Süddeutsche Zeitung

Luxustouristen aus China:Chinese? Welcome!

Chinesen kaufen gern Luxusgüter für sich selbst und die Lieben daheim, nur bisher eher in Paris oder Rom. Nun will London nicht mehr zusehen, wie der Geldstrom der Shoppingweltmeister nur wegen eines benötigten Extravisums vorbeifließt. Und nimmt dafür freudig lärmende Reisegruppen in Kauf.

Von Kai Strittmatter, Peking

Vielleicht kam dem britischen Schatzkanzler George Osborne die Eingebung beim Studium des Londoner Immobilienmarktes: Jede vierte Wohnung wurde im letzten Jahr von Chinesen gekauft. Vielleicht ereilte sie ihn während der Olympischen Spiele 2012. Damals eilten Tausende chinesischer Reporter nach London, vorgeblich, um über die Goldmedaillen ihres Teams zu berichten. "In Wirklichkeit aber interessiert uns Journalisten nur eines", kabelte die Reporterin Tong Li von Hubei TV nach Hause: "Luxusmarken". Sie berichtete vom Ausflug ins Outletcenter Bicester Village: "80 Prozent der Kunden waren Chinesen." Und sie kauften wie wild: "Gucci, Burberry, Prada."

Osborne hat nun zum Auftakt seiner Chinareise als Erstes Visa-Erleichterungen für chinesische Touristen verkündet. Die Briten wollen den Chinesen an den Geldbeutel. 90 Millionen Auslandsreisen in diesem Jahr - die Chinesen sind Reiseweltmeister. Und sie gaben auf ihren Reisen 2012 mehr als 102 Milliarden Dollar aus, das macht sie zum Shoppingweltmeister. Bei der britischen Regierung hätten "die Alarmglocken geläutet", meldet der Guardian, "als eine Studie ergab, dass die Chinesen eine ungleich größere Anzahl teurer Designerhandtaschen in Paris erstehen als in London". Chinesen lieben Paris, Mailand und Rom, das lässt sich alles mit einem Schengenvisum besuchen - für England aber brauchten sie bislang ein Extravisum. Nicht mehr lange.

Noch immer kann sich nur ein kleiner Teil der Chinesen Auslandsreisen leisten, aber bei 1,3 Milliarden Menschen ist auch ein kleiner Teil eine Menge. Und wie das so ist in einer neureichen Gesellschaft: Man erkauft sich Status, und so sind in China auch solche ganz wild nach dem Schal von Gucci, die ihn sich vom Mund absparen müssen. Die Einkäufe in China selbst gehen dabei gerade merklich zurück, seit Chinas neuer Parteichef Xi Jinping Askese verordnet - das schreckt die gut Geschmierten unter den Beamten. Vor allem aber sorgen Chinas saftige Luxussteuern dafür, dass man auf der Pariser Champs-Élysées um ein Drittel billiger einkauft als in Peking oder Shanghai. Gleichzeitig ersteht man damit die Gewissheit, nicht das gleiche Täschchen spazierentragen zu müssen wie das Kindermädchen zu Hause, das sich auf Pekings "Seidenmarkt" die Louis-Vuitton-Imitation für zehn Euro besorgt hat.

Wer kann, kauft in Hongkong, New York oder Europa. Das Schnäppchen für einen selbst, aber auch der soziale Druck, Freunden und Verwandten teure Geschenke mitbringen zu müssen, lässt chinesische Gruppenreisen oft in wahre Einkaufsorgien ausarten, bei denen Louvre, Uffizien und Königsschlösser zu Lückenfüllern verkommen, wenn sich gerade kein Duty-Free-Shop findet. Europas Händler haben sich darauf eingestellt: Angestellte in Frankfurt, Zürich und Paris servieren grünen Tee, parlieren Chinesisch und lernen, über den Radau hinwegzublicken, den solch ein Trupp veranstaltet. Noch einmal der britische Schatzkanzler: "Die Anzahl der Chinesen, die uns besuchen können, kennt keine Grenzen. Die Höhe der Geschäfte, die wir miteinander tun können, kennt keine Grenzen." Wo die Kassen klingeln, sind die Arme weit offen - und selbst nüchterne Minister klingen berauscht.

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SZ vom 15.10.2013/kaeb/rus
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