Mennoniten in Belize:Wo die Bibel das einzige Gesetz ist

Musik gilt als Versuchung und selbst Witze sind tabu: In den Mennoniten-Kolonien von Belize leben Nachfahren deutscher Auswanderer in einer streng religiösen Parallelwelt. Doch wenn sie die Früchte ihrer Arbeit verkaufen, treffen sie auf Sünde an jeder Ecke.

Marcel Burkhardt

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Mennoniten in Belize

Quelle: Burkhardt

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Musik gilt als Versuchung, nur die Kutsche ist ein "gottgefälliges Gefährt" und selbst Witze sind tabu: In den Mennoniten-Kolonien von Belize leben Nachfahren deutscher Auswanderer in einer streng religiösen Parallelwelt am Rande des mittelamerikanischen Urwalds. Doch wenn sie die Früchte ihrer Arbeit verkaufen, treffen sie auf Sünde an jeder Ecke. Eine Bilderreise von Marcel Burkhardt

Ein Mennonitenjunge aus Barton Creek im Urwald von Belize blickt auf ein paradiesisches Bild. Vor seinen Augen erheben sich bewaldete Hügel aus dem Morgennebel. Von den Bäumen tropft noch der Regen der Nacht, in den Ästen kreischen Papageien. Die Luft duftet verführerisch nach Orangenblüten.

Seit 1958 besiedeln die Mennoniten das kleine Land südlich von Mexiko. Aus Holland und Deutschland stammend, wandern die Anhänger der strengen Glaubensgemeinschaft seit fast 500 Jahren durch die Welt - immer weiter getrieben von ihren Prinzipien, die sich mit dem Leben in vielen Gesellschaften nicht vereinen ließen.

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Die zur absoluten Friedfertigkeit erzogenen Mennoniten sehen die Bibel als einzige Gesetzesgrundlage - von Regierungen wollen sie sich nichts vorschreiben lassen. Und wenn die jungen Männer zum Militärdienst antreten sollen wie 1958 in Mexiko, verlässt die Gemeinschaft lieber die neue Heimat. Die Friesens, Loewens und Peters - wie viele der Familien heißen, deren Nachwuchs wieder innerhalb der Gemeinschaft heiratet - leben zurückgezogen. Die konservativsten Gemeinden unter ihnen lehnen alles "Moderne" ab. Dort sind Autos verpönt - nur Pferdekutschen gelten als "gottgefälliges Gefährt".

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Dieses Foto ist ein seltener Schnappschuss, denn eigentlich sind die Rollen bei den Mennoniten klar verteilt: Die Frau kümmert sich um Kinder und Haushalt, der Mann um die Feldarbeit.

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Undurchdringlich und düster, so war der Urwald, als die Mennoniten in Belize ankamen, das 1958 noch British Honduras hieß und zur englischen Krone gehörte. Die Ackerbauern wurden von dem armen Staat willkommen geheißen und durften in der Wildnis Kolonien gründen. Als ein Teil der Gemeinschaft die Pferdekarren gegen Geländewagen und Holzpflüge und Macheten gegen moderne Maschinen eintauschte, zog sich der noch konservativere Rest der Gemeinde tiefer in den Urwald zurück - einen Tag auf schlammigen Pfaden braucht man, um die Siedlungen Upper und Lower Barton Creek zu erreichen. Es ist zugleich eine Reise in eine Welt, in der strenge Regeln gelten, um gegen die Verlockungen des sündigen Rests der Erde gefeit zu sein.

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In der Abgeschiedenheit des Urwalds um Barton Creek sind die Bewohner ängstlich darauf bedacht, es sich nicht zu gemütlich zu machen, denn das Genießen zu schöner Dinge wäre eine Sünde in den Augen der Strenggläubigen. Selbst das Scherzen mit Kindern gilt als dummer und damit als zu unterlassender Streich - das Paradies hat man sich fröhlicher vorgestellt.

Nur etwas entspannter sieht man die strengen Regeln in Spanish Lookout, südwestlich von Belice City. In der progressiven Gemeinde nutzen die Bauern auch moderne Technik in der Tierzucht und für den Feldbau. Inzwischen haben die Mennoniten große Teile des Landes urbar gemacht. Manche fördern neuerdings sogar Erdöl.

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Ein weltabgewandtes Leben gilt vielen Bibelbauern als Ideal, aber ein völliges Abkapseln ist auch für sie kaum möglich: Die Mennoniten produzieren heute einen großen Teil der Lebensmittel in Belize und ihre Produkte verkaufen sie auf den Märkten der Städte - wie diese Bauern aus Barton Creek ihren Kohl in San Ignacio.

Dort treffen sie auf die restliche Gesellschaft. Da sind die lachenden Garinagu-Mädchen mit ihren eingeflochtenen Zöpfen und Miniröcken. In den Bars gibt es schon vormittags Rum und aus den Boxen der Händler dringt laute, heiße Reggae-Musik. Versuchung und Sünde an jeder Ecke.

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Die Häuser der Mennoniten liegen weit verstreut zwischen Feldern und Obstplantagen. Richtige Dorfkerne gibt es nicht. Gesellschaftliches Leben spielt sich im Gemeindehaus und in der Schule ab.

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Die Schulen in der Mennoniten-Gemeinde Spanish Lookout tragen Namen wie Gnadenfeld, Edental oder Rosenberg. Dort scheint die Zeit in den 1930er-Jahren stehen geblieben zu sein. Mädchen und Jungen sitzen in getrennten Reihen in ihren geschnitzten Holzbänken. Viele Mädchen haben flachsblonde Zöpfe und Kleider mit Blumenmotiven. Wie die Jungen folgen sie Lehrer John Loewen aufs Wort. Neben Rechnen und Englisch lernen die Kinder auch Deutsch. Sie sprechen ein hart und alt klingendes Hochdeutsch. Was sie sich über Deutschland erzählen, sind Geschichten aus einer längst vergangenen Zeit.

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Auch in der Schule ist der Urwald nicht fern. Von draußen dringt immer wieder das Geschrei der Brüllaffen herein. Es ist heiß. Alle sind barfuß, auch der Lehrer. Dieser Mennoniten-Junge müht sich mit der Schöpfungsgeschichte. Ein Lob gibt es leider nicht für ihn, denn John Loewen ist am Ende nicht ganz zufrieden mit der Schreibarbeit. Am Nachmittag müssen die Schulkinder ...

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... daheim bei der Garten- und Feldarbeit helfen. Mit dreizehn unterstützen sie ihre Familien dann ganztags: Die Mädchen arbeiten im Haushalt, die Jungen als Farmer, denn die Regeln sind streng: "Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen."

Auch sonst gilt bei den Bibelbauern ein striktes Regiment: Selbst für Erwachsene sind Musik, Tanz, Kartenspielen, Rauchen und Biertrinken verboten.

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In Spanish Lookout, der größten modernen Mennoniten-Kolonie in Belize, geht's zumindest im Hinblick auf Technik ein wenig lockerer zu. Die Bewohner mögen nicht mehr auf Mopeds, Autos, Elektroherde und Waschmaschinen verzichten. Das Leben besteht zwar aus viel Arbeit, aber doch nicht nur aus Entsagung.

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Dennoch geschieht hier alles im Namen Gottes: Selbst die Hersteller der schlichten Hütten werben damit, gottgefälliges Werk zu tun.

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Wenn die Arbeit vollbracht ist, versammeln sich die Mennonitenfamilien von Spanish Lookout in ihren hell erleuchteten Wohnstuben. Der Klang ihrer frommen Lieder konkurriert mit dem Schrei-Konzert der Brüllaffen im Dschungel. Bei den Traditionalisten in Barton Creek hingegen gibt es keinen Strom. Sie singen ihre Lieder im Schein von Petroleumlampen.

© sueddeutsche.de/Marcel Burkhardt/kaeb
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