Lech-Zürs:Strandkorb am Berg

Selbst in diesem warmen Dezember hat Lech-Zürs Schnee - hilft aber nach.

Von Dominik Prantl

Lech-Zürs, mitten im Dezember. In der Tourismusinformation steht ein Strandkorb, er kam - wie auch manch anderer Strandkorb im Skigebiet - als Geschenk aus Kampen, Sylt. Der nordfriesische Inselort ist eine Partnergemeinde von Lech, das im Gegenzug eine Bergbahn-Kabine an den Kampener Strand ausrangierte. Wobei sich angesichts des irren Wetters die Frage aufdrängt, ob das nur ein werbeträchtiges Tauschgeschäft war oder doch eine böse Vorahnung.

Lech-Zürs: Das Panorama in der Arlberg-Region ist beeindruckend, die Preise sind es allerdings auch.

Das Panorama in der Arlberg-Region ist beeindruckend, die Preise sind es allerdings auch.

(Foto: Frank Heuer/laif)

Wandelt sich Sylt möglicherweise zum neuen Wintersportzentrum des Nordens und lässt sich demnächst ein paar brandneue Schneekanonen ans Meer liefern, während die Insel im Gegenzug all die Sterneköche über die unerträglich heißen Monate ins neue Sommerfrische-Paradies Lech-Zürs schickt?

So weit ist es glücklicherweise noch nicht, weniger deshalb, weil friesländische Sterneköche nicht ins internationalisierte Lech passen würden, sondern weil die Gegend rund um den Arlberg vorerst noch nicht an Schneemangel leidet. Betrachtet man die in einer Studie des Skitourismus-Forschers Günther Aigner geballten Messreihen, war Lech auch in den vergangenen Jahrzehnten noch immer ziemlich exakt die Hälfte des Jahres mit Schnee bedeckt, nämlich 187 Tage.

Zu verdanken hat die Arlberg-Region ihren Schneereichtum der Lage: Mit ihren Bergen als natürlichem Hindernis stellt sie sich in die Einflugschneise der meist von Nordwesten heranfliegenden Wolken, hinzu kommt die Höhe. Die Talorte Lech und Zürs liegen zwischen 1440 und 1720 Metern. Am Körbersee im mittlerweile durch den Auenfeldjet angegliederten Nachbarskigebiet Warth-Schröcken registrieren die dort ansässigen Wetterkundler durchschnittlich rund elf Meter Neuschnee pro Winter (knapp zwei Meter davon liegen im Schnitt da). In Zürs ist dieser Wert kaum niedriger, und selbst in Lech sind es seit dem Zweiten Weltkrieg 7,58 Meter. Bislang fehlen zwar dort noch per Augenmaß geschätzte 7,20 Meter, was aber immerhin bedeutet: Weiß ist an den hiesigen Hängen viel stärker vertreten als in so manch anderer Ecke der Alpen.

Ende November hat es nämlich ordentlich geschneit, und der Schnee hat sich für sein Alter erstaunlich gut gehalten. Fast etwas frühlingshaft sind für Skifahrer in der Vorweihnachtssaison die Bedingungen, vor allem wenn die Nachmittagssonne die Pisten aufsulzt.

Ob leicht überkandidelte Gastronomiebetriebe wie die Frozen Ice Bar mit VIP-Bereich für Champagnerkonsumenten, Fahrtrainings auf einem Offroad-Winterparcours oder das Musikfestival im April unter dem Motto "Vom Skischwung bis zum Hüftschwung": Letztlich ist all das nur Beiwerk.

Schon als ein gewisser Pfarrer Johann Müller im späten 19. Jahrhundert als erster historisch verbürgter Skitourengeher der Gegend von Warth bis nach Lech ging, avancierte der Schnee zum Star. Heute ist er es mehr denn je, auf und vor allem abseits der Pisten, wo Gelände-Abfahrten wie das Stierloch oder die Schwarze Wand Freerider aus aller Welt anziehen. Die Arlberg-Region wirbt nicht mehr nur mit 350 Pistenkilometern und 97 Liftanlagen, sondern auch mit 200 Kilometern Abfahrt im unpräparierten Gelände.

So ganz verlässt man sich aber auch hier nicht mehr auf die Hilfe des Himmels. Nächsten Winter wird wohl die Liftverbindung zum benachbarten St. Anton kommen, auch wenn das noch niemand bestätigen darf. 46 Prozent des Skigebiets Lech-Zürs sind beschneibar, 445 Beschneiungsgeräte stehen allein zwischen Schröcken und Zürs. Und wenn selbst die mal nicht mehr helfen: In Kampen werden sie für den Winter sicher noch ein paar Strandkörbe übrig haben

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