Reisebuch "Liberia":Bessere Zeiten

Andreas Herzau fotografiert den Alltag in dem kleinen westafrikanischen Staat Liberia. Dabei setzt er sich ein hehres Ziel: Er will so wenige Klischees wie möglich zeigen.

Rezension von Stefan Fischer

Vor 25 Jahren war der Fotograf Andreas Herzau zum ersten Mal in Liberia. Seit sieben Jahren schon tobte damals ein Bürgerkrieg in dem westafrikanischen Land. Er konnte erst weitere sieben Jahre später, 2003, beendet werden. Millionen Menschen waren seinerzeit auf der Flucht vor den Kämpfen. Herzau wollte diesen Exodus und seine Ursachen mit seinen Bildern dokumentieren.

Normalerweise ist es das dann gewesen für ihn. "Es kommt nicht oft vor, dass ich mehrmals an einen Ort zurückkehre, an dem ich schon einmal fotografiert habe", schreibt Andreas Herzau im Begleittext zu seinem Fotoband "Liberia". In diesem Fall war es anders: 2005 war Herzau erneut im Land, das sich gerade auf die ersten demokratischen Wahlen nach dem Bürgerkrieg vorbereitete.

Ihn überkamen, so schildert er es in der Erinnerung, seinerzeit die ersten Zweifel an seinem Tun: In dem Jahrzehnt zwischen den beiden Aufenthalten in Liberia hatte er in verschiedenen Kriegs- und Krisengebieten fotografiert. "Mich beschlich die Erkenntnis, dass auch ich dazu neige, in erster Linie das Problem zu suchen: die Kriegsverletzten, die Massengräber, die Schäden durch Bürgerkriege und, nicht zu vergessen, die Armut."

Lange hat auch Herzau Bilder gemacht, die bestätigt haben, wie schlimm es um Afrika steht

Unter dem Deckmantel der humanitären Aufklärung würden Fotografen wie er in diese Länder reisen und über Gegebenheiten berichten, die eigentlich grundsätzlich bekannt seien. "Unsere Bilder - also auch die meinigen - bestätigen unablässig, dass alles schlimm, wenn nicht gar hoffnungslos ist." Zum Beleg zeigt Herzau in dem Buch "Liberia" auf ein paar Seiten Kontaktabzüge seiner Fotonegative von damals, die das Kriegselend abbilden - eine Selbstanklage auch in Bildern. "Ich glaube, dass die zementierende Wirkung der fotografischen Opferberichterstattung nach wie vor in Kauf genommen wird, weil sie einfach ist."

Reisebuch "Liberia": Seine Szenen haben oft ein gewisse Leichtigkeit.

Seine Szenen haben oft ein gewisse Leichtigkeit.

(Foto: Andreas Herzau)

Im selben Jahr, als Andreas Herzau zum zweiten Mal in Liberia war, veröffentlichte der kenianische Journalist Binyavanga Wainaina in der angesehenen amerikanischen Literaturzeitschrift Granta seinen längst legendären Text "How to write about Africa". Es ist eine zynische Gebrauchsanweisung für Menschen der sogenannten westlichen Welt, die über Afrika schreiben: "Zeigen sie niemals das Bild eines modernen Afrikaners", heißt es darin. "Auf keinen Fall darf die hungernde Afrikanerin fehlen, die sich halbnackt von Lager zu Lager schleppt. Ihre Kinder haben Fliegen in den Augenwinkeln und Hungerbäuche ..." So geht es über drei Seiten hinweg, der Text ist eine fulminante Bündelung von Afrika-Klischees, die Wainaina denen um den Kopf geschlagen hat, die sie produzieren. Zu diesen Klischees gehört auch das vom edlen Wilden.

"How to write about Africa" steht Herzaus "Liberia" als Einleitung voran, abgeschlossen wird sein Buch mit der deutschen Übersetzung der Philippika. Dazwischen präsentiert Andreas Herzau das ehrenwerte Ergebnis seines Versuchs, es anders zu machen. Er will in "Liberia" nicht die offensichtlichen Schattenseiten zeigen, aber auch nicht schwelgen in Szenerien traumschöner Landschaften, folkloristischer Kulissenhaftigkeit und wildromantischer Safariseligkeit. Herzau zeigt den Alltag.

Die Menschen gehen ihrer Arbeit nach, treiben Sport, gehen aus.

Es sind überwiegend Strand- und Großstadtszenen. Die Hauptstadt Monrovia ist unter architektonischen Aspekten hässlich, und es sieht auf den Fotografien auch nicht so aus, als sei sie sonderlich funktional. Andreas Herzau hat viele Wandgemälde fotografiert, die den grauen Beton als Leinwand nutzen. Gerne würde man mehr erfahren über die Bilder, über ihre mögliche gesellschaftliche Funktion.

Die Menschen gehen ihrer Arbeit nach, treiben Sport, gehen aus. Es gibt Bilder, auf denen sich die Porträtierten selbstbewusst präsentieren, andere wirken so, als würden die Menschen die Kamera nicht bemerken oder aber ignorieren. Auf etlichen Fotografien ist den Menschen ihre Armut anzusehen und die Einfachheit ihrer Lebensumstände. Es sind deswegen aber keine trostlosen Bilder. Stattdessen wohnt vielen - nicht allen - eine gewisse Leichtigkeit inne. Und eine wohltuende Beiläufigkeit.

Andreas Herzau: Liberia. Mit einem Essay von Binyavanga Wainaina. Nimbus Verlag, Wädenswil 2021. 146 Seiten, 32 Euro.

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