Nur wenige Meter trennen das Boot vom Ufer Kekovas, einer kleinen, der türkischen Südküste nur wenige Hundert Meter vorgelagerten Insel. "Seht ihr dort die Ruinen?", ruft Bootsführer Erdogan Özdemir seinen Gästen zu. Im glasklaren Wasser sind die Mauerreste und Säulen der "versunkenen Stadt" gut zu erkennen. Sie sind Jahrtausende alt und gehören zum antiken Dolikhiste. Durch Erdbeben versanken Teile der Insel und mit ihr die Stadt im Meer. Sogar der antike Hafen ist deutlich in zwei Meter Tiefe zu erkennen. Nun fährt Erdogan einigen aus dem Wasser ragenden Sarkophagen entgegen, die sich an der nahen Festlandküste bei Kaleköy befinden. Kaleköy ist ein türkisches Küstendörfchen wie aus dem Bilderbuch, was daran liegen mag, dass man es nur per Boot oder zu Fuß erreicht. Über dem Örtchen erhebt sich das antike Simena, dessen Festungsanlage von der untergehenden Sonne in ein sanftes Licht gehüllt wird. In der Nähe sucht Erdogan eine kleine, einsame Bucht zum Übernachten auf. Immer wieder strecken Meeresschildkröten ihre Köpfe aus dem Wasser. "Das sind unechte Karettschildkröten, sie stehen unter Schutz", sagt Erdogan. An solch einem idyllischen Ort ist es nur schwer vorstellbar, dass sich gerade einmal eine Autostunde entfernt Tausende Touristen an der Türkischen Riviera in All-inclusive-Hotelburgen und am Strand drängen. Die Lykische Halbinsel ragt im Südwesten der Türkei auf einer Breite von 130 Kilometern zwischen Antalya und Fethiye ins östliche Mittelmeer.
Neben der teils felsigen Küste der Lykischen Halbinsel verhinderten auch die unzähligen antiken Ruinenstädte aus griechischer und römischer Zeit sowie die geschützten Meeresschildkröten, dass hier Strände, Dörfer und Buchten mit riesigen Hotels zugebaut wurden. Ein Beispiel ist der kleine Ort Çıralı: Statt großer Hotelkomplexe wie im nahen Kemer reihen sich hier inmitten von Orangen- und Zitronenhainen kleine Herbergen am Strand auf. Nachts wandern viele Besucher mit Taschenlampen über einen steilen und steinigen Pfad zu den berühmten Feuerfeldern von Chimaira auf 250 Meter Höhe. Es handelt sich um kleine Erdlöcher, aus denen permanent Feuer austritt. Der Blick aufs Meer ist von hier oben traumhaft, und das Feuer verbreitet eine romantische Atmosphäre. Heute weiß man, dass die Flammen von Erdgasen genährt werden. Doch in der Antike ging man davon aus, das Feuer stamme vom Ungeheuer Chimäre, das tief im Olympos haust. Viele Wanderer erklimmen tagsüber die "Höhle des Monsters", den 2366 Meter hohen Tahtalı Dağı, den in der Antike Olympos genannten Berg. Andere Tagesausflügler nehmen die für lokale Verhältnisse völlig überteuerte, aber schnelle Gondel, um den Panoramablick vom Gipfel zu genießen. Olympos heißt auch die lange Zeit völlig vergessene antike Ruinenstadt aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Sie liegt an einem kleinen Fluss hinter dem Strand von Çıralı und ist überwuchert von Schlingpflanzen und Bäumen.
Ein Traumstrand wie der fast 14 Kilometer lange Strand von Patara wäre ebenfalls schon längst mit Hotels und Restaurants verbaut, wären hier keine antiken Ruinen oder würden die Schildkröten nicht jeden Sommer am Stand ihre Eier legen. So gibt es nur wenige kleine, ruhige Pensionen und Restaurants, in denen es vorkommt, dass die Speisekarte im Gegensatz zur Türkischen Riviera um Antalya nicht auf Deutsch geschrieben ist.
