schrickt zurück. Sie ist so heiß, dass sie rot glühen müsste. Vermutlich ist das so, damit Koreaner immer einen warmen Hintern haben, auch im Winter. Jetzt siegt die Neugier: Die Tasten werden probiert.

Immer heißer glüht das Klo, plötzlich schießt ein Wasserstrahl empor. Doch öffentliche Toiletten in Korea können noch mehr. Zumindest die für Frauen. Vielerorts hängt in der Kabine ein Kästchen. Auf ihm steht "Etiquette Bell", zu deutsch: Anstandsglocke. Einmal drücken, und schon ertönen künstliche Spül-Geräusche.

Diese Erfindung sei von Wert, sagt ein Mitreisender. Koreanische Frauen würden häufig die echte Spülung drücken, um peinliche Geräusche zu übertönen. Das hat den Staat viel Wasser gekostet: Die Anstandsglocke hilft jetzt sparen.

Kristina Läsker, SZ vom 22./23.10.2011

Reineke Fuchs auf Nahrungssuche

Quelle: dpa

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Mitten in ... Berlin

Terror-Franz zum Beispiel, ein Waschbär. Klaut den Anwohnern an der Torstraße ständig Essen. Deshalb der Name. Etwa 20.000 Tierarten soll es in Berlin geben, so viele wie in keiner anderen Großstadt Europas, darunter auch freilaufende Waschbären und Füchse. Rundfahrt also mit Dirk Ehlert, Wildtierbeauftragter des Senats, in der Hoffnung, wilde Tiere zu sehen.

"Ich kann nichts garantieren", sagt er noch. Da hat er recht: kein Fuchs am Potsdamer Platz, nicht eine Wildsau am Grunewald. Aber dann: Notruf aus Wilhelmsruh! Geräusche auf einem Dachboden. Hingefahren, hinaufgestiegen: Kot!

Von einem Waschbär! Noch warm? Kalt. Das Tier ist weg. Ultraschall hilft, rät Ehlert noch, den Ton hassen die Tiere, dann kommen sie nicht wieder. Recherche gescheitert, Ehlert verabschiedet sich. Heimweg über den Schlossplatz in Mitte. Plötzlich läuft ein Fuchs über die Straße.

Florian Fuchs, SZ vom 22./23.10.2011

Pferde im Nebel

Quelle: ddp

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Mitten in ... Estella

Die zwei Männer sind die Helden des Abends. Es ist kurz nach acht in der Pilger-Bleibe im nordspanischen Estella, als Herbergsvater Roberto das gemeinsame Mahl und die Gespräche über Fußblasen und Bettwanzen unterbricht. Zwei ganz besondere Gäste seien eingetroffen, sagt er: Pilger zu Pferde!

Großes Hallo am Tisch. Die beiden Herren, schweigsame Spanier, werden ehrfürchtig beäugt. Unter den Jakobspilgern gibt es viele schräge Vögel. Aber reitende Wallfahrer? Nach dem Essen humpelt die Runde zum Parkplatz um die Ecke, um die dort stehenden Gäule zu bewundern. Dann der nächste Morgen. Es ist kurz vor sechs, als plötzlich das Licht anspringt. Zwei Polizisten stehen im Schlafsaal und brüllen herum.

Die Dame im Nachbarbett übersetzt stotternd: "Wem gehören die Tiere? Sie kriegen einen Strafzettel! Sie dürfen da nicht parken!" Der Weg der Sünder: Er ist steinig.

Marc Felix Serrao, SZ vom 22./23.10.2011

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Quelle: AP

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Mitten in ... Madrid

Die Bewohner Madrids sind in Sachen Lärmbelästigung durchaus hart im Nehmen, das Nachtleben findet ja besonders gern auf offener Straße statt. Freiluftbesäufnisse mitten in der Nacht sind normal, Staus mit Hupkonzerten um drei Uhr früh ebenso. Eine neue Form der Anrainer-Belustigung erfand nun die spanische Armee.

Sie hat am 12. Oktober, dem früher "Tag der Rasse" genannten Nationalfeiertag, einen großen Auftritt, Königshaus und Regierung nehmen zur Belustigung des Volks eine Militärparade ab. Und weil es offenbar nicht reicht, den Madrilenen mit den Tiefflügen der Kampfjets und Militärhubschrauber auf den Zeiger zu gehen, übte die Heeres-Kapelle nun Märsche und Lieder ein, mit reichlich Pauken, Schellen und Trompeten.

Mitten in der Innenstadt, ganz in Nähe der Fünf-Sterne-Hotels, um 1.40 Uhr in der Früh. Olé.

Javier Cáceres, SZ vom 15./16.10.2011

New security rules for hand luggage are displayed at the security check at Frankfurt airport

Quelle: Reuters

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Mitten in ... Keflavík

An der Sicherheitsschleuse des internationalen Flughafens von Island in Keflavík hängen die üblichen Schilder. Darauf werden die Fluggäste aufgeklärt, dass sie doch bitte darauf verzichten mögen, Flüssigkeiten mit ins Handgepäck zu nehmen. "No liquids" steht auf dem Schild, Symbole verdeutlichen das Verbot. "Warum?", fragt eine Frau aus Deutschland die Sicherheitsbeamtin, die ihr Gepäck kontrolliert. Ihr Ton ist genervt. Warum sie die Tetrapacks in ihrem Rucksack nicht mitnehmen dürfe, beschwert sie sich.

