London:Rücksichtslos in der U-Bahn

Britische Zurückhaltung? Von wegen! In der Londoner U-Bahn herrscht im Kampf um einen Sitzplatz das Recht des Stärkeren.

In der chronisch überfüllten Londoner U-Bahn herrscht zwischen den Passagieren einer Studie zufolge das "Recht des Stärkeren". Auf der Jagd nach einem Sitzplatz ignorierten die Fahrgäste gerne hilfsbedürftige Mitreisende wie Schwangere oder Eltern mit Kleinkindern, hieß es in dem Bericht für die Stadtverwaltung.

"Ich bin in der U-Bahn verglichen mit dem normalen Leben ein anderes Wesen. Ich bin nicht ich", sagte ein Befragter den Verfassern der Studie. "Ich bin weniger interessiert an anderen Menschen."

Bei den Fahrten in der Londoner "Tube" würden die üblichen Umgangsformen außer Kraft gesetzt, heißt es in dem Bericht weiter.

Die Insassen nähmen etwa rücksichtslos Sitzplätze ein, auch wenn andere sich hinsetzen wollten. Viele Fahrgäste versetzten sich zudem in einen "egoistischen" U-Bahn-Modus.

Dazu gehöre beispielsweise, dass sie sich etwa durch Musik von den Menschen um sie herum abschotteten. Zudem entwickelten viele Passagiere Taktiken, um überfüllte Waggons zu vermeiden: Manche fahren laut dem Bericht ein paar Stationen in die entgegengesetzte Richtung ihres eigentlichen Zieles, um einen Sitzplatz zu bekommen.

Die überfüllte U-Bahn werde von der großen Mehrheit der Reisenden als "höchst unangenehm und unnormal" empfunden, hält der Bericht fest. Viele Pendler fühlten sich dadurch müde und gestresst. Um sich von einer Fahrt in der "Tube" zu erholen, brauchten sei nicht selten eine Stunde.

Die Betreibergesellschaft der U-Bahn begrüßte den Bericht. Da immer mehr Menschen die U-Bahn nähmen, solle es dringend benötigte Verbesserungen geben, kündigte ein Sprecher an. "Wir geben Milliarden aus, um die Kapazität der U-Bahn um 30 Prozent zu erhöhen, das ist die größte Investition seit Jahrzehnten." Geplant seien unter anderem längere Züge, schnellere Fahrten und größere Stationen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: