Süddeutsche Zeitung

Lufthansa spart:Willkommen an Bord, liebe Sardinen!

Mancher Billigflieger bietet mehr Komfort als die Etablierten. Nun verringert auch Lufthansa den Sitzabstand - vier Airlines im Vergleich.

Jens Flottau

Eigentlich ist die New Yorker Fluggesellschaft Jetblue Airways ein Billiganbieter. Doch in den vorderen Reihen des Airbus, der an diesem Herbsttag von New York nach Fort Lauderdale fliegt, können die Passagiere bequem die Beine übereinander schlagen oder noch eine Tasche abstellen.

Nichts wird stören, es ist ja genügend Platz, 38 Inches, also 96,5 Zentimeter, sind es von Rückenlehne zu Rückenlehne. Auf der anderen Seite des Atlantiks hingegen hat die Lufthansa, die an Jetblue beteiligt ist, alle Mühe, den Kunden zu erklären, wieso das Unternehmen den Sitzabstand verringern will.

Die Airline-Welt ist in Unordnung geraten, seit die Billiganbieter die Etablierten gehörig unter Druck setzen. Längst stimmt die Annahme nicht mehr, dass bei den günstigen Anbietern Sitz oder Essen schlechter sind als bei den Lufthansas der Welt, manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall, wie in den ersten acht Reihen auf jedem Jetblue-Flug.

Jedenfalls sind auf Kurzstrecken die Qualität des Essens oder das Platzangebot nicht mehr unbedingt ein Argument, sich für oder gegen Billigflieger zu entscheiden. Auf der Langstrecke gilt auf der anderen Seite: Wer viel Geld ausgibt, der kann heute immer luxuriöser reisen.

Bei Kurz- und Mittelstrecken wurde bis vor wenigen Jahren für Einheitspreise ein ziemlich einheitliches Produkt angeboten. Inzwischen haben aber die Billig-Airlines für eine Revolution namens "à la carte pricing" gesorgt. Auf deutsch: Die Passagiere kaufen ein Basisprodukt, wer Zusatzleistungen will, muss extra zahlen.

Essen und Getränke gibt es in der Regel nicht mehr kostenlos, Fenstersitze können ebenso teurer sein wie das Recht, als Erster einsteigen zu können. Die Billig-Airlines waren äußerst kreativ beim Erfinden neuer Angebote und Gebühren, an der Spitze wie immer Ryanair-Chef Michael O'Leary. Der hat mit seiner Debatte über Toiletten-Gebühren nach allgemeinem Empfinden dann aber deutlich über das Ziel hinausgeschossen.

Vergleichsweise generös ist noch Air Berlin. Es gibt auch auf kurzen Flügen immer Snacks. Auf längeren Reisen können die Passagiere sich gegen Aufpreis ein "Gourmet-Menü" bestellen. Die Frage ist allerdings, wie lange sich Air Berlin kostenlose Wohltaten für die Passagiere noch wird leisten können. Bei der Lufthansa - keine Billig-Airline und derzeit mit einem gehörigen Kostenproblem versehen - gibt es auf innerdeutschen Strecken hingegen nur noch Getränke.

Allein innerhalb Europas existieren bei der Firma sechs verschiedene Servicestufen. Auf Stufe 1 muss es ein Kaffee tun, bei Stufe 6 (ab drei Stunden Flug) können selbst Economy-Passagiere zwischen zwei kostenlosen Menüs auswählen.

Der Sitzabstand auf den Kurz- und Mittelstrecken soll von derzeit 30 bis 32 Inches, also 76,2 bis 81,3 Zentimeter, auf 30 Inches verringert werden. Dadurch will Lufthansa in einem Airbus A320 zwei zusätzliche Sitzreihen und damit 168 statt 156 Passagiere unterbringen. Der Konzern hofft dadurch auf mehr Umsatz. Allerdings sollen neue Sitze mit dünneren Rückenlehnen dafür sorgen, dass wenigstens die Kniefreiheit gleich bleibt.

Auch in Sachen Freigepäck wird Lufthansa knauseriger. Auf den Nordamerika-Strecken müssen die Passagiere künftig für das zweite Gepäckstück, das sie einchecken wollen, 40 Euro oder 50 Dollar extra bezahlen.

Wer bietet mehr: Den Direktvergleich zwischen den vier Airlines Lufthansa, Qantas, Ryanair und Emirates finden Sie auf den folgenden Seiten ...

Sitzabstand (in der Economy Class): 76,2 bis 89,0 Zentimeter

Essen: ab einer Stunde Flugzeit Snacks, ab Mittelstrecke warme Gerichte, kostenlos

Im Europaverkehr müssen sich die Passagiere bald mit weniger Platz begnügen, wenn die Sitze in der Economy Class enger gestellt werden. Allerdings ist Lufthansa bisher noch vergleichsweise großzügig gewesen. Konkurrent Air France etwa bringt in einem Airbus A321 drei Sitzreihen mehr unter als Lufthansa im gleichen Flugzeugtyp. Die Langstreckenpassagiere in der Business und First Class bekommen von 2010 an bessere Sitze. Im Branchenvergleich ist Lufthansa allerdings derzeit nur noch Mittelmaß, vor allem die First Class muss dringend renoviert werden.

Die neuen Sessel werden erstmals im ersten Lufthansa-Airbus A380 vorgestellt, der im Sommer 2010 ausgeliefert wird. Derzeit plagen Business-Class-Reisende vor allem die sich um neun Grad nach vorne neigenden Schlafsessel, auf denen man nach vorne zu rutschen droht.

Sitzabstand (in der Economy Class): 78,7 bis 81,3 Zentimeter

Essen: warme Gerichte, kostenlos

Luxuriöse Flugzeugkabinen haben die staatlichen Qatar und Etihad Airways angeschafft, bei denen ein Gewinn vorerst keine Rolle zu spielen scheint. Darüber hinaus gibt es börsennotierte Fluggesellschaften wie die australische Qantas Airways, die trotz Budgetzwängen ins Bordprodukt investiert.

2,03 Meter Sitzabstand können die Business-Class-Kunden an Bord der Airbus-A380-Maschinen genießen, mehr als bei den meisten Konkurrenten. Die wichtigsten Qantas-Langstrecken gehören mit rund 20 Stunden reiner Flugzeit aber auch zu den längsten Routen der Welt.

Sitzabstand (in der Economy Class): 76,2 Zentimeter

Essen: Snacks, gegen Bezahlung

Mit seltsamen Ideen wie höheren Preisen für dicke Passagiere oder Toilettengebühren füllte Ryanair-Chef Michael O'Leary das in diesem Jahr besonders ausgeprägte Sommerloch und konnte sich ob der dadurch erzielten Aufmerksamkeit einige Anzeigenseiten sparen. Dass manche die Idee ernst nahmen, liegt womöglich daran, dass man Ryanair mittlerweile ziemlich viel zutraut, wenn es darum geht, Zusatzgebühren zu erfinden. So muss man auch dafür bezahlen, wenn man nicht im Internet eincheckt, sondern am Flughafen. Einfache Regel: Im Prinzip gibt es fast alles, außer viel Platz, es kostet halt nur extra.

Auch Essen und Getränke an Bord müssen die Gäste bezahlen. Ryanair argumentiert, dass die Passagiere alles, was zusätzliche Kosten verursacht, auch selbst tragen sollen. Die Einnahmen jenseits der eigentlichen Ticketpreise machen mittlerweile etwa ein Fünftel des gesamten Umsatzes aus und sind damit aus dem Ryanair-Geschäftsmodell nicht mehr wegzudenken.

Sitzabstand (in der Economy Class): 79,0 bis 86,0 Zentimeter

Essen: warme Gerichte, kostenlos

"Wenn wir die Bar wieder ausbauen würden, dann würden die Leute Sturm laufen", scherzt Emirates-Airline-Chef Tim Clark. Deswegen bleibt die Business-Class-Bar an Bord der Airbus-A380-Flotte von Emirates erhalten. Mit der Bar hat die Airline fast schon eine Ikone der Luftfahrt wiedererschaffen: Anfang der siebziger Jahre befanden sich Bars im Oberdeck der damals neuen Boeing 747. Der Inbegriff luxuriösen Reisens fiel aber bald den Sparzwängen zum Opfer.

Stattdessen bauten die Airlines auch im Oberdeck Sitze ein. Die First-Class-Gäste von Emirates können nun aber sogar duschen, zumindest an Bord der A380. Auf ihren Sitzen sollen sich die Passagiere wie in einer verkleinerten Hotel-Suite fühlen. Es gibt sogar einen "Bitte nicht stören"-Schalter, die Türen zum Sitz öffnen sich per Knopfdruck. Wer allerdings gemeinsam mit Kollegen reist, dem dürfte die Kommunikation schwer fallen. Vor lauter Trennwänden sind die anderen Passagiere nicht mehr zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 26.11.2009/kaeb
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