"You can't take liquids with you", antwortet die Frau in Uniform mit erstaunlicher Geduld und versucht die lästige Sache mit den Flüssigkeiten und dem Handgepäck zu erklären. Die deutsche Touristin lässt sich nicht beruhigen. Sie fühlt sich unverstanden: "This is no liquid", faucht sie, "das ist Apfelsaft."

Sebastian Herrmann, SZ vom 15./16.10.2011

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Quelle: SZ

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Mitten in ... Rom

Ein Sirren ist beim Bahnhof Termini zu hören. Neben parkenden Autos tritt da einer kräftig die Pedale eines aufgebockten Fahrrads - die mobile Werkbank eines Messerschleifers. Mit einem Extra-Kettensystem treibt Pietro den Wetzstein an. Er trägt eine Jacke der Müllabfuhr und nuschelt durch Zahnlücken im römischen Dialekt, dass das seit 21 Jahren sein Job sei. Nur noch ein paar Restaurants seien seine Kunden. 2,50 Euro pro Messer nimmt er.

Jeden Tag strampelt er zweieinhalb Stunden von jenseits des Autobahnrings in die Stadt. Ausgemergelt ist er, wirkt viel älter als 51. "Bekloppt bin ich", sagt Pietro mehr als einmal, trägt die Messer ins Lokal, putzt den Metallstaub vom Rad, hängt die andere Kette ein und tritt los.

"Es gibt ja günstige Schleifapparate", meint der Lokalbesitzer und schaut Pietro nach, "aber was soll's. Leben und leben lassen."

Andrea Bachstein, SZ vom 15./16.10.2011

Maria Callas, Giovambattista Meneghini

Quelle: Archivfoto: AP

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Mitten in ... Ebay

Früher dachte ich: Es rechnet sich, billige Klamotten zu kaufen. Falsch! Billige Klamotten trägt man, dann wirft man sie weg. Teure Klamotten hingegen trägt man - dann verkauft man sie bei Ebay weiter. Nehmen wir den ausrangierten Designer-Damenmantel von Peuterey. Oder Poiteroy? Oder Pøtørø? Moment, gerade trifft eine Anfrage von scharniggel54 ein: "Wie breit ist der Mantel genau unter die Achsel, wenn er zu ist, bitte?" Mmmh. Mal nachmessen.

Schon wieder eine Nachricht. "Meine Frau hat schon in sechs Tagen Geburtstag!", schreibt Krakowiak. "Machen wir Sofortpreis?" Orga_nella bittet um Lieferung nach Dänemark. Kolaaatsche fragt, wie oft wir "die Jacke" schon gewaschen haben und glashaus_nasel fragt: "Handelt es sich wirklich um ein Original?" 48 Anfragen später ist Pøtørø endlich weg. Fast zum Neupreis. Erstaunlich.

Martin Zips, 15./16.10.2011

Sie hat ihren Mantel noch ohne Ebay gefunden: Opernstar Maria Callas mit ihrem Mann Giovambattista Meneghini, 1959.

RUSSIA-WEDDING-FEATURE

Quelle: AFP

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Mitten in ... München

Ein Abend in einer dieser riesigen Tex-Mex-Hallen, in denen das Bier mit Zitrone darin in gläsernen Karaffen serviert wird, und jeden Abend drei Junggesellenabschiedsgruppen geschlossen auf die Tische steigen. Kurz nach Mitternacht, es wurde gerade vielstimmig "Happy birthday" gegrölt, greift der DJ zum Mikrofon und kündigt einen jungen Mann an, der einer jungen Frau etwas sagen möchte. Man ahnt natürlich, was kommt.

Schon dudeln sanft die ersten Töne von "I've had the time of my life", als besagter junger Mann, Mitte 20 und sichtlich nicht mehr ganz nüchtern, auf die Knie sinkt. Seine Freundin, noch etwas jünger und mit viel Make-up verziert, verliert ein paar Tränen, während sie "Ja" sagt. Der Zyniker in einem kämpft mit gemeinen Gedanken zum Thema Scheidungsrate. Da legt der DJ das nächste Lied auf. Es ist "I will survive".

Katharina Riehl, SZ vom 8./9.10.2011

Nano-Klebstoff ist klebriger als ein Geckofuß

Quelle: dpa

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Mitten in ... Kairo

Tiere bereichern das Leben des Menschen. Da ist der Kater, der schielt und kariös aus dem Maul müffelt, im Bett nächtigt bei alledem vorgibt, eine Seele von einem Haustier zu sein. Ein Rudel Geckos spaziert auf Saugnapf-Pfoten die Wände entlang, aus Glotzaugen nach unten äugend und die Stechmücken verschmähend.

Neuerdings ist eine Fledermaus dazu gekommen. Sie segelt abends durch die Balkontür und dann durch die Diele. Fehlt noch eine Natter im Bad. Das soll in Ägypten vorkommen. Vielleicht ziehe ich um in den Garten, wohne unter dem Mango-Baum. Dann haben der Kater, die Geckos und die Fledermaus mehr Platz und sind ungestört, bis die Natter kommt. Vielleicht freunden sie sich aber auch alle miteinander an. Ich störe jedenfalls keinen. Dafür fällt mir zum Frühstück eine reife Mango auf den Kopf.

