Süddeutsche Zeitung

Leser-Erlebnisse auf dem Berg:"Was dann passierte, kann man sich ja denken"

Empörte Kühe und feierwütige Rentner, ein Wolkenwunderland und der Kampf um den Schlafsack: Was SZ-Leser in und um Berghütten erlebt haben.

Wir hatten SZ-Leser nach unvergesslichen Momenten, kuriosen Situationen und merkwürdigen Begegnungen in Berghütten gefragt - und mussten feststellen: Auch rings um die Hütten geht nicht immer alles mit rechten Dingen zu. Eine Auswahl der schönsten (und schauerlichsten) Geschichten:

Und dann zwickt jemand in den Zeh

"Ich war mit einem Kumpel bei der Durchquerung des Steinernen Meeres eine Nacht auf dem Riemannhaus. Weil wir eine recht lange Tagesetappe bei 34 Grad Celsius hatten, ging es schon um halb zehn ins Bett. Leider war das Matratzenlager direkt unter dem Dach, da fiel das Einschlafen in der Hitze schwer. Kurz vor der erlösenden Traumphase kamen zwei Zimmergenossinnen 'leise' herein. An Einschlafen war erst mal wieder nicht zu denken ... Weniger Probleme hatte meine neue Matratzennachbarin. Entweder war ihr die Hitze egal oder sie hatte dem Wirt entsprechenden Umsatz beschert. Sie schlief in kürzester Zeit - und begann, lautstark zu schnarchen.

Zuerst beugte sich mein Kumpel über mich, um zu hören, ob ich der Übeltäter war. Eine Viertelstunde später merkte ich, dass sich im Zimmer etwas rührte und kurz drauf wurde ICH in den Zeh gezwickt!

Meine Nachbarin aber schlief offenbar so gut wie noch nie, zumindest war sie am nächsten Tag fit - während mein Freund und ich uns die Übernachtung eigentlich hätten sparen können. Das einzig Gute daran: Wir haben immer wieder etwas zu lachen, wenn wir an diese Tour denken." Hannes H., 28 Jahre

Silvester am Berg - einmalig, nur anders als gedacht

"Mein Vater ist passionierter Wanderer und damit waren Schulferien meist Wanderurlaube. Da lag es nahe, auch mal einen Jahreswechsel auf einer Berghütte zu feiern: am Edelsberg in den Allgäuer Alpen bei Pfronten. Darunter stellte sich mein Vater einen besinnlichen Abend in der Stille der Berge vor. 'Urig' nannte er das. Ein einmaliges Erlebnis sollte der Blick auf das mitternächtliche Feuerwerk im Tal werden, gefolgt von einer Fackelwanderung zurück ins Dorf. Doch es kam anders, und zwar weder urig noch besinnlich: Wir teilten uns die Hütte mit einer Gruppe wildgewordener Rentner, die absolut nicht vorhatten, die Jahreswende nüchtern zu erleben und alle anderen Gäste lautstark mit ihren Trinkspielen in Beschlag nahmen.

Für das Feuerwerk im Tal war es zu neblig und die Fackelwanderung zurück machte ein tief verschneiter und vereister Weg unmöglich. Aber ich werde nie vergessen, mit welcher Professionalität mein Vater daraufhin einen alten Holzschlitten mit zwei Taschenlampen als Scheinwerfer ausrüstete und wir so vor allen anderen den Weg ins Tal fanden." Carolin C., 27 Jahre

Sie sind gar nicht mein Mann!

"Mein Hüttenerlebnis liegt nun schon etliche Jahrzehnte zurück, aber ich habe mich noch Jahre später peinlich daran erinnert - heute kann ich darüber lachen.

Mein Mann und ich schliefen auf der Krefelder Hütte am Kitzsteinhorn im Matratzenlager. Es war sehr voll und eng. Nachts drehte ich mich auf die Seite, allerdings in die falsche Richtung. Plötzlich wurde jemand sehr zutraulich. Instinktiv fasste ich an einen Kopf mit Glatze. Mein Mann hatte seinerzeit aber einen vollen Haarschopf.

