Luxushotel in Andermatt:In der Anderwelt

The Chedi Andermatt Schweiz Sawiris Skifahren Luxusresort Alpen

Mit dem Chalet in XXL-Maßen hat sich der ägyptische Unternehmer Sawiris einen Traum erfüllt. Für seine Geburtstagsfeier am Berg müssen die Skifahrer schon mal weichen.

(Foto: The Chedi Andermatt)

Das schweizerische Dorf Andermatt steht kurz vor der Verwandlung in ein Luxus-Ressort: Im Hotel The Chedi, das ein ägyptischer Unternehmer gebaut hat, zahlen Gäste mindestens 600 Franken pro Nacht. Die Dorfbewohner nehmen einiges in Kauf für das Projekt - für viele ist es die "allerletzte Chance".

Von Monika Maier-Albang

Der Meister ist da, und er schwebt durch sein Werk. Geht vorbei am Vorhang aus Kristall, der sich beim Empfang Besuchern als Fotomotiv andient, umrundet die Glasvitrine, in der Käselaibe einem feinen Sprühregen ausgesetzt sind, streift durch die Lobby, in der sich die Gäste auf überdimensionalen Sofas vor dem Kamin rekeln. Schließlich versteht sich The Chedi, Andermatts neues Fünf-Sterne-Hotel, als erweitertes Zuhause. Für Menschen, die mal eben mindestens 600 Franken für eine Nacht ausgeben können, die sich vom "Ski-Butler" das Outfit für die Piste zusammenstellen oder vom "Cigar-Butler" beraten lassen wollen. Und davon gibt es offenbar viele.

Vor allem Schweizer buchen, aber auch Deutsche, Italiener, Engländer sowieso - Letztere haben in Andermatt in der Schweiz den Tourismus begründet. Seit der Eröffnung am 20. Dezember sei das Hotel "sehr gut belegt", sagt Alain Bachmann, der Manager. Für Wochenenden gilt schon ein Mindestaufenthalt von zwei Nächten. Und wenn Samih Sawiris, der Meister, vor einem steht, lächelnd, selbstbewusst, das Sakko übers krawattenfreie Hemd geworfen, wirkt er wie von einer Zentnerlast befreit - schon bevor er sagt, dass er "so erleichtert" sei. Weil das Hotel jetzt nach Jahren der Planung läuft. Weil die Gäste zufrieden zu sein scheinen. Weil die Mitarbeiter zwar noch kein eingespieltes Team, aber extrem freundlich sind. "So viele haben nicht geglaubt, dass wir es schaffen", sagt Sawiris. Denen hat er es jetzt gezeigt.

Das Chedi ist so etwas wie das jüngste Kind des Millionärs. El Gouna, die Retortenstadt am Roten Meer, hatte der 57-jährige ägyptische Unternehmer und Verwaltungsratspräsident der Orascom-Gruppe Ende der 80er Jahre erbaut. Das Andermatt-Projekt begann 2005, als der Schweizer Botschafter in Ägypten seinen Freund auf das Dorf am Fuße des Gotthard aufmerksam machte. Ein Dorf auf 1447 Metern Höhe, umgeben von Skihängen, mit einem Kern aus alten Holzhäusern und einem Problem: Jahrelang war nicht investiert worden. Der Ort hatte von den im Urserntal stationierten Soldaten gut gelebt; erst als die Truppen verringert wurden, fiel den Andermattern auf, dass sie die touristische Entwicklung verschlafen hatten.

Dabei hatte Andermatt noch Anfang des 20. Jahrhunderts wohlhabende Gäste. Das Talmuseum zeigt ein Foto, auf dem Damen in Rock und mit Hut sich zu Ski vom Pferd ziehen lassen. "Ski-Boys" hatten sie damals schon, allerdings gab es Forelle, nicht Gelbschwanzmakrele, die sich der Küchenchef im Chedi jetzt dreimal die Woche aus Japan kommen lässt. Und eine Magnumflasche Burgunder für 17 000 Franken dürfte auch niemand vorrätig gehabt haben. Auf einer eigens angelegten Eisfläche vor dem damals besten Haus, dem Bellevue, vertrieb sich die Gesellschaft die Zeit mit "Shovel-play": Die Damen schoben die Herrn mit Schaufeln übers Eis. Maskenbälle, Kammerkonzerte, all das war irgendwann überholt, das Hotel veraltet. 1986 wurde das Bellevue abgerissen, seitdem stand der so praktisch neben dem Bahnhof gelegene Grund leer. Jetzt steht das Chedi darauf - und auf ihm ruht die Hoffnung eines Dorfes, das anknüpfen möchte an die alten, reichen Zeiten.