Tomas Avenarius, SZ vom 8./9.10.2011

Spanish actor Antonio Banderas is kissed by fans on arrival to the Kursaal Center at the San Sebastian Film Festival

Quelle: Reuters

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Mitten in ... Augsburg

"Es gibt ja überhaupt keine Moral und kein Gesetz mehr", beginnt die eine, "die halten sich an nichts mehr." "Ja genau", fährt die andre fort, "Männer heiraten Männer, seit wann gibt's denn so was?" "Eine Schande ist das", fällt die dritte ein, "so was hat's doch früher nicht gegeben." Es handelt sich um ein bereits am hohen Vormittag einberufenes Kaffeekränzchen, das in der hellen Sonne des letzten heißen Herbsttages in einem atemlosen Staccato alles durchschnattert: die Schule, den Euro, die Merkel und die Moral, die es nicht mehr gibt und die, weil es sie nicht mehr gibt, schuld ist an der ganzen Misere.

"Der Südländer ist ja anders", wirft die erste ein, "der ist anders als wir, nicht so ernst und das Leben nimmt er viel leichter." Dann löst sich das Kränzchen schon wieder auf, weil eine der Damen ganz schnell in den Urlaub muss zum Südländer.

Willi Winkler, SZ vom 8./9.10.2011

Foto: Antonio Banderas, Schauspieler und Südländer, mit Damen.

Radcross: Philipp Walsleben vor DM

Quelle: dpa/dpaweb

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Mitten im ... Wallis

Die letzten 150 Höhenmeter bis zur Passhöhe des 2919 Meter hohen Col de Riedmatten sind extrem steil. Die Fahrräder liegen jetzt quer über der Schulter. Eine Hand stabilisiert das Rad, die andere ist frei, um sich an Felsen festzuhalten. Drei Schritte, stehenbleiben, keuchen, fluchen. Handelt es sich hier um das Abenteuer, das der Reiseführer für diese Etappe der Mountainbiketour vom Mont Blanc zum Lago Maggiore angekündigt hatte? Oder war die Schinderei über die Geröllhalden des Cheilongletschers schon der Höhepunkt?

Oben am Col de Riedmatten steht ein Bergsteiger mit Helm, Seil und Eispickel und schüttelt den Kopf: "Wozu Fahrräder?" Ja wozu eigentlich? Vielleicht um sie wieder ins Tal zu tragen? Der Weg bergab ist jedenfalls viel zu ausgesetzt, um zu fahren. Aber vielleicht wartet hier das versprochene Abenteuer.

Sebastian Herrmann, SZ vom 8./9.10.2011

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Quelle: AFP

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Mitten in ... London

Der Älteste ist zu einem Geburtstag eingeladen, den Geschenkkauf hat man bis zuletzt aufgeschoben. Kurz vor knapp also im Buchladen, Kinderabteilung. Und da, zwischen "Robin Hood" und "Aladin", blickt von einem Buchrücken: Adolf Hitler.

Ungläubig zieht man das Bändchen heraus. Vornedrauf nochmal Hitler. Die ersten Seiten beschreiben Adolfs Kindheit, den Tod der Mutter: "Adolf fühlte Tränen in seine Augen treten. Sein Vater war ein herrischer Grobian gewesen, aber seine Mutter war immer so nett und zart." Auf Seite 50 dann: "Nach einem Jahrzehnt des beharrlichen Kampfes war Adolf Hitlers Aufstieg zur Macht vollendet." Der Rest wird, fast verschämt, auf zwölf Seiten abgehandelt. So lernen's die kleinen Briten: Adolf - beinahe eine Erfolgsgeschichte. Als Geschenk kauft man doch lieber "Das ungeschickte Krokodil".

Alexander Menden, SZ vom 1./2./3.10.2011

Weihnachtsmann wirbt für Weihnachtsmarkt

Quelle: dpa

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Mitten in ... Berlin

Oktoberfest am Traumstrand vorm Hauptbahnhof in Berlin. Das muss man erst mal sacken lassen. Dass das Oktoberfest im September startet, dazu noch 600 Kilometer von München entfernt, daran hat man sich mittlerweile so gewöhnt wie an Strandliegen mitten in der Stadt - aber alles auf einmal mutet dann doch ein bisserl wolpertingerhaft und anachronistisch an. Nun gut.

Fünf Stationen weiter, im Einkaufsparadies im Ostbahnhof. Wieder grüßt das Oktoberfest, diesmal an einem Stand mit Wiesn-Andenken. Natürlich absurd, aber nach der Szenerie am Hauptbahnhof kann einen so schnell nix mehr schocken. Unbeeindruckt schwebt man die Rolltreppe hinab. Und wer kommt einem von unten entgegen?

Der Weihnachtsmann, in voller Montur. Kurzer Blickkontakt. Jaja, ich weiß, sagen seine Augen, man kann es auch übertreiben.

Martin Wittmann, SZ vom 1./2./3.10.2011

Erneut Streik bei kommunalen Nahverkehrsunternehmen

Quelle: dapd

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Mitten in ... München

Die U5 in Richtung Theresienwiese am Abend, es ist voll, und wie so oft beginnt die Party schon einige Stationen früher. Am Odeonsplatz steigen drei junge Männer in Tracht zu, fischen im Gedränge drei Flaschen Helles einer Oberland-Brauerei aus ihrer Tüte und stoßen an. Ein Passagier mustert sie und mischt sich dann ein: Man könne viel sagen gegen das Oktoberfest, findet er, übervolle Zelte, heftige Preise, Ausverkauf, Trachtenwahn. "Aber vorglühen", so schließt er seine kleine Rede, "braucht man für die Wiesn nun wirklich nicht."

"Du hast keine Ahnung", sagt einer der jungen Männer, "okay, drei Gründe: Es schmeckt besser, es geht schneller, und es ist viel billiger." Der Passagier denkt kurz nach und sagt: "Wenn das alle so machen würden",... "Was dann?", fragt der Biertrinker... "dann wäre die Wiesn vielleicht wieder ein schöneres Fest", sagt der Passagier.

Marten Rolff, SZ vom 1./2./3.10.2011

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Quelle: AP

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Mitten in ... Compton

In Compton unweit von Los Angeles sah es gerade noch nach einer ruhigen Nacht aus für Deputy Jordan, jetzt hält er eine blutige Zaunlatte in der Hand. Drei kleine Frauen tragen Varianten des Tathergangs vor, ihre atemlosen Halbsätze werden von beachtlich vielen Schimpfwörtern zerpflügt. Bald scheint klar, dass der traurige Koloss ein paar Meter weiter an allem schuld ist. "Ich war das nicht", schnauft er - und verstummt wieder.

Die Frauen plärren jetzt noch lauter, eine von ihnen bekommt einen Weinkrampf, die zweite hat eine Platzwunde, die dritte ein Kind auf dem Arm. Der Polizist greift sich die Furien zu Einzelgesprächen, schließlich führt er den Mann ab.

Beim Wegfahren schaut er in den Rückspiegel und sagt: "Ich glaube nicht, dass du es warst, aber du kommst heute trotzdem in den Knast. Dort bist du wenigstens sicher.

Cornelius Pollmer, SZ vom 24./25.9.2011

Modisches Wochenende

Quelle: dapd

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Mitten in ... Ulan Bator

Termin beim mongolischen Verteidigungsminister im Staatspalast. Die Wachen am Nordeingang prüfen Pässe und Garderobe. Verächtliche Blicke gleiten die Beine hinab: Bluejeans? Keine Chance! Der Assistent des Ministers beruhigt, die Kabinettssitzung sei ohnehin noch nicht beendet. In einem Geschäft um die Ecke könne man ein staatstaugliches Beinkleid kaufen.

Mit adäquater Hose unternimmt man einen zweiten Anlauf. Diesmal sind die Uniformierten gnädig, auch der Minister hat Zeit. Im Anschluss an das Interview warten mongolische Parlamentsjournalisten auf das verabredete Gespräch mit den Besuchern aus Deutschland. Doch es herrscht Sprachlosigkeit. Der Übersetzer fehlt, und er wird auch nicht mehr kommen.

Ein Telefonat klärt, warum: Ulan Bators grimmigste Türsteher kannten mal wieder kein Erbarmen. No Jeans!

Christoph Giesen, SZ vom 24./25.9.2011

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Quelle: Bavarian Beerhouse

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Mitten in ... London

Wäre man kleinlich, könnte man anmerken, dass zum Oktoberfest eine Festwiese mit Bierzelten gehört. Aber warum sollte man den Londonern den Spaß verderben, die das Oktoberfest im Bavarian Beerhouse begehen, einem holzvertäfelten Raum, der stilistisch zwischen Sauna und Hobbykeller changiert? Immerhin ist zur Eröffnung des Londoner Oktoberfestes ein Komiker erschienen, der das bereitgestellte 10-Liter-Fass mit einem Hämmerchen so gekonnt anzapft, dass eine Fontäne die Decke benetzt, wofür er mit Sprechchören gefeiert wird.

Golden fließt das Bier in die Krüge, dunkel steht der Schnaps in den Gläsern (wenn auch nur kurz), und bald erreichen die Engländer den Zustand, in dem sich auch über einem Keller im Londoner Osten ein weißblauer Himmel zu wölben scheint. Man muss sie sich als glückliche Menschen vorstellen.

Christian Zaschke, SZ vom 24./25.9.2011

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Quelle: oh

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Mitten in ... Istanbul

Geh nicht zu den Mauern, hat der Istanbuler Bekannte gesagt, wenn du Glück hast, nehmen sie dir nur das Geld ab. Wir waren dann doch da, bei den dreifachen Landmauern von Konstantinopel, wie Istanbul hieß, als es Hauptstadt von Byzanz war. 800 Jahre lang hat kein Eroberer das Bollwerk bezwungen, und es ist immer noch da. Ein großartiges Monument, auch wenn die Stadt Istanbul das anders sieht und die Mauern dem Verfall überlässt.

Sie laufen über Kilometer durch arme Viertel, verwilderte Grundstücke, entlang einer Schnellstraße; Obdachlose und Junkies hausen in den Festungstürmen. In den Gräben sind Kleingärtner am Werk. Sie zeigen ihre neugeborenen Katzen und palavern lebhaft. In einem Garten bekommen wir Tee.

Es ist eine wilde Seite der Stadt, aber wir sind froh, sie gesehen zu haben. Unser Geld haben wir auch noch.

Joachim Käppner, SZ vom 24./25.9.2011

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Quelle: oh

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Mitten in... Zermatt

Es ist acht Uhr am Morgen, als man den Rucksack absetzt und eine Denkpause einlegt. 500 Höhenmeter noch bis zum 4221 Meter hohen Gipfel des Zinalrothorns, Sichtweite in der Nebelsuppe: unter 20 Meter. Man ahnt, dass es wahrscheinlich unvernünftig, auf jeden Fall aber sehr, sehr freudlos wäre, jetzt weiterzugehen.

