Mittelmeer-Reise:Immer schön langsam auf Gozo

Mittelmeer-Reise: Strandidyll: Die Bucht San Filippu im Osten der Insel Gozo.

Strandidyll: Die Bucht San Filippu im Osten der Insel Gozo.

(Foto: Ted Attard)

Auf Maltas kleiner Nachbarinsel gibt es viel zu entdecken - und das zu jeder Jahreszeit. Man muss sich nur Zeit dafür lassen.

Von Viktoria Großmann

Zwanzig Minuten warten, und dann ist der Bus von Rabat zur Fähre ruckzuck überfüllt, ungefähr zwölf Leute bleiben zurück. Noch mal zehn Minuten warten. Dann biegen gleich zwei der weiß-grünen Public-Transport-Vehikel auf den Busbahnhof von Rabat, der Hauptstadt der Insel Gozo, ein. Nur zwei Leute gehen zielstrebig zu dem, der später abfährt. Die meisten steigen in den ersten ein. Vapur - Ferry, steht ja auf Maltesisch und Englisch dran.

Bereits 2007 erhielt der Ort Nadur das Eden-Ökosiegel der Europäischen Union

Von Rabat aus braucht man mit dem Auto keine Viertelstunde bis zur Fähre zur größeren Insel Malta, die dem Inselstaat seinen Namen gibt. Gozo ist 67 Quadratkilometer groß, die Wege sind hier fast alle kurz. Trotzdem sollte man sich Zeit nehmen für diese Insel. Gozo ist ein kleiner versteckter, immer noch recht wenig bekannter Ort im Mittelmeer. Wer Ruhe sucht, wer sich von der Welt zurückziehen will und keine Eile hat, der ist hier gut aufgehoben. Slow Tourism, langsames Reisen, möchte das maltesische Tourismusamt auf der Insel etablieren. Schließlich gehe der Trend zum individuellen Erkunden der lokalen Eigenarten. Dafür bieten sich die Inseln, vor allem Gozo, tatsächlich an, wenn auch manchmal unfreiwillig.

Wir nehmen Bus 303 zur Fähre und brauchen geschlagene 45 Minuten. Gelegenheit, den ganzen Osten der Insel vom Bus aus anzuschauen. Manchmal eingehender, als einem lieb sein kann. Millimetergenau quetscht sich der Bus zwischen Kirchenmauern und Häuserwänden hindurch, beide gleichermaßen aus dem gelben Globigerinen-Sandstein gebaut, aus dem das ganze Land besteht. Es ist der einzige Rohstoff, den die maltesischen Inseln zu bieten haben. Zweimal durchquert Bus 303 das 5000-Einwohner-Dorf Nadur. Es geht fast bis zur Bucht von San Blas mit ihrem roten Sandstrand und zurück.

Wenn man jetzt nicht dringend zur Fähre muss, weil zum Beispiel ein Sturm heraufzieht oder im Urlaubshotel auf Malta das Abendessen wartet, dann sollte man die Gelegenheit nutzen, um auszusteigen und am Kirchplatz einen vernünftigen Kaffee zu trinken. Die Malteser haben eine Vorliebe für Pulverkaffee, die sie manchmal auch mit Hotel- und Imbissgästen teilen. In Nadur gibt es mit Blick auf die Kirche Sankt Peter und Paul einen italienischen Kaffee. Nadur ist einer von vier Orten auf der Insel, der von der EU ausgezeichnet wurde als besonders sehenswertes Ziel.

Mittelmeer-Reise: Im Juli findet die farbenfrohe Festa in Gharb statt.

Im Juli findet die farbenfrohe Festa in Gharb statt.

(Foto: Ted Attard)

Seit 2007 gibt es die Initiative Eden - European Destinations of Excellence - und gleich im ersten Jahr erhielt Nadur das Siegel, Malta war damals gerade drei Jahre Mitglied der EU. Mittlerweile tragen bereits vier Orte auf Gozo das Etikett, zwei weitere gibt es auf Malta. In Deutschland hat bisher nur die Vorpommersche Flusslandschaft die Auszeichnung erhalten. Das liege nicht daran, dass der Kommission Deutschland nicht gefällt, sondern dass sich die Deutschen schlicht nicht bewerben, erklärt Girma Anuskeviciute. Die Litauerin koordiniert das Projekt von Brüssel aus. Die deutsche Wirtschaft ist auf den Tourismus kaum angewiesen.