Der Mann beschuldigte mich dann auch noch, ihn angemacht zu haben. Es blieb mir nichts anderes übrig als aufzustehen.

Am nächsten Morgen war der Glatzkopf spurlos verschwunden. Noch Jahre danach habe ich mich in einem Matratzenlager immer mit dem Rücken zur Wand gelegt." Inge M., 80 Jahre

Freizügig am Berg

"Bei einem unserer Familienurlaube im Allgäu kam uns auf dem Mittagberg bei Immenstadt ein Wanderer entgegen, der bis auf eine kurze Unterhose nichts anhatte. Nicht einmal Schuhe! Der Tollkühne hielt auch nichts von Wanderwegen, denn er ging querfeldein, kreuzte den Pfad und marschierte die kürzeste Route weiter - geradeaus den Berg hinab.

Dieser Mann machte das anscheinend öfters, denn auch in den folgenden Urlauben sahen wir ihn. Jedem, wie es ihm gefällt." Lisa Becker

Ein schreckliches Gewitter - und dann diese Kühe

"Ein guter Freund und ich, beide Pfadfinder, waren auf einer einwöchigen Hüttentour und suchten wie jeden Abend auch bei der Nebelhorn-Etappe im Allgäu einen Platz zum Schlafen. Leider war die einzige Hütte weit und breit von einem Hirten belegt, der uns grimmig zurückwies. Also mussten wir uns irgendwo auf der Kuhweide einen Schlafplatz suchen; möglichst schnell, es regnete bereits. Später in der Nacht brach ein Gewitter los - auf 2000 Metern Höhe ist das ganz etwas anderes: Das Unwetter mit extrem lautem Donner wollte einfach nicht über den Berg hinwegziehen. Drei Stunden klammerte sich jeder von uns völlig durchnässt an zwei Zeltstangen, damit der Wind das Zelt nicht umriss oder wir den Hang runtergespült wurden.

Als wäre das nicht genug, entdeckten uns zwei ausgewachsene Kühe, die es gar nicht lustig fanden, dass wir auf ihrer Weide zelteten. Zum lauten Donner kam das Muhen der Kühe, die noch dazu unser Zelt abschleckten und sich dabei in den Schnüren verfingen, sodass das Zelt fast einstürzte.

Irgendwann hörte das Gewitter endlich auf und wir konnten noch zwei Stunden schlafen, bevor wir aufstanden, ein Bad im eiskalten Bergsee nahmen und den Abstieg ins Tal wagten." Lucas S., 17 Jahre

Ein schreckliches Gewitter - zum Glück sind die Kühe da

"Ich war mehrere Sommer auf der Alm im Schweizer Kanton Wallis nahe dem Simplonpass als Hirtin. Einmal brach ein wahnsinniges Gewitter los. Es hat so geblitzt, dass ich frühmorgens um vier Uhr jede einzelne Kuh sehen konnte. Sie haben sich alle im Wald versteckt und gezittert. Meine Lieblingskuh ist neben mir gelaufen und hat mir ein unglaubliches Gefühl von Sicherheit gegeben. Das war total verrückt: Einerseits hatte ich große Angst, vom Blitz getroffen zu werden, andererseits fühlte ich mich neben den Kühen so sicher wie noch nie." Ellena Brandner

Die Hütte ist nicht hoch genug

"Wir sind eine Gruppe Augsburger, die regelmäßig auf eine alte Berghütte am Distelberg im Zillertal fährt. Als wir im November wieder oben waren, war das Wetter extrem schlecht: Es regnete zwar nicht, aber der Nebel war so dicht, dass es dunkel war wie in der Nacht und wir keine 20 Meter weit sehen konnten. Etwas verzweifelt klickte ich auf die Live-Webcam des benachbarten Skigebiets - und siehe da: Die etwa 300 Höhenmeter über uns stationierte Kamera zeigte strahlenden Sonnenschein über einem Meer aus Wolken.