Andererseits: Wer bereits eine Nacht im Hüttenlager neben vier älteren Herren verbracht hat, deren Schnarchen an ein Motörhead-Intro erinnerte, der will hinterher wenigstens sagen können, es war für etwas gut.

An diesem Punkt der Überlegung macht es für den Bruchteil einer Sekunde plötzlich pffffft, dann schlägt drei Handbreit entfernt ein Stein mit ungeheurem Krachen in den Rucksack ein und rast weiter in die Tiefe. Es gibt Momente, da will man das Glück nicht strapazieren. Sechs Stunden später sind wir unten in Zermatt.

Tanja Rest, SZ vom 17./18.9.2011

Karpfen-Saison in Bayern

Quelle: dapd

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Mitten in ... Maxing

Der Mond blendet, es ist juliwarm. Normalerweise müssten heute Welse beißen in der Isen. Tun sie aber nicht. Da kann man sich schon mal abwenden und Apfelsaft aus der Tasche holen. Im Fluss macht es "Blubb". Seltsames Geräusch. Gleich nachschauen. Was ist das?! Die Angel - verschwunden. Weg!

Da treibt sie schräg übers Wasser, nein vielmehr wird sie abgeschleppt. Irgendwas zieht sie behende ans gegenüberliegende Ufer und dann flussaufwärts. Muss ein kapitaler Wels ein. Doch wie fängt man dicht am anderen Ufer mit der einen Angel die andere Angel, die ein Fisch geklaut hat?

Der 461.Wurf sitzt: Die Angel lässt sich bergen. Und dran hängt: ein Karpfen. Das verwegenste Tier zwischen Altötting und Ampfing.

Junge, schwimm weiter! Wenn du diese Nummer nochmal bringst, melden wir uns beim Zirkus an, ja?

Rudolf Neumaier, SZ vom 17./18.9.2011

Kaiserwetter am Karwendel

Quelle: picture-alliance/ dpa

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Mitten im ... Karwendel

Vor der Hütte ist ein roter Kreis auf den Boden gemalt, ein Meter Durchmesser. Ein Service für Wanderer in 1735 Metern Höhe: Nur dort gebe es Mobilfunkempfang, sagt der Wirt, sonst nirgends. Am Abend ist der Platz ständig besetzt. Wer zu spät kommt, stellt sich daneben und verflucht den Provider. Überhaupt, die Technik. Am Abend fällt der Strom aus. Der Wirt sei schon unterwegs, sagt die Kellnerin. Mit dem Jeep. Das dauere.

Erfahrene Wanderer beschwichtigen: Wer brauche hier schon Strom? Am nächsten Morgen berichtet der Wirt, die Waschmaschine sei häufig das Problem. Die modernen Geräte taugten halt nichts.

Dann wechselt er das Thema: Ob man von dem Hacker-Angriff gehört habe, den die Gruppe Anonymous auf Facebook plane? Verblüffte Gesichter. Jaaa, sagt der Mann. Das Internet, das sei auch sein liebstes Hobby.

Michael König, SZ 17./18.9.2011

Hausdurchsuchung bei Bruchpilot

Quelle: dapd

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Mitten in ... München

Mit dem Rad auf dem Weg zur Arbeit, spät dran. Auf der Prinzregentenstraße sieht man schon von weitem Blaulicht. Polizeiautos stehen vor einer Apotheke, Beamte sperren eine Seitenstraße ab. Mein Gott, was da wohl bloß passiert sein mag? Unfall? Überdosis? Pharma-Razzia? Raubüberfall? Feuer? Drogen? Beschaffungskriminalität? Risiken? Nebenwirkungen? So viele mögliche Horrorszenarien, so früh am Morgen.

Ein nicht uniformierter Mann hält die Radfahrer auf. Was passiert sei? "Hier wird gerade gedreht", sagt er stolz, "Aktenzeichen XY . . .". Man schaut ihn verständnislos an, hat man sich doch völlig unnötig Sorgen gemacht, und außerdem nervt die Warterei gewaltig. Der Mann sieht den ungläubigen Blick des Radfahrers, denkt aber offenbar, er habe sich bloß undeutlich ausgedrückt. Klärend fügt er hinzu: "Ungelöst".

Martin Wittmann, SZ vom 17./18.9.2011

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Quelle: AFP

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Mitten in ... Venedig

Unsereins kennt sowas seit der Schul-Mensa. Aber dass es Salma Hayek passieren könnte? Der Schauplatz: die Cipriani-Terrasse in Venedig. Steven Soderbergh, Matt Damon, Laurence Fishburne und ein paar andere Götter des Cool begießen am langen Tisch die Premiere ihres Films "Contagion". Salma steuert auf sie zu, ihren Gatten François-Henri Pinault an der Hand. Doch keiner macht Anstalten, ihr einen Platz anzubieten. Im Film würde die Mexikanerin nun eine Szene abliefern.

Doch sie macht leise auf den High Heels kehrt und setzt sich mit ihrem Milliardär an den Katzentisch. Einen Penny für den, der weiß, wie es so weit kommen konnte. Dann kommt der nächste Star: Owen Wilson, lässig mit Panamahut. Geht er zu den coolen Jungs? Nein, der nette Herr Wilson setzt sich brav zu Salma. So einen hätte man sich auch damals gewünscht, am Mensa-Tisch.

