Hoteltest-Serie "Frisch bezogen":Kitschalarm am Gardasee

Gardaland Magic Hotel Gardasee Italien Hoteltest

Links schlafen die Buben, rechts die Mädchen. Schwerter und Einhörner über den Betten erübrigen jede Diskussion im Zimmer der Kategorie "Cristallo Magico".

(Foto: Gardaland)

Eltern trifft im Magic Hotel des italienischen Freizeitparks Gardaland fast der Schlag, aber (kleine) Kinder finden: Schöner geht`s nicht.

Von Jochen Temsch

Natürlich ist das alles bunt, laut und künstlich, also total drüber: der schlossartige Kasten mit der auf alt und rissig getrimmten Fassade und den violetten Ziegeln auf dem geschwungenen Dach; der 14 Meter hohe, violette Hut, der als Sonnen- und Regenschutz den Eingangsbereich des "Gardaland Magic Hotels" bedeckt; die Lobby mit dem mannsgroßen Spiegel-Display, auf dem ein alter Zausel in Kapuzenkutte erscheint und sofort die Aufmerksamkeit der Kinder fesselt, indem er ihnen - schon allein deshalb rätselhaft, weil auf Italienisch und Englisch - von den Geheimnissen dieses Hauses erzählt, während die Eltern eine langwierige Check-in-Prozedur hinter sich bringen und eine noch längere Erklärung hören, was alles sich wo auf dem weitläufigen Gelände am Rande von Italiens größtem Freizeitpark bei Lazise am Gardasee befindet.

Natürlich ist es eine weitere Geduldsprobe für die Erwachsenen, die bereits stundenlang im Auto gesessen und dabei mit Getränken, Snacks und Hörspiel-CDs jongliert haben, jetzt noch in einem Nebentrakt das ihnen aus 128 vorhandenen Zimmern zugewiesene zu finden, also eine Art Schatzsuche durch lange Flure zu veranstalten, in denen wie in einem Fantasy-Film permanent raunende Ambient-Klänge aus versteckten Boxen wabern.

Eingewebte Fußspuren im Teppich helfen den voll Bepackten immerhin dabei, einen spielerischen Zugang zu den letzten anstrengenden Metern zu finden. Ui, Fußspuren - wo die wohl hinführen? Die Tür öffnet sich, die Eltern trifft fast der Schlag bei dem Anblick, aber ein Kind sagt: "Boah! Das ist das tollste Hotel der Welt!"

Realitätsnah dank Klimaanlage

Das Zimmer soll eine Kemenate in einem Eisschloss sein, ein Eindruck, den die auf gefühlte Minusgrade gedimmte und nur durch das Öffnen eines Fensters abstellbare Klimaanlage glaubwürdig verstärkt.

Arktisch blau in verschiedenen Pastelltönen sind Böden, Wände und Decke, von der Plastik-Stalaktiten hängen. Die Vergabe der zwei Kinderbetten mit den Kunststoff-Schutzdecken in Fell-Optik ist auch schnell geregelt. Buben links, Mädchen rechts, gekreuzte Schwerter und geflügelte Glitzer-Einhörner über den Kissen erübrigen jede Diskussion.

Hoteltest-Serie "Frisch bezogen": An der Rezeption fesselt die Kinder ein Spiegel-Display, während die Eltern einchecken.

An der Rezeption fesselt die Kinder ein Spiegel-Display, während die Eltern einchecken.

(Foto: Gardaland)

Hoffentlich entdecken die Kinder vor dem Lichtausmachen nicht, dass die gegenüberliegende Wand mit Drachen dekoriert ist und ein besonders grimmig dreinblickendes Exemplar mit rotem Riesenauge direkt die Betten fixiert. Alternativ zum Eisschloss-Ambiente gibt es noch Zimmer in den Kategorien "Zauberwald" und "Haus des Zauberers" zu buchen, mit sprechenden Bäumen und fliegenden Büchern und Zauberhut überm Elternbett.

Für Mütter und Väter mag manches im Magic Hotel herausfordernd sein, für kleine Kinder ist es fantastisch, und für die Betreiber ist es ein erfolgreiches Geschäftsmodell. Das in dieser Saison neu eröffnete Haus ist das dritte Hotel des Gardalandes, gedacht für Besucher, die die vielen Attraktionen des Freizeitparks und des dazu gehörenden "Sea-Life"-Aquariums in zwei Tagesetappen angehen möchten. Kostenlose Shuttlebusse bringen die Gäste hin und zurück.

Wer abends zwischen haushohen Anubis-Figuren im Tutanchamun-Restaurant des Resorts essen möchte, sollte wegen des großen Andrangs zu einer von zwei vorgeschriebenen Zeiten reservieren. Besonders günstig ist es bei den alten Ägyptern nicht. Für zehn Euro gibt es zwei Wiener Würstchen mit Pommes.

Hotels am Freizeitpark - ein Erfolgsmodell

Auch in anderen Freizeitparks boomt das Schlafen in Themenzimmern. So hat etwa in Deutschlands größtem, dem Europapark in Rust, heuer das sechste Hotel (in Museumsoptik) eröffnet. Und auch das Legoland in Günzburg, das zur gleichen Unternehmensgruppe wie das Gardaland, Merlin Entertainments, gehört, bietet seit Kurzem ein neues Piratenhotel auf.

Die Nachfrage nach derlei Nachtleben ist auch in Italien groß. Rund sechs Millionen Urlauber kommen jährlich an den Gardasee, bleiben im Schnitt sechs Tage und suchen Zerstreuung in der vielfältigen Region. Sie baden, wandern, fahren Mountainbike, gehen in Verona in die Opernarena - oder lassen sich eben in gleich mehreren Freizeitparks bespaßen.

Das Gardaland, bereits 1975 eröffnet, ist der bekannteste, weltweit. Nach den deutschsprachigen Gästen kommen die Israelis als größte ausländische Gästegruppe - "der Sicherheit und Familienfreundlichkeit wegen", sagt Marketing- und Sales-Direktor Luca Marigo. Das Gardaland wachse seit Jahren, selbst die Wirtschaftskrise habe hier nicht gebremst, sagt er.

Im nächsten Sommer erwartet Marigo einen besonders kräftigen Besucheranstieg. Dann eröffnet der erste Legoland-Wasserpark Europas als Attraktion gegen Extra-Eintritt im Gardaland. Lego gelte als weltweit wichtigste Marke für unter Zwölfjährige - das ziehe.

Aber nicht alle mögen die Reizüberflutung. Beim süßen Frühstück im düsteren Zauberwald-Café, in dem auch wieder nonstop Fantasyfilm-Sound läuft, sagt der Junge am Nachbartisch: "Ich habe Angst vor diesem Lied."

Informationen

Magic Hotel: flexible Preise je nach Nachfrage. Zimmer für zwei Erwachsene und zwei Kinder unter zwölf Jahren in der Nebensaison ab 180 Euro (Hochsaison ca. 400 Euro).

Gardaland: Online-Tagesticket Erwachsene 39 Euro, Kinder unter zehn Jahren 35 Euro, www.gardaland.it/de

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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Limone sul Garda am Gardasee, 2016

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