Also sind wir eine Stunde lang bergauf gewandert, um dort die Sonnenstrahlen zu genießen. Bei einem Picknick bot sich uns ein unglaubliches Naturschauspiel: Die auf- und absteigenden Winde bewegten die Wolkenmassen im Tal und formten Wellen, Strudel und mit viel Fantasie auch lebendige Wesen, die sich aus dem Meer aufbäumten, um dann langsam wieder darin zu versinken.

Bei Sonnenuntergang machten wir uns wieder an den Abstieg ins dichte Wolkenmeer, wo unsere warme, beleuchtete Hütte mich ein wenig an das Haus des kleinen Wassermanns von Otfried Preußler erinnerte." Lasse L., 20 Jahre

Erst Brand, dann Alarm

"Das Hochweißsteinhaus in den Karnischen Alpen war an Mariä Himmelfahrt überfüllt, gegessen wurde teilweise auf Bierbänken im Schlafgeschoss. Zu später Stunde verkostete ich mit zwei langjährigen Bergkameraden noch ausgiebig den traditionell mitgeführten Ruhpoldinger Obstbrand, schließlich sollte der Rucksack am nächsten Tag leichter sein.

Danach war mein Nachtschlaf tief, wenn auch die Träume irgendwie akustisch unruhig waren.

Am nächsten Morgen großes Hallo: Wohl aufgrund der Überfüllung der Schlafräume hatte es gegen Mitternacht einen Rauchmelderalarm gegeben, so dass sich die gesamte Hüttenbesatzung im Schlafgewand vor dem Gebäude versammelte - bis auf uns drei müde Wanderer, die partout nicht wachzurütteln waren." Ansgar H.

Hier schlafe ich

"Als ich auf der Bielefelder Hütte vom Abendessen in unser Matratzenlager zurückkam, lag in meinem Schlafsack friedlich schnarchend ein mir völlig unbekannter Mann. Nachdem ich ihn nach unzähligen Versuchen endlich wach bekommen hatte, musste ich feststellen, dass er nicht nur müde, sondern auch völlig betrunken war: Er beharrte hartnäckig darauf, liegen zu bleiben. Es dauerte mehr als eine halbe Stunde, bis ich meinen Schlafplatz samt Schlafsack zurückerobert hatte." Sebastian H.

Weg zurück im Galopp

"Eine Tiroler Almhütte auf dem Zinsberg mit 360-Grad-Panoramasicht inklusive Bergsee und Blick aufs Kaisergebirge. Wir saßen auf der Holzterrasse in einem der rot-weiß gestreiften Liegestühle in der Sonne. Dort kann man alles vergessen, auch wir waren zu weit weg für den Alltag. Aber nur, bis wir einen Blick auf die Uhr warfen: Noch 30 Minuten bis die letzte Gondel ins Tal fuhr, bei einer Stunde Fußweg bis zur nächsten Liftstation. Also rannten wir. Über Kuhwiesen, durch Wälder und kniehohes Gras.

Geschafft haben wir es trotzdem nicht und mussten auch den restlichen Weg zu Fuß gehen. Aber für die Zeit im Liegestuhl hat es sich gelohnt." Annika S., 19 Jahre

Und der Ehemann lag schnarchend daneben

"Nach dem Aufstieg von Brixen hatte ich oben am Latzfonser-Kreuz-Haus Glück bei der ersten Hüttenübernachtung meines Lebens: Ich erwischte den letzten Platz im Lager, der auch noch direkt neben der Wand war. Zum Abendessen schmeckte der 'Tiroler Rote' auch nicht schlecht. Manchen schmeckte er fast zu gut - insbesondere einem Ehepaar, das mit einem gemeinsamen Freund unterwegs war. Im Lager hatte das Trio die Schlafplätze neben mir, die Frau lag in der Mitte. Der Gatte war innerhalb kürzester Zeit eingeschlafen, die anderen beiden nicht - und ich leider auch nicht. Was dann passierte, kann man sich ja jetzt denken - mit schnarchendem Ehemann daneben!" Reiner Hager

