Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:Manches in Butter

Jürgen Bereuter hat seinen Bauernhof auf Bio umgestellt. Das ist ganz im Sinne der Vorarlberger Landesregierung, die den Anteil der Biobauernhöfe erhöhen will. Doch der Umbau geht nur langsam voran.

Von Felicitas Witte

Für seine Kühe hat Jürgen Bereuter fast ein Jahr lang geschuftet. Er hat gesägt, geschraubt, gehämmert. Er hat einen neuen Stall gezimmert, Futtertische, Liegeboxen, hat automatische Bürsten installiert und eine neue Melkanlage. Bereuter ist 47 Jahre alt und Bauer in Alberschwende, einem kleinen Dorf mit 3200 Einwohnern im Bregenzerwald. 20 Kühe und 15 Jungtiere hat er, Holstein und Braunvieh. 2000 übernahm er den Bauernhof von seinem Vater und stellte 2008 auf Bio um. Die Idee habe er schon länger gehabt, sagt er, ausschlaggebend sei dann aber eine Vorarlberger Molkerei gewesen. "Die Molkerei wollte eine Bio-Milchlinie starten und suchte Landwirte, die Bio-Milch liefern", erzählt er. Eine Million Liter Milch pro Jahr war das Minimum. Kurzerhand schloss sich Bereuter mit einigen anderen Bauern zusammen und baute seinen Hof entsprechend um. Die Hauptarbeit war der neue Laufstall. "Ich wollte eh auf einen Melkstand umstellen, weil ich mehr Zeit für meine Familie haben wollte und man dabei keine schweren Milcheimer tragen muss. So kam die Anfrage der Molkerei gerade richtig." Bereuter machte fast alles alleine, nur für die Betonarbeiten holte er sich Hilfe. Etwa 300 000 Euro kostete der Umbau. "Das ist viel Geld, aber es ist eine einmalige Investition in die Zukunft. Ich hatte mir überlegt: Wenn ich nachhaltig Landwirtschaft betreiben möchte, muss ich diesen Schritt gehen." Am Anfang sei er belächelt worden. "Dann wurde ich immer öfter gefragt, wie das so ist mit Bio."

Viele Konsumenten unterscheiden nicht zwischen regional und biologisch

Die Biolandwirtschaft in Vorarlberg ist langsam, aber konstant gewachsen. Ende der 1980er-Jahre wurden die ersten Bio-Verbände gegründet. "Überzeugte Konsumenten schlossen sich mit fortschrittlichen Bauern zusammen und legten damals ihre eigenen Spielregeln fest, was Bio bedeuten sollte", erzählt Manuel Kirisits, Agrarökonom und Geschäftsführer von Bio Vorarlberg, einer Genossenschaft, die im Jahr 2000 aus mehreren Verbänden und Vermarktungszusammenschlüssen entstand. "Die Idee war damals, dass die Vermarktung in bäuerlicher Hand bleibt und dass die Bauern weniger abhängig sind vom klassischen Lebensmitteleinzelhandel." Im Jahr 2000 wurde ein Achtel der Landwirtschaftsfläche biologisch bewirtschaftet, 2010 war es ein Sechstel und 2018 etwas mehr als ein Fünftel. Auch die Zahl der Biobetriebe stieg kontinuierlich von 385 im Jahre 2000 auf heute knapp 500. Im Vergleich zu anderen österreichischen Bundesländern hinkt Vorarlberg aber hinterher: Salzburg bewirtschaftet mehr als die Hälfte seiner Flächen biologisch und ist damit Spitzenreiter in Österreich. Im Bundesdurchschnitt ist es ein Viertel der Fläche. Man müsse ehrlich sein, gibt Kirisits zu. "Vorarlberg kann man wirklich noch nicht als Bioland bezeichnen. Das Land fördert zwar nachhaltige Landwirtschaft und auch Bio recht gut, wir haben aber trotzdem noch einiges zu tun."

Das habe vermutlich mehrere Gründe. "Die regionale konventionelle Landwirtschaft funktioniert sehr gut. Vielen Konsumenten reicht regional oder sie verstehen den Unterschied zwischen regional und bio nicht." Es gehöre aber beides zusammen: "Bio steht für Qualität und regional bedeutet kurze Transporte und Förderung der lokalen Wirtschaft." Ein zweiter Grund sei die Geschäftsform der Genossenschaft. "Genossenschaften sind gut und wichtig für die Vermarktung der landwirtschaftlichen Produkte. Aber wenn ein Bauer biologisch wirtschaften will und der andere nicht, bleibt Bio oftmals auf der Strecke, weil es neu ist und mit finanziellen Risiken behaftet. Hier bräuchten die Genossenschaften mehr Mut zur Veränderung."

Eine dritte Hürde ist die Umstellungszeit. Landwirtschaftliche Erzeugnisse dürfen erst nach mindestens zwei Jahren als biologisch vermarktet werden. "Das birgt ein wirtschaftliches Risiko, weil der Bauer in dieser Zeit ja höhere Ausgaben hat, aber noch keine höheren Einnahmen", sagt Kirisits. Viertens reiche das Engagement der Öffentlichkeit noch nicht. "In Wien ist zum Beispiel vorgeschrieben, dass in Spitälern und Kindergärten mit Biolebensmitteln gekocht werden soll. Da ist bei uns noch viel Luft nach oben." Schließlich würden den Bauern finanzielle Anreize fehlen. "Die Bauern bekommen höhere Preise für regionale Qualitätsprodukte und die Konsumenten kaufen es. Warum sollten sie dann auf Bio umsteigen?"Für Bauer Bereuter ist das die essenzielle Frage. "Man muss überzeugt sein, dass Bio der richtige Weg ist. Sonst ist ein Scheitern programmiert."

Mit der im Jahre 2012 lancierten Landwirtschaftsstrategie 2020 "Ökoland Vorarlberg - regional und fair" will die Vorarlberger Landesregierung auch das biologische Wirtschaften mehr fördern, ganz im Sinne des Bundesministeriums. "Wir setzen in ganz Österreich auf Nachhaltigkeit", sagt Maria Patek, Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus. " Der ganzheitliche Ansatz der biologischen Landwirtschaft trägt zum Schutz von Klima und Umwelt bei." Doch das Ziel der Landesregierung, den Anteil der Bio-Landwirtschaft in Vorarlberg zu verdoppeln, ist noch nicht erreicht worden. "Auch noch so ehrlich gemeinte Ansagen sind auf die Dauer zu wenig, hier braucht es konkrete Zielvorgaben", sagt Kirisits. "Zum Beispiel, dass ein Mindestanteil an Zutaten in den Küchen von Spitälern, Kindergärten oder Schulen aus biologischer Produktion stammt."

Gerade öffentliche Gemeinschaftsküchen sollten Vorbilder sein, findet auch Markus Amann von der gemeinnützigen Stiftung Üsa Bodô, die die Vorarlberger Biolandwirtschaft forciert. "Das könnte die Landwirte durch eine Abnahmegarantie motivieren, auf Bio umzusteigen und die Konsumenten anregen, mehr Bio zu kaufen." In einem neuen Projekt bietet Üsa Bodô Gemeinschaftsküchen in Kindergärten und Schulen Vorarlberger Rind- und Kalbfleisch, Gemüse und Obst an - die Preisdifferenz für die Bioprodukte zahlt eine Zeit lang die Stiftung.

Allein von der Landwirtschaft können aber nur die wenigsten Vorarlberger Bauern leben. "Viele wirtschaften im Nebenerwerb, bieten Urlaub auf dem Bauernhof an, Lehrpfade für Touristen oder Schaubesuche für Schulen", sagt Kirisits. "Das ist bei konventioneller Landwirtschaft auch so." Auch Landwirt Bereuter hat ein zweites Standbein: Er arbeitet einen Tag pro Woche in einem Fernwärme-Heizwerk, zusätzlich verkauft er Brennholz. "Der Zuverdienst ist eine angenehme Finanzspritze", sagt er. Den Bio-Weg würde er nicht mehr verlassen. Auch privat essen er, seine Frau und die drei Kinder möglichst viel Bio, am liebsten aus eigenem Anbau. "Ich wünsche mir, dass mehr Bauern auf Bio umstellen. Aber überreden möchte ich keinen - das muss jeder für sich entscheiden." Und wie finden seine Kühe das alles? "Ich glaube, es tut ihnen sehr gut. Sie sind fitter und gesünder, werden älter und geben mehr Milch. Was will man als Landwirt mehr?"

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Quelle:
SZ vom 19.09.2019
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