Susanne Hermanski, SZ vom 10./11.9.2011

Saunabottich

Quelle: iStockphoto

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Mitten in ... München

Eine Sauna ist immer ein heikler Ort. Neben Menschen, die aussehen, als wäre ihnen ihr Körper nicht völlig egal, trifft man dort eben auch die anderen. Wie an diesem verregneten Abend im September. Die Bänke sind gut gefüllt, man döst oder flüstert. Plötzlich fliegt die Tür auf und eine sehr kräftige Frau um die 60 kommt hereingepoltert. Kaum Platz genommen, öffnet sie ein mitgebrachtes Fläschchen und gießt sich eine stark riechende Flüssigkeit in die Hand.

"Öl!", ruft sie ungefragt in die Runde und reibt sich dabei mit kräftigen Bewegungen ein, angefangen mit den Innenseiten ihrer geöffneten Schenkel. 20, 30 Sekunden geht das so.

Dann nimmt ein älterer Herr seinen Mut zusammen und fragt: "Ist das etwa Speiseöl?" Die Dame lächelt ihn an. Ja, sagt sie und verteilt weiter ihr Öl mit Nuss-Aroma: "Das könnten Sie jetzt essen."

Marc Felix Serrao, SZ vom 10./11.9.2011

Fruehlingshaftes Frankfurt

Quelle: ddp

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Mitten in ... Frankfurt

Eine Plage ist diese Stadt für jeden, der eine Wohnung sucht. Genauer gesagt gibt es hier zwei Plagen: reiche Banker und gierige Immobilienmakler. Wie glücklich ist man da, als man nach langer Suche auf diese alte Frau trifft, bestimmt schon 70 Jahre alt. Ihr gehört ein Häuslein in Bornheim, und sie ist wohl der letzte Mensch in Frankfurt, der sowas noch selbst vermietet. "Ich hoffe, Sie sind kein Makler", sagt sie zur Begrüßung.

Wie sie denn darauf komme, fragt man zurück, schließlich stand in ihrer Zeitungsanzeige ausdrücklich: an privat. Die alte Frau lächelt. Drei Makler seien heute schon gekommen, einige hätten sich als Mieter angemeldet. "Ich hatte heute mehr Makler als Interessenten", klagt sie. Im Internet entdeckt man kurz darauf ihre Wohnung auf einem Webportal. Fotografiert von Makler André S. Sein Preis: 2,26 Monatsmieten Provision.

Marc Widmann, SZ vom 10./11.9.2011

(FILE PHOTO) BMW Cut 850 Jobs At Mini Car Factory In Oxford

Quelle: Getty Images

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Mitten in ... Changsha

Changsha ist eine dem Rest der Welt eher weniger geläufige Sieben-Millionen-Provinzstadt im Südwesten Chinas, wo es nicht immer leicht ist, ein passables Hotel zu finden. So freut man sich, zufällig das Design-Hotel Mini entdecken - ganz offensichtlich ein Konzepthotel, basierend auf der Automarke. In der Lobby steht ein blank geputzter Neuwagen, darüber prangt der doppeldeutige Spruch "MINI-Hotel is a trap...". In allen der hip-kreativen Zimmern finden sich Mini-Modelle.

Der Verdacht, dass es sich mit dem Marken-Hotel so verhalten könnte wie mit dem kürzlich entdeckten falschen Apple-Store in Kunming, beschleicht einen erst, als die Unterschiedlichkeit der Schriftzüge auffällt. Eine Internet-Suche bestätigt: Ein offizielles Mini-Hotel scheint es weder in Changsha noch sonstwo zu geben. Eine Falle also. Aber wenigstens eine ruhige.

Philipp Mattheis, SZ vom 10./11.9.2011

ENTERTAINMENT-US-FILM-BRITAIN-BANKSY

Quelle: AFP

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Mitten in ... Bibione

Reihe 2, Schirm 68. Heute ist wieder der Freund von der schönen Schweizerin vor uns da: Reihe 1, Schirm 12. Entspannter Typ, Ende 40 höchstens, tätowiert, Pferdeschwanz. Sagt nie etwas. Aber nett, wie er sich um seine Kinder kümmert.

Ab und zu müsse er mit dem Töff in die Schweiz fahren, sagt sie. "Er schafft das in vier Stunden." Tatsächlich? Mit dem Motorrad? Und warum fährt er? "Gute Kunden beraten. Aber er arbeitet nicht mehr viel. Er hat schon genügend Geld. Wir haben überall Immobilien. In Italien, aber auch in Thailand. Dort verbringen wir den Winter." Und was arbeitet der Freund? "Er ist Waffenhändler."

Oh, Gott.

Welche Waffen verkauft er denn? "Alle." Und wer kauft die? "Ein paar Fanatiker halt. Wollen ihre Kinder mit uns ein Eis essen gehen?" Für einen Moment wird es sehr still in den Reihen 1 und 2.

Martin Zips, SZ vom 3./4.9.2011

Im Bild: Graffito in Westwood, Kalifornien, das dem britischen Künstler Banksy zugeschrieben wird.