Direkt hinter dem Strand, der zu den schönsten der Türkei zählt, liegen in einer gigantischen Dünenlandschaft versteckt die Ruinen des antiken Patara, einst eine der wichtigsten Städte im Lykischen Bund. Ein riesiges Amphitheater, römische Therme, Salzlager, ein Triumphbogen, Säulengänge und das erst vor kurzem wieder aufgebaute Parlamentsgebäude der Lykier bezeugen die große Bedeutung Pataras. Hier befand sich sogar ein Apollon-Heiligtum mit einem in ganz Kleinasien bekannten Orakel, dem später aber das Orakel von Delphi den Rang streitig machte. Wer zum Strand möchte, kommt an all den antiken Sehenswürdigkeiten vorbei. Früher lag Patara direkt am Meer, und war eine wichtige Hafenstadt. Der Apostel Paulus kam mit dem Schiff von Palästina nach Patara und verweilte hier eine Zeit lang während seiner Missionsreise nach Kleinasien und Europa. Doch die riesigen Wanderdünen versandeten den Hafen, die Stadt verlor ihre Bedeutung und wurde im 15. Jahrhundert von den Lykiern aufgegeben.
Bekannt wurden Patara und seine Umgebung auch durch den Heiligen Nikolaus, der aus Patara stammen und als Bischof im nahen Myra im 3. Jahrhundert viele Wunder gewirkt haben soll. In Demre, dem damaligen Myra, kann man heute noch seine alte Bischofskirche mit ihren beeindruckenden Fresken bewundern.
Neben der Kirche des Heiligen Nikolaus sind in Demre die antiken Felsengräber sehenswert, die in den Berg gehauen sind.
Die Lykier fielen unter Alexander dem Großen unter griechischen und unter den Kaisern Claudius und Hadrian unter römischen Einfluss. Davon zeugen auf der Lykischen Halbinsel heute noch imposante Ruinenstädte wie Phaselis, Olympos, Xanthos, Letoon oder Termessos (im Bild). Auf fast 1000 Meter Höhe liegt mitten im Güllük-Dağı-Nationalpark die sagenumwobene Totenstadt Termessos. Kaum ein antikes Amphitheater dürfte solch spektakuläre Panoramablicke auf die Berge und die Küste Antalyas bieten wie die Theaterruinen von Termessos. Nicht weniger beeindruckend sind die rund 1000 über die Hänge und Felsen verteilten antiken Sarkophage. 334 vor Christus soll Termessos tagelang vergeblich von Alexander dem Großen belagert worden sein. Warum die Stadt verlassen wurde, weiß man nicht mit Sicherheit.
Historische Gebäude findet man auf der Lykischen Halbinsel sogar noch in den modernen Küstenstädtchen selber. In den engen Gassen des idyllischen Hafenstädtchens Kaş sind ein großer Sarkophag und Fundamente eines antiken Tempels perfekt in das Ensemble kleiner Boutiquen und Fischrestaurants integriert. Viele Touristen machen Kaş zu ihrer Basis, um von hier aus Tagesausflüge wie zur Kaputaş-Bucht zu unternehmen.
Der schneeweiße Strand der Kaputaş-Bucht mit dem türkisblauen Wasser gehört neben dem leider vollkommen überlaufenen Ölüdeniz-Strand zu den schönsten Küstenabschnitten Lykiens.
Viele Touristen zieht es auch ins Hinterland in die Saklıkent-Schlucht. Mehrere Kilometer lang ist die schmale Schlucht, die man durch eiskaltes Wasser durchwandert. Je tiefer man in die Schlucht kommt, desto beeindruckender ist sie. An einigen Stellen ragen die Felswände bis zu 300 Meter in die Höhe, sind aber nur etwa zwei Meter voneinander entfernt (einen Bericht über die Wanderung durch die Saklıkent-Schlucht finden Sie hier).