Kunst auf Kreuzfahrt:Auf Kreuzfahrt sind Sehnsuchtsbilder gefragt

Schafft ein Bild eine "Wohlfühl-Atmosphäre" oder irritiert es den Betrachter? Kunstwerke müssen strenge Prüfungen bestehen, bevor sie an Bord eines Kreuzfahrtschiffs dürfen.

Von Monika Maier-Albang

Da ist zum Beispiel der Weg, der zum Theater führt: tiefbraunes Holz, ein silberner Handlauf und in der Nähe das allgegenwärtige Hände-Desinfektionsgerät - grünliches Leuchten in weißer Umhüllung. Was hängt man dazu Passendes an die Wand? Den jungen Mick Jagger, ein bisschen verträumt, ein bisschen lasziv blickend. Daneben eine Rihanna, dunkle Augen vor rotem Grund. Den Sänger erkennen die Vorüberziehenden, auch wenn sie keine Zeit zum Verweilen haben, denn: Im Theater wird Fußball übertragen. Aber wer, rätselt ein Ehepaar, ist "Ri-ha-nna"? Und 1599 Euro für ein Foto, ist das nicht ein bisschen viel?

Die Kunst in der Kunstwelt darf nicht leicht entflammbar sein - und muss sicher hängen

Natürlich nicht, würde Jan Seewald jetzt sagen, stünde er hier an Bord der Mein Schiff 5. Seewald vertritt die Berliner Galerie Lumas, und Lumas hat auf dem jüngsten, vergangene Woche getauften Schiff der Flotte von Tui Cruises das Kunstkonzept mitgestaltet. Die Galerie verantwortet den Großteil der Bilder. Die Skulpturen, alle dreidimensionalen Kunstwerke im öffentlichen Raum des Schiffes hat ICArt beigesteuert - ein norwegisches Unternehmen, das darauf spezialisiert ist, Hotels, Restaurants oder eben Kreuzfahrtschiffe mit Kunstwerken auszustatten. Die Kooperation mit einer Galerie allerdings gibt es in dieser Größenordnung zum ersten Mal auf einem Schiff der Reederei.

Auf den Gängen, in den Zimmern, in den Treppenhäusern hängen 6000 gerahmte Fotos. Eine Verkaufsgalerie befindet sich ebenfalls an Bord des Schiffes - für diejenigen, die gleich etwas mitnehmen wollen und das hier ohne Mehrwertsteuer tun können - schließlich fährt man auf hoher See im zollfreien Raum. Was die Galerie zu der Kooperation bewogen hat, ist unschwer zu erraten: mehr Kunden gewinnen; auf jeder Fahrt sind das potenziell 2500. Wobei Seewald glaubhaft versichert, dass der Galerie auch daran gelegen ist, bei den Menschen "ein Bewusstsein dafür zu wecken, dass es bezahlbare Alternativen zum Ikea-Bild gibt". Das Angebot, sagt Seewald, werde "sehr gut angenommen". Beliebt sind vor allem kleine, koffertaugliche Bilder.

Doch was treibt die Reederei an, drei Millionen Euro für Kunst an Bord auszugeben? Eine ähnliche Motivation offenbar. "Wir wollen zeigen, dass Kunst nicht elitär ist", sagt Wybcke Meier, Vorstandsvorsitzende von Tui Cruises. Ihr ist allerdings auch bewusst, dass es "reichen würde, Poster aufzuhängen, würde man einfach nur das nehmen, was die Mehrheit anspricht". Die Intention der Reederei aber, sagt Meier, sei es, "den begrenzten Raum bis in jede kleine Ecke besonders schön zu gestalten".