Kleine Bäckereien kämpfen ums Überleben

Quelle: dpa

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Mitten in ... Schönberg

Ich brachte es nicht über die Lippen. Auch nach zwei Wochen stand ich vor der Brötchentheke und flüsterte: "Die da!" Die Verkäuferin nahm zwei Laugensemmeln. "Nein", sagte ich. "Die da!" "Welche jetzt?" Sie wurde ungeduldig.

"Die Weltmeister?" Nein. "Die Strandpiraten?" Nein. "Die Strandknacker?" Ich nickte. "Sagen Sie's doch gleich." Ging aber nicht. Mein Frühstück mit Namen zu belegen, die aus der Käpt'n-Sharky-CD meines Dreijährigen hätten stammen können, bloß weil die Handwerkskammer den Bäckermeister mal zu einem Marketingkurs geschickt hatte, das war mir zu viel, auch im Urlaub.

Tags darauf im Café. Die Verkäuferin zu dem Mann vor mir: "Also, das Ratzfatz streich' ich, bleiben die roten Wikinger - 1 Euro 50." Das "Ratzfatz" waren zwei belegte halbe Brötchen mit Kaffee. Der Mann sammelte sich. "Jou", sagte er.

Kai Strittmatter, SZ vom 3./4.9.2011

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Quelle: AP

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Mitten in ... Buenos Aires

Kaffeetrinken ist grundsätzlich die reinste Freude in Buenos Aires, die Stadt ist ja ein einziges Café. Manche davon sind berühmt wie das Tortoni, wo sich schon Jorge Luis Borges und Carlos Gardel die Zeit vertrieben. Man kann es aber auch übertreiben. Am frühen Abend, wenn Spanier und Bayern zu Bier oder Wein übergehen, da bestellen sich Argentinier gerne noch Kaffee bis zum Koffeinrausch, dazu Gebäck - das nennt sich Merienda, Imbiss. Kürzlich waren wir endlich im wunderbar renovierten Opernhaus Teatro Colón, muss man mal gesehen und gehört haben.

In der Konzertpause hätten wir zur Feier des Tages gerne ein Gläschen Perlwein bestellt, Argentinien hat da gute Sorten zu bieten. Doch an der Bar, es war halb zehn, gab es nur: Kaffee. Als das Kammerorchester weiterspielte, standen die Stehtische voller Espressotassen.

Peter Burghardt, SZ vom 3./4.9.2011

Mann

Quelle: iStockphoto

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Mitten in ... München

Ein Freibad, zwei Plakate. "Lust auf Bräune?", fragt das eine Plakat, darauf ist eine junge Frau am Strand zu sehen, sie lacht und zieht einen jungen Mann an sich heran. Sie zieht ihn an seiner Halskette. Der Mann sieht so aus, wie Männer aussehen, die von Frauen am Strand an der Halskette herumgeführt werden. Er hat eine Hautfarbe, die ganz junge Frauen gerne als "schokobraun" bezeichnen, während etwas ältere junge Damen den Ausdruck "appetitlich" verwenden würden.

Das Plakat soll die Badegäste zum Kauf von Wertmarken fürs Solarium anregen. An der Wand gegenüber hängt das zweite Plakat. "Laut gegen Brauntöne" steht darauf. Das ist kein Aufruf bayerischer Solarium-Gegner, sondern eine Kampagne der Stadt München gegen Rassismus. Die Stadt veranstaltete zuletzt den Wettbewerb "Dein Song gegen Brauntöne".

Tim Neshitov, SZ vom 3./4.9.2011

A man stands in front of a fence with flowers near the destroyed government building's area in Oslo

Quelle: REUTERS

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Mitten in ... Oslo

In der Innenstadt von Oslo kann man die Trauer riechen. Sie duftet nach Rosen. Das Blumenmeer vor dem Dom überdeckt eine Straße und eine Trambahntrasse, der Verkehr wird umgeleitet. Blüten überall: Vor dem Rathaus, dem Gericht, dem Parlament, an den Absperrgittern um die Ruinen des Regierungsviertels.

Eine dänische Touristin, die erst gezögert hatte, nach den Anschlägen überhaupt nach Oslo zu reisen, sagt verwundert: "Es ist so schön."

Als am Montag gut 100.000 Menschen zum Trauermarsch in die Stadt strömten, waren die Blumenläden binnen Stunden ausverkauft. Doch was fängt man mit all den Blüten an, wenn sie welk sind? "Sie werden mit Respekt behandelt", versichert die Stadtverwaltung. Per Hand werde man sie aufsammeln, sie getrennt verwahren. Eine Idee ist, die Blumen zu kompostieren - und die Erde in einer Gedenkstätte zu verwenden.

Gunnar Herrmann, SZ vom 30./31.7.2011

Pressekonferenz nach Sitzung des Parteirates Fischer

Quelle: picture-alliance / dpa/dpaweb

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Mitten in ... Augsburg

Ein Fahrradladen. Die Schlange ist lang - Samstagnachmittag, selbst schuld, man ist ja zu blöd, nur einen Handgriff am Rad allein zu machen. Plötzlich stürmt ein Mann - Mitte 60, weißer Rauschebart, beeindruckender Bauchumfang, zu knappes Shirt, blaue Baseballmütze - in den Laden.

Er missachtet die Schlange und ruft: "He, Sie? Schnell! Haben Sie so eine Klammer?" Die Kunden murren, der Verkäufer antwortet: "Was für eine Klammer?" Der Mann: "Etwas, womit ich meine Kappe an meinen Ohren oder Haaren befestigen kann. Sie fällt beim Fahren immer runter." Der Händler schmunzelt. "Leider nicht." Der Mann stürzt keifend wieder hinaus: "Herrgott, ihr seid doch ein Radl-Laden, zefix!"

Der Verkäufer flüstert: "Deppen gibt's!" Vor der Tür erwischt ein Windstoß den aufgebrachten Basecap-Träger. Seine Mütze segelt sanft zu Boden.

Marco Maurer, SZ vom 30./31.7.2011

Berghütte Berg Knigge Reiseknigge Benimmregeln für Hütten Benimm

Quelle: dpa/dpaweb

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Mitten auf dem ... Jochberg

Über 2000 Höhenmeter ist man per du, heißt es, egal, ob man etwa mit seinem Chef, dessen Frau oder einem Fremden unterwegs ist. Weil: Die Höhenluft verbindet, dort oben sind alle gleich, zusammen ist man weniger allein und so fort. Gut, die Sintersbacher Wasserfälle in Tirol liegen nicht einmal auf 1500 Metern, aber Berg ist Berg, und so grüßt man die Familie beim Überholen mit einem lässigen "Servus". Der Einheimische, ein furchterregend athletischer Glatzkopf, grüßt nicht zurück, sondern erwidert ein barsches "Kennen wir uns?".

So in die Schranken gewiesen, wandert man weiter, eingeschüchtert bis empört. Bei der nächsten Rast begegnet man sich wieder. "Tut mir leid wegen vorher", sagt der Mann nun, "Ich hab halt 'dacht, ihr wärt Preißn." Und man kontert furchtlos (in Gedanken): Als ob das die Sache besser machte, du Hund, du.

Martin Wittmann, SZ vom 23./24.7.2011

Ratgeber Gesundheit: Joggen liegt bei Frauen im Trend

Quelle: Jens-Ulrich Koch

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Mitten in ... München

Na, was machen die Schwabinger Muttis denn heute? Aha. Rückbildung im Englischen Garten. Zehn Blondinen joggen samt Nachwuchs im Kinderwagen einer Personal-Trainerin hinterher. In Zweierreihen. Die Muttis haben lange, blondgefärbte Haare, die mit einem Haargummi am Hinterkopf zusammengehalten werden. Die meisten von ihnen tragen ein iPhone am Gesäß. Die Personal-Trainerin: "Und jetzt den Kopf nach links leicht beugen." Die Muttis beugen ihren Kopf nach links.

Die Personal-Trainerin: "Und jetzt den Bauch ganz straff anziehen." Die Muttis ziehen den Bauch an. Hinter ihnen staut sich ein Rudel Fahrradfahrer. Hey, könnt ihr eure Rückbildung nicht auf dem Spielplatz machen? Endlich, der Weg wird breiter. Jetzt schnell überholen. Die Personal-Trainerin ruft: "Und jetzt treten wir zur Seite aus."

Martin Zips, SZ vom 23./24.7.2011

Urteil im Prozess um Rockermord

Quelle: dpa

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Mitten in ... Bitterfeld

Eigentlich bin ich recht friedlich. Aber es gibt Dinge, die unvermittelt Aggressionen in mir auslösen. Auf der A9, kurz vor Bitterfeld, nähert sich das Auto, in dem ich als Beifahrerin sitze, einer Gruppe Motorradfahrer, alle mit dem gleichen Aufnäher hinten auf der Jacke. In Frakturschrift steht da: "Kampfkraft Sachsen". (Name geändert, ich will ja keinen Krieg provozieren.) "Nazis, das sind sicher Nazis!", rufe ich empört und strecke den Bikern durchs Fenster den Mittelfinger entgegen.

Mein Begleiter am Steuer wird blass und fährt den Rest der Strecke nach München mit 220 Kilometern pro Stunde durch. Zu Hause googeln wir gemeinsam den Gangnamen. Der Verfassungsschutzbericht erwähnt zwar keine rechtsradikale Gesinnung, dafür aber "extreme Gewaltbereitschaft". Mein Begleiter parkt seitdem nicht mehr direkt vor seiner Haustür.

Judith Liere, SZ vom 23./24.7.2011

Sophies Welt - Nirgendwo ist Hannover so grün wie in Herrenhausen

Quelle: picture-alliance/ gms

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Mitten in ... Hannover

Hannover glänzt nicht unbedingt mit Highlights. Laut Ursula von der Leyen sind die Hannoveraner vor allem stolz auf "Bahlsen-Kekse und ihren Zoo". Dummerweise fangen die eigenen Kinder bei Besuchen immer an zu singen: "Nix ist doofer als Hannover." Was man ihnen untersagen muss, da Hannoveraner in Hannover in der Überzahl sind - und solche Reime selbst aus zarten Mädchenkehlen komisch rüberkommen könnten.

Dabei verfügt Hannover im Sommer über ein weiteres Highlight: das Kleine Fest im Großen Garten. In den Herrenhäuser Gärten verzaubern starke Frauen, unakrobatische Akrobaten und andere Kleinkünstler auch die eigenen Kinder. Finale: ein Feuerwerk. Seither ist Ruhe mit dem despektierlichen Reim. Die Kinder singen nun, nicht mehr ganz so rund, aber sozialkompatibler: "Nix ist toller als Hannover."

Lars Langenau, SZ vom 23./24.7.2011

© Süddeutsche Zeitung/dd/kaeb
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