Kunst & Kultur:Lustfantasien aus der Renaissance

Die Reeperbahn bietet mehr als schwere Jungs und leichte Mädchen. Auch ungewöhnliche Museen finden sich, die eng mit dem erotischen Flair der Meile verbunden sind.

Am westlichen Ende der Reeperbahn, am Nobistor 10a, hat das "Erotic Art Museum" in einer ehemaligen Hutfabrik seinen Standort. Es zeigt 2000 Werke delikater Kunst von der Renaissance bis heute - laut Eigenwerbung die weltweit größte öffentliche Sammlung erotischer Kunst.

Kunst & Kultur: Barent van Orleys "Neptun und Nymphe" aus dem 15. Jahrhundert zeigt ein nacktes Paar beim Liebesspiel.

Barent van Orleys "Neptun und Nymphe" aus dem 15. Jahrhundert zeigt ein nacktes Paar beim Liebesspiel.

(Foto: Simone Rafael)

Überwiegend sind es Zeichnungen, Grafiken, kleine Skulpturen oder Gebrauchsgegenstände mit eindeutigem Design, die zu sehen sind. Der Rundgang beginnt im vierten Stock mit dem 20. Jahrhundert und endet im zweiten Stock mit der Renaissance - eine Reise zurück in der Zeit.

Eine ungewöhnliche Anordnung, aber sinnvoll: So kann sich der Besucher bei den noch recht züchtigen Kunstwerken der Gegenwart einstimmen, um dann in immer eindeutigere Lustfantasien der Vergangenheit einzutauchen.

Erste Bilder kommen aus dem 15. Jahrhundert. So zeigt Barent van Orleys "Neptun und Nymphe" statt einer Sagenfiguren ein nacktes Paar beim Liebesspiel. Damals hatten solche Darstellungen noch drastische Folgen: Der Künstler wurde angeklagt. Der Todesstrafe entging er nur, weil die Auftraggeberin Margarethe von Österreich sich vehement für ihren Hofmaler aussprach.

Das 20. Jahrhundert ist mit Werken von Otto Dix und Dadaist Man Ray vertreten. Dabei geht es zum Ende des Jahrhunderts erstaunlich sittsam zu. Denn wenn nackte Leiber auf allen Plakatsäulen kleben, muss die Kunst die Fantasie bemühen. So betont Pop Art-Künstler Allen Jones zwar stets Brüste und High Heels seiner Akte, doch die Figuren sind als farbige Flächen gestaltet und fungieren so nur noch als Symbole für Begierde.

Reeperbahn als Freiluftausstellung

Doch man muss nicht ins Museum gehen, um erotische Kunstwerke zu entdecken. Auf offener Straße findet der Reeperbahn-Bummler die Phantasien des Malers Erwin Ross. Der 75-jährige hat als Spezialgebiet die Frauen von der roten Meile.

Aber nicht die realen, die in den Bars und Clubs tanzen und strippen, sondern ihre Ebenbilder in Acryl, die lebensgroß auf Leinwänden, Sperrholzplatten und Häuserfassaden posieren. Ihre Botschaft ist klar: Die Weibsbilder mit den Rubens-Kurven sollen locken und anmachen, schaulustige St. Pauli-Besucher in die Etablissements ziehen.

"Es gibt fast keinen Laden, für den ich nicht gemalt habe", resümiert Erwin Ross nach fast 40 Jahre Malerei für die Reeperbahn. An den Frontseiten berühmter, heute nicht mehr existierender Clubs wie beispielsweise dem "Palais d´amour", dem "Tanga-Club" oder dem "Colibri" priesen die barbusigen Schönheiten ihre Reize an.

Auch die berühmten gespreizten Schenkel der "Ritze" stammen vom "Rubens von der Reeperbahn", wie sich Ross gerne nennen lässt. Viele alte Läden sind inzwischen einem neuen Angebot gewichen, doch die sündige Meile ist immer noch die größte Freiluftausstellung seiner Werke, so wie vor dem "Safari Club" in der Großen Freiheit.

Ross' Pin-up-Girls haben mittlerweile ihren Weg auch aufs Papier gefunden. So prangten sie schon auf Briefmarken und Spielkarten und im Jahr 2000 auch auf den Etiketten der Kiez-Marke "Astra".

Charlie Chaplin als Dauergast

Ein Erlebnis ganz anderer Art ist das "Panoptikum" am Spielbudenplatz 3. Dort geben sich berühmte Persönlichkeiten aus Politik und Zeitgeschehen ein Stelldichein. Allerdings nicht aus Fleisch und Blut, sondern aus etwas unvergänglicherem: nämlich aus Wachs.

Mittlerweile stehen in dem Traditionshaus, das in der vierten Generation in Familienbesitz ist, 110 Figuren: Wachsimitate berühmter Persönlichkeiten aus Geschichte, Kultur, Politik und Sport. Pro Jahr kommen zwei neue Figuren hinzu, die jeweils rund 11.000 Euro kosten.

Bei der Aufnahme von neuen Figuren werden die Besucher gefragt. Die Entscheidung trifft dann Beate Faerber, die Frau des Urenkels von Gründer Friedrich Hermann Faerber, die das Panoptikum seit 1986 leitet. Doch nicht jeder Wunsch der Gäste kann erfüllt werden. Besucher wünschen sich seit langem einen Michael Schumacher aus Wachs ins Panoptikum. Doch der Rennfahrer mit dem markanten Kinn will keinen Doppelgänger und verweigert seine Zustimmung.

Tiere hingegen müssen nicht erst zustimmen, und so wird demnächst eine Katze ins Panoptikum einziehen. Beate Faerber will mit der Figur an das Musical "Cats" erinnern, das den Kiