Mallorca:Neustart, aber wie?

Strand auf Mallorca

Ganz so leer wie während der "Pionierreisen" ist es am Strand von El Arenal auf Mallorca nun nicht mehr. Die Einheimischen brauchen die Urlauber dringend.

(Foto: dpa)

Die Corona-Krise macht den Menschen auf der Insel ihre Abhängigkeit vom Tourismus schmerzlich bewusst - immer mehr fangen an zu fragen, ob es wirklich so weitergehen soll.

Von Brigitte Kramer

Nach dem dreimonatigen Stillstand im Frühjahr bemühen sich Reiseveranstalter, Hoteliers und die Inselregierung nun, das Geschäft so schnell wie möglich wieder anzukurbeln. Im Rahmen eines sogenannten Pilot-Projekts durften in der dritten Juniwoche - noch vor Ende des Alarmzustands und der damit verbundenen Reisebeschränkungen - die ersten Deutschen auf die Insel kommen. Sie sollten zeigen, dass Mallorca auch während der Pandemie ein sicheres Reiseziel ist.

Das Unterfangen erinnerte an den Beginn des Tourismus, als die Gäste noch von den Gastgebern im Privatwagen vom Flughafen abgeholt und mit Handschlag begrüßt wurden. Diesmal kamen die Urlauber im blauen Minibus vom Flughafen in eines der vier Hotels, die an dem Probelauf teilnahmen. Als sie ausstiegen, wurden sie von den Angestellten mit Applaus begrüßt - eine Szene, die die Abhängigkeit Mallorcas vom Tourismus zeigt und die viele Einheimische beschämte. Wie viele Urlauber letztlich kommen werden, weiß niemand, denn viele Touristen buchen spontan oder ändern ihre Pläne kurzfristig, auch, weil in diesem Jahr Stornogebühren entfallen. Das sorgt für große Unsicherheit bei Hoteliers und Angestellten, die praktisch von heute auf morgen zum Einsatz gerufen werden können. Großraumdiscos und Biergärten bleiben geschlossen. Kreuzfahrtschiffe dürfen bis Jahresende nicht anlegen. Der Sommer 2020 ist ruhiger - und das Jahr wird in die Tourismusgeschichte der Insel eingehen.

Viele Einheimische genießen gerade ihre Insel. Es gibt mehr Platz am Strand und kaum lärmende Jetskis vor der Küste. An den Tankstellen bilden sich keine Warteschlangen und die Staus sind weniger geworden. In der Altstadt von Palma kann man wieder flanieren. Mallorquiner, die das Zentrum wegen der vielen Kreuzfahrttouristen jahrelang gemieden hatten, treffen sich nun wieder auf der Plaça Major oder dem Rathausplatz, um einen Kaffee zu trinken.

Doch da ist die Kehrseite: 74 000 Arbeitslose gibt es momentan auf den Balearen, doppelt so viele wie im Juni 2019. Viele Geschäfte, Restaurants und Hotels mussten bereits schließen. Wirtschaftlich ist die Corona-Krise für die Balearen ein Desaster. Die Folgen sind noch nicht abzusehen. Die ersten Einwohner verlassen bereits die Inseln. Es sind vor allem Lateinamerikaner, Festlandspanier oder Bürger aus anderen europäischen Ländern, die wegen der guten Jobmöglichkeiten auf der Insel gelebt haben. Die Zahl der Bedürftigen ist rasant gestiegen, viele schlafen mittlerweile am Stadtstrand von Palma, weil sie kein Geld mehr für die Miete haben.

Anderswo will man die Einschränkungen der vergangenen Monate vergessen und feiert, als gäbe es kein Virus: Die Polizei hebt immer wieder illegale Privatparties mit hunderten Gästen aus, die ohne Sicherheitsmaßnahmen feiern. Darüber ärgern sich viele, denn sie wissen: Käme es zu einer neuen Infektionswelle, müssten Hotels wieder schließen, die Arbeitslosenzahl würde noch weiter in die Höhe schießen und Mallorca könnte den Rest der Saison wohl vergessen. Gleichzeitig entwickelt sich nach dem ersten Schock nun wieder die öffentliche Debatte über das Tourismusmodell, die schon seit Jahren eher kraftlos geführt wird und jetzt an Vehemenz gewinnt. Viele hoffen, 2020 könnte zu dem Jahr werden, in dem die Insel erkennt, dass sie ihr Wirtschaftsmodell verändern und Branchen fördern muss, die ganzjährig Einnahmen bringen.

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