Die maltesische schon: Insgesamt 30 Prozent des Bruttoinlandproduktes werden im Tourismus erwirtschaftet. Allein auf Gozo sind es sogar 50 Prozent. Gozo ist ländlich, deutlich grüner und viel weniger besiedelt als die große Insel Malta. Keine Schornsteine, keine Werft, keine Industrie. Gozo ist geprägt von Terrassenfeldern, die noch auf die Araber zurückgehen.

Die Insel soll ein Ziel für das ganze Jahr werden

Ein britisches Aquädukt zieht sich durch die Landschaft - fast jedes der vielen Völker, die in Maltas langer Geschichte einmal Besitz von den kargen Inseln ergriffen haben, hat auf seine Weise versucht, das spärliche, kostbare Wasser aufzufangen, zu halten, zu transportieren. Gozo hat bessere Böden als Malta und weniger Einwohner, die Wasser verbrauchen können. Der Gemüse- und Getreideanbau ist bis heute wichtig auf der Insel. Kartoffeln werden sogar so viele geerntet, dass ein Teil in die Niederlande exportiert werden kann.

Malta

SZ-Karte: Mainka

Genauer ansehen kann man sich das auf Wanderungen über die Insel. Vielleicht nicht unbedingt im Sommer, vor der Gluthitze gibt es kaum irgendwo Schutz. Die Monate von November bis März bieten sich eher an. Es mag dann ab und an regnen oder auch stürmen, aber so richtig kalt wird es nie, und die Insel ist grün, nicht staubig und versengt wie im Sommer. Für die heißen Monate gibt es die Buchten und Strände, die oft schöner sind als die auf Malta. "Any season, every reason", sagt Joseph Muscat vom Tourismusamt, Gozo soll ein Ganzjahresziel werden, denn jede Jahreszeit habe ihren Reiz, so sagt er.

Zu jeder Jahreszeit kann man zum Beispiel auf dem Kirchplatz von Nadur sitzen. Nach dem Kaffee kann man sich vom Dorf aus auch einen ganz guten Überblick über die Insel verschaffen. Der Ortsname geht auf das arabische Wort "nadara" für Aussicht zurück. Der Ort liegt auf einem Plateau, die Briten setzten zur Verbesserung der Rundsicht noch einen der typischen, dicken, vierkantigen Wehrtürme darauf, den Ta'Kenuna Tower.

Noch mehr als die Aussicht rühmen die Bewohner Gozos allerdings die Bäckereien von Nadur. Sie sind besonders bekannt für ihre Ftira. Auf Malta versteht man darunter ein rundes Weizenbrot mit einem Loch in der Mitte, aus dem Sandwiches mit Tomaten, Schafskäse und den überall wuchernden Kapern gemacht werden. In Nadur, etwa in den Bäckereien Maxokk und Mekren, wird das Brot mit solchen und anderen Zutaten zusammen gebacken, die Gozitaner selbst vergleichen es mit Pizza.

Jedem Heiligen sein Fest. Im Sommer überbieten sich die Orte mit Umzügen und Feuerwerken

Für seine Feigen wiederum ist das Nachbardorf Xagħra bekannt. Den Früchten widmen die Bewohner seit wenigen Jahren sogar ein eigenes Fest. Eines mehr im maltesisch-gozitanischen Feierkalender: Die katholische Bevölkerung, stolz auf 365 Kirchen und Kapellen, die im Land verteilt sind, widmet im Sommer ungefähr jedem Heiligen eine eigene Festa. Die Straßen werden geschmückt, Musikkapellen spielen, und nachts will jedes Dorf oder auch jedes Heiligenkomitee das andere mit seinem Feuerwerk überbieten. In Xagħra wird am 8. September die Madonna gefeiert. Die Hauptattraktion des Ortes sind allerdings die Ġgantija-Tempel, die vor etwa 5500 Jahren wohl zu Ehren einer Göttin errichtet wurden.

Xagħra ist ein guter Ausgangspunkt für Wanderungen, zum Strand, an dem Calypso den schiffbrüchigen Odysseus gerettet haben soll, oder nach Marsalforn. Von dort aus kann man bis Għarb zum dortigen Folkloremuseum gehen und weiter zum Azure Window, einem natürlichen Felsbogen an der Küste. Dafür braucht es insgesamt aber doch ein paar Tage und auch Nächte auf Gozo - und, vor allem, keine Eile.

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