Lama-Trekking:Kinder an die Leine

Ein Ausflug mit den Tieren ist auch im Winter eine gute Möglichkeit, um Kinder zum Wandern zu bringen. Und es dauert meist nicht lange, bis Lama und Kind Vertrauen fassen.

Von Barbara Vorsamer

Lamas spucken. Das scheint das Einzige zu sein, was die Leute über die Tiere wissen, und sie erzählen es so oft, dass das Kind, das sich so aufs Lama-Trekking gefreut hat, nun nicht mehr hinwill. "Die Oma hat gesagt, ich muss aufpassen, dass ich nicht angespuckt werde", heult es vom Rücksitz, während es Richtung Österreich geht.

Die Lama-Bäuerin Ruth Oberhofer kann das mit dem Spucken schon nicht mehr hören. "Lamas spucken so, wie Hunde beißen: zur Verteidigung", sagt sie. Die Tiere spucken sich untereinander an, um ihre Rangordnung klarzumachen, und ein bereits gedecktes Weibchen spuckt den Hengst an, wenn sich dieser erneut nähert. Für Menschen gilt: Wer Lamas nicht ärgert, braucht keine Angst zu haben. Lamas sind friedliche Tiere, und die vom Koglhof bei Ellmau am Wilden Kaiser ganz besonders. Schließlich sind sie es gewohnt, mit Menschen wandern zu gehen.

Unbewusst suchen sich die Kinder das Tier aus, das ihrem Charakter entspricht

Ganz geheuer sind Magdalena und Antonia - fünf und sechs Jahre alt - die etwa 150 Kilo schweren Tiere dennoch nicht. "Ich will ein ganz kleines", quietscht Magdalena, als sie sich ein Lama aussuchen soll. Sie versteckt sich hinter ihrer Mama und macht einen großen Satz, wenn ihr in dem doch recht engen Gehege ein Lama zu nahe kommt. Die kleinsten Tiere am Koglhof sind zwei Fohlen im Alter von etwa acht Monaten, doch Ruth Oberhofer kombiniert kleine Lamas lieber mit erfahrenen Wanderern und andersherum. Magdalena bekommt deswegen das Alpaka Lui. Das wuschelig-weiche Tier mit den witzig vorstehenden Zähnen bringt nur halb so viel auf die Waage wie seine großen Brüder. Antonia entscheidet sich für den zehn Jahre alten, erfahrenen Hengst Bruno, nachdem die Bäuerin erklärt hat, dass die älteren Tiere meistens ruhiger und sanfter sind.

Wer mit welchem Tier wandert, sei kein Zufall, davon ist Ruth Oberhofer überzeugt. Unbewusst würden sich ihre Gäste Tiere aussuchen, die ihrem Charakter entsprechen. Wie es wohl zwischen Magdalena und Lui und zwischen Antonia und Bruno laufen wird? Erst mal läuft gar nichts, das Striegeln müssen die Mamas übernehmen. Die Kinder halten so viel Sicherheitsabstand wie nur möglich.

Die Koglhof-Lamas sind dazu erzogen, Menschen grundsätzlich als ranghöher anzuerkennen. Trotzdem haben sie ihren eigenen Willen, den sie auch durchsetzen, sobald da was geht. Magdalenas Alpaka Lui weiß genau, wo es langgeht und marschiert strammen Schrittes los - so schnell, dass die Kleine kaum mitkommt. Lui führt, Magdalena und ihre Mama stolpern hinterher. Und ein Alpaka, dem jemand nachläuft, wird nur noch schneller, schließlich sind Lamas Fluchttiere.

Lama-Trekking: Nein, es spuckt nicht! Es dauert nicht lange, bis Kind und Tier Vertrauen fassen.

Nein, es spuckt nicht! Es dauert nicht lange, bis Kind und Tier Vertrauen fassen.