Mehr Luxus, weniger Abwanderung

Und so wird es wohl kommen. Der "kantonale Jetset" sei ja schon länger bei ihnen zu Gast, sagt Roger Nager, der Bürgermeister, der hier Gemeinderat heißt. Nun erwarteten sie den internationalen. Den "ersten Bentley im Winter" hat Mary Russi, die durchs Museum führt, schon entdeckt. Wobei das Chedi mit seinen 104 Zimmern, die erste europäische Filiale der Hotelkette GHM aus Singapur, ja nur den Anfang macht. In den nächsten Jahren wird sich Andermatt in ein Luxus-Alpenresort verwandeln: sechs Hotels, 500 Appartements, 25 Villen, einen Golfplatz will die mit Orascom verbundene Andermatt Swiss Alps AG hier errichten. Eine Investition in Höhe von 1,8 Milliarden Schweizer Franken.

Das Dorf wird seinen Charakter verändern. Die Immobilienpreise sind bereits gestiegen. Von einer Dachgeschosswohnung hat Nager gehört, dreieinhalb Zimmer, hundert Quadratmeter, die für 1,3 Millionen Franken verkauft worden sein soll. Und die Angestellten des Hotels finden keine Zimmer im Ort, ihr Arbeitgeber hat zwei Hotels angemietet, um sie unterzubringen. Andererseits: "Die Tendenz der Abwanderung konnten wir stoppen", sagt Nager - 1545 Einwohner sind sie jetzt wieder, so viele wie zuletzt in den 1980er Jahren. Die jungen Andermatter sähen im Ort wieder eine Zukunft. Die geschäftstüchtigen unter den Älteren tun dies ohnehin. Ange Furrer-Larsen etwa hat Sortiment und Namen ihres Souvenirgeschäfts angepasst: Bilder, antike Truhen, Felle von der Gams sind im "Hüttenzauber", einst "Bazar Ange", nun gefragt. Gerade verkauft: ein Kerzenständer aus Mufflonhorn, 650 Franken.

Das Chedi liegt ein paar Häuser entfernt: eine Ansammlung von XXL-Chalets, die der belgische Architekt Jean-Michel Gathy mit Holzlamellen verhängt hat, damit sie nicht zu monströs wirken. Tatsächlich hat man innen das Gefühl, von mehr Raum umgeben zu sein, als der Blick auf das Gebäude vermuten lässt, in dem 300 Millionen Franken verbaut wurden - die Hälfte davon aus Sawiris Privatvermögen, da die Orascom-Gruppe Verluste gemacht hatte.

Viel Holz findet sich im Chedi, viel dunkles zumal. Das wirkt gemütlich in der Lobby und interessant im Spa mit seinem Kaltwasserbecken aus Granit, in das man hinabsteigt wie zu einer urchristlichen Taufe. Düster aber sind die Zimmer, in denen sich so ziemlich alles, vom Fernseher bis zu den Gasöfen, die aussehen wie Aquarien, in denen Flämmchen züngeln, übers iPad steuern lässt. Damit kann man zurechtkommen, selbst wenn man nicht technikaffin ist. Alternativ gibt es Schalter. Trickreicher ist da schon, dass im gesamten Gebäudekomplex auf Beschilderung verzichtet wurde. Das "Fühl-dich-wie-zu-Hause"-Konzept kann zu Druck in der Blase führen. Oder zu einer gruppendynamischen Übung, bei der sich auf den Verbindungsgängen im ersten Stock ahnungslose Menschen in kuscheligen Bademänteln gegenseitig nach dem Weg zum Pool befragen. Dort liegt man auf großen Ledersofas, mit Blick auf verschneite Hänge, durch getönte Scheiben.

The Chedi Andermatt Schweiz Sawiris Skifahren Luxusresort Alpen

Viel dunkles Holz und fernbediente Elektronik - darauf setzt das Chedi.

(Foto: The Chedi Andermatt)

Draußen ist die Anderwelt. Manche Gäste lassen sich vom Fahrdienst zum wenige Meter entfernten Skilift bringen oder zum Abendessen die Straße hinauf zum Bären. Wobei das durchaus sinnvoll sein kann, weil die Gemeinde es nicht schafft, die Gehwege rutschsicher zu halten. "Und das war das einzige, was ich mir vom Chedi erhofft hatte", sagt Susi Müller. Sie hat ein Antiquitätengeschäft, stammt aus der Dynastie derer, denen einst das Bellevue gehörte. Ihre Tante Ines Müller, letzte Tochter der Besitzerfamilie, lebt heute 95-jährig im Altenheim. Das wird nun umziehen. Das Chedi, drumherum erbaut, hat den Blick auf die Berge verstellt.

"Es ist ein Geben und Nehmen"

Es haben ja einige Andermatter einiges in Kauf genommen für das Projekt. Besucht man etwa Hans Regli-Simmen, der dem Gast erst sich als "Bauer aus Leidenschaft" und dann sein Braunvieh vorstellt, das im Erdgeschoss des Hauses überwintert, bekommt man eine Ahnung davon. Die Bauern mussten Weideland abgeben für den Golfplatz. Einer der ihren ist weggezogen, drei haben die Landwirtschaft aufgegeben, arbeiten jetzt am Golfplatz oder im Sanitärbetrieb. Regli-Simmen hat Flächen getauscht. Er macht nicht den Eindruck eines Mannes, der sich über den Tisch gezogen fühlt oder von "Sawiris gekauft" wurde, wie manche in den Nachbardörfern jetzt frotzeln. "Es ist ein Geben und ein Nehmen", sagt der Bauer.

Skifahrer müssen weichen

Sawiris gibt Geld, der Ort bekommt Wohlstand - und Arbeitsplätze. Über Zulieferdienste, an den Pisten, im Hotel selbst. 165 Mitarbeiter sind dort beschäftigt, 40 Prozent Schweizer. So wollte es der Kanton, so wollten sie es auch im Hotel, um mit "Swissness" werben zu können: mondän sein und trotzdem im Ort verwurzelt. So ganz anders also, als sich die Schweiz derzeit präsentiert - misstrauisch gegenüber allem, das von außen kommt. Vorbehalte gab es anfangs zwar auch gegen Sawiris, aber durch seine Freundlichkeit, seine Präsenz hat er die Andermatter für sich gewonnen. "Und es sieht so aus, dass es gut geht", sagt Regli-Simmen. Allerdings: Er hätte sich der Entwicklung auch nicht entziehen können. "Der Druck auf die Bauern war schon sehr groß." Wer will schon als Verhinderer dastehen, wenn die Mehrheit im Ort das Projekt als "allerletzte Chance" begreift.

Andermatt Schweiz Alpen Kanton Uri

Das Bergdorf wird sich verändern -zum Besseren, hoffen viele Bewohner.

(Foto: Monika Maier-Albang)

Ob es Sinn macht, so in den Wintertourismus zu investieren, während oben am Gemsstock der Gurschengletscher mit allen Mitteln vorm Schmelzen bewahrt werden muss, ist eine andere Frage. Im Sommer soll mit dem Ausbau des veralteten Skigebiets begonnen werden; Sawiris will sich das weitere 130 Millionen kosten lassen. Seinen Geburtstag im Januar hat er oben am Hang gefeiert. Zweihundert Gäste kamen, darunter sein betagter Vater. Gute Werbung für Andermatt. Das Bergrestaurant am Nätschen allerdings musste für die Feier schließen, die Skifahrer zogen grummelnd von dannen. Wie sagte Regli-Simmen noch: Ein Geben und Nehmen.

Informationen

Anreise: Mit der Bahn oder dem Flugzeug über Zürich, z. B. mit Swiss von München nach Zürich, ab ca. 350 Euro, www.swiss.com, weiter mit dem Mietwagen. Im Zug ab München nach Andermatt, hin und zurück ab ca. 250 Euro, www.bahn.de

Hotel: Übernachtung im DZ inkl. Frühstück ab 530 Euro, www.thechedi-andermatt.com

Weitere Infos: www.andermatt.ch, www.talmuseum-ursern.ch

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