"Bei bestem Wetter wanderten wir auf den Hundstein im Pinzgau. Gegen Nachmittag zog der Himmel zu und als wir in der Hütte saßen, war der Nebel so dicht, dass die Scheiben aussahen, als habe sie jemand mit weißer Farbe bemalt. Wir fragten den Hüttenwirt, ob er wisse, wie das Wetter am nächsten Tag wird. Der antwortete zwar nicht, ging aber zur Tür und schaute eine Weile nach draußen. Als er wiederkam, sagte er, dass das Wetter gut werden würde. Nach einem Moment unserer Freude ergänzte er: 'Aus Deutschland kommen zwei schlechte Sachen. Erstens: das Wetter. Zweitens: Frau Merkel.' Wir blieben etwas sprachlos zurück. Am nächsten Tag regnete es in Strömen." Sonja H., 28 Jahre

Luft schnappen in der Höhe

"Wir sind damals Mitte der 70er als Gruppe Jugendlicher, alle knapp über 20 Jahre alt, schon immer gern Skitouren gegangen, aber höchstens auf 3000er. Im jugendlichen Übermut und Tatendrang wollten wir aber einen Viertausender angehen: die Signalkuppe mit 4554 Metern.

Und die Gnifetti Hütte (etwa 3650 Meter) im Monte-Rosa-Massiv war mit einer Seilbahnstation 400 Meter darunter "leicht erreichbar" - so dachten wir wenigstens. Wir hatten uns schwer verschätzt: Statt eineinhalb Stunden Wegzeit haben wir uns trotz durchschnittlicher Kondition fast vier Stunden zur Gnifetti Hütte gequält. Eine weitere Demütigung erlebten wir kurz vor der Hütte. Im letzten Steilanstieg überholte uns ein weit über 60 Jahre alter Italiener, der aussah wie der Priester aus 'Don Camillo und Peppone' - hagere Gestalt, ein längliches Pferdegesicht und mitten drin große bleckende Zähne. Mit breitem Don-Camillo-Lächeln spurte er im Steilhang mit Schneeschuhen ohne Anstrengung an uns vorbei und sagte '35 Kilo', wobei er grinsend auf seinen prallen Rucksack deutete. Nachdem wir - obwohl es nicht mehr weit zur Hütte war - nach einer halben Stunde endlich die Hütte erreicht hatten, saß 'Don Camillo' längst bei einem Viertel Roten.

In der mehrstöckigen Hütte bewegten wir uns wie uralte Senioren mit 'Schaufensterkrankheit', verschnauften alle paar Stufen - nur lag es nicht an der Durchblutung, sondern an der fehlenden Akklimatisierung. Nach dem Essen gönnten wir uns auch ein einziges Viertel Rotwein, waren aber danach so zugedröhnt, als hätten wir ein paar Flaschen geleert.

Auch im Schlaflager lagen wir alle nach Luft schnappend im Halbdusel wie Karpfen, denen man das Wasser abgelassen hat, und murmelten in einem alptraumähnlichen Halbschlaf vor uns hin. Was wir daraus lernten: Man soll sich im jugendlichen Leichtsinn besonders im Hochgebirge nicht überschätzen. Für uns ist es auch wegen der guten Wetterlage glimpflich ausgegangen, war aber allen eine deutliche Warnung: Bis heute sind wir immer ohne Schaden aus den Bergen zurückgekommen. Wir amüsieren uns aber noch immer köstlich über unseren Gnifettiaufenthalt." Günther Gerhardt

Im Sternenregen

"Ich habe vergangenen Sommer eine Woche lang auf einer Alp in den Glarner Alpen in der Schweiz geholfen und durfte um 4.30 Uhr morgens die Sternschnuppen-Nacht miterleben, während wir die Kühe reinholten. Es war stockduster und dieser unglaubliche Nachthimmel wurde von der zarten Musik der Kuhglocken untermalt." Olivia Bern, 19 Jahre

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