Nun ist schön ja immer subjektiv. Stoffüberzogene Hirschköpfe im "Schmankerl"-Restaurant? Das umgekippte Eis in der Waffel, das sich an Deck über die Treppen ergießt? Der Origami-Kirschbaum vor dem Hanami-Restaurant: erinnert etwas an das offen präsentierte Fleisch im Steak-House, an dem man gerade vorbeigekommen ist. Dafür hängt im Eingang zum "Studio", dem Kunstraum, ein eigens hierfür aus alten Kassetten und Teilen einer Carrera-Bahn gefertigtes Porträt des Popstars Prince von Renaud Delorme, vor dem man Stunden verbringen könnte.

Einfach ist es sicher nicht, Kunst an Bord eines Kreuzfahrtschiffes so auszuwählen, dass sie hochwertig und trotzdem massentauglich ist. Zumal schon die Logistik bemerkenswert kompliziert ist. Die Werke dürfen nicht entflammbar sein, sollen bei starkem Wellengang nicht durch die Luft fliegen, müssen leicht zu putzen sein, und zu alledem wäre es auch noch schön, wenn sie mit den aufgeregten Teppichmustern harmonierten. "Alles ist komplexer, als wenn man ein Hotel an Land plant", sagt Ralf Claussen, einer der drei Innenarchitekten, die an der Ausgestaltung der Mein Schiff 5 beteiligt waren. Vor eineinhalb Jahren schon stand das Kunstkonzept. Und das verfolgt ein klares Ziel. Es soll, so formuliert es Meier, "eine Wohlfühl-Atmosphäre" an Bord schaffen.

Anmutige Quallen, kubanische Villen

Erwünscht ist deshalb nichts, das den Gast ängstigt oder irritiert. Und schon gar nicht soll er an den Werken Anstoß nehmen. Was dem Urlauber an Kunst inmitten der künstlichen Schiffswelt geboten wird, ist demzufolge nicht wahnsinnig mutig, aber immerhin: Einen Uli Pforr mutet man den Kreuzfahrtgästen dann doch zu. Pforr wohnt in Hamburg, und seine Motive leben von seinen Streifzügen durch die Reeperbahn. Viel Brust, viel nackte Haut, Alkohol, Drogen. Und das alles in grellen Farben.

Der Kreuzfahrtkunde allerdings bekommt einen entschärften Pforr. Das Triptychon, das der Künstler im Aufrag der Reederei angefertigt hat und das im Eingang zum "Studio" eine Nische füllt, zeigt zwar Figuren, die auch sonst in Pforrs Werken vorkommen - etwa die "Süppelkuh", die gern ein Sektglas in der Hand hält. Doch ist hier ein Joint zur Pfeife mutiert, wächst dort aus der Zigarette eine Blume. Ein Kompromiss, sagt der Künstler, mit dem er leben könne. "Landschaften und Blümchen hätte ich nicht gemacht."

Sobald man hinaustritt aus dem dunklen Studio, trifft einen die hell erleuchtete Einkaufspassage. Bei den Tüchern und Taschen bleiben mehr Menschen stehen als vor jedem Bild. Aber es gibt auch Werke, die die Gäste in ihren Bann ziehen. Ein Bild von Werner Pawlok etwa, der in Havanna verfallene Villen fotografiert hat. Die Hamburger Speicherstadt in Aufnahmen von Horst und Daniel Zielske. Oder die riesige Leinwand, die die Galerie dominiert und auf der mal Schmetterlinge, mal die Spanische Treppe zu sehen sind.

In den Treppenhäusern passiert man anmutige Quallen und kubanische Nostalgie-Autos vor schäumendem Meer. Auch schön. Und unverfänglich. Wie hat Jan Seewald gesagt. Gezeigt werden "Sehnsuchtsbilder. Bilder, die ein positives Gefühl vermitteln, beruhigen, Fernweh auszulösen vermögen." Der Urlaub an Bord soll sich ja unterscheiden vom Alltag, in dem die meisten Menschen "permanent umgeben sind von Dingen, die einen runterziehen". Und das Gefühl, dass einen etwas runterzieht, ist so ziemlich das Letzte, was man an Bord eines Schiffes gebrauchen kann.

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