(Foto: Claudia Böttcher)

Das straffe Tempo und der harte, rutschige Schnee machen die kleine Wanderung am Fuße des Wilden Kaisers zu einer Herausforderung - allerdings nur für die Zweibeiner. Die Lamas haben keine Probleme. Ihren Ursprung haben die Tiere in den Anden, wo sie als Last-, niemals aber als Reittiere eingesetzt werden. Anders als Pferde trampeln sie dabei die Grasnarbe nicht kaputt. "Aus diesem Grund haben wir uns für die Lama-Haltung entschieden", erzählt Ruth Oberhofer. Ihr Mann Sepp kehrte 2001 nach seiner Karriere als Musiker des Original Alpenland Quintetts zurück auf den elterlichen Hof, Tiere gab es zu dem Zeitpunkt keine mehr. Die Oberhofers wollten gerne wieder welche haben, aber keine, die alles zertrampeln. Mit vier Lamas begannen sie ihr Abenteuer, eines davon flüchtete noch am ersten Tag. "Das haben wir nie wieder gesehen", erinnert sich Oberhofer. Die ersten Tiere seien noch überhaupt nicht ausgebildet gewesen. Dass man ihre Lamas heute gemütlich am Halfter führen und mit ihnen durch die Berge wandern kann, ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit.

Ihre Nachbarn in Ellmau, konservative Milchbauern, haben sich über die Bemühungen von Ruth Oberhofer lange lustig gemacht. Kaum jemand glaubte daran, dass sich so etwas Exotisches wie Lama-Trekking jemals rechnen könnte. Heute leben 36 Lamas auf dem Koglhof, die Touren sind oft ausgebucht und es gibt zahlreiche Nachahmer. "Die Ellmauer schauen schon, wenn ich wieder mit einer Gruppe durch den Ort laufe", sagt die Bäuerin. "Und manchem seh' ich's im Gesicht an, dass er die Leute zählt und den Tourenpreis ausrechnet." Es gehe ihr aber gar nicht um den Profit, sagt sie, am Anfang sei sie mit den Lamas gelaufen, um selbst Spaß zu haben. Inzwischen hat sich Ruth Oberhofer auch als Züchterin einen Namen gemacht. Mehr als 70 Fohlen sind bereits auf dem Koglhof zur Welt gekommen. Manche davon behält sie fürs Trekking, andere für die Zucht. Die meisten jedoch werden verkauft.

Ein paar Tausend Euro kann ein Lama je nach Eigenschaften und Herkunft schon kosten, und das übersteigt Magdalenas Taschengeld glücklicherweise. Denn mit Hilfe der Oberhofer-Tochter Alexandra haben sich das dreijährige Alpaka und das fünfjährige Mädchen inzwischen angefreundet. Magdalena weiß nun, wie sie am Halfter ziehen muss, um Lui zu bremsen, und nimmt ihrer Mama den Führstrick aus der Hand. "Ich mach das alleine!" Sie darf auch. "Wenn uns ein Tier auskommt, finden wir es beim nächsten Grasbüschel wieder", sagt Alexandra gelassen. Die Lamas sind verfressen und knabbern jeden Zweig an, der in den Weg hängt. Besonders Bruno. Das große Lama geht gemächlichen Schrittes voran und gönnt sich eine Snackpause nach der anderen - womit er seiner Führerin Antonia nicht unähnlich ist. Es scheint etwas dran zu sein an Oberhofers These, dass Mensch und Tier sich ähneln.

Lama-Trekking: Unbewusst sucht sich jedes der Kinder das Tier aus, das zu seinem Charakter passt.

Unbewusst sucht sich jedes der Kinder das Tier aus, das zu seinem Charakter passt.

(Foto: Michaela Baier)

Nach der Tour dürfen sich die Wanderer bei Kakao und Kuchen im Musikzimmer des 400 Jahre alten Koglhofes aufwärmen. Die Kinder, gerade noch völlig geschafft, sind schon wieder unterwegs. Sie versuchen, Katzen zu fangen und fahren Schlitten über die letzten Schneehaufen. Heim wollen sie partout nicht. Magdalena bricht in Tränen aus. Erst ein Lama-Käppi als Abschiedsgeschenk weckt die Bereitschaft, ins Auto zu steigen. "Das nächste Mal will ich wieder mit Lui gehen", sagt sie noch. Und schläft ein.

Eine Zwei-Stunden-Wanderung am Wilden Kaiser kostet acht Euro pro Kind, zwölf für Erwachsene, www.koglhof-llama-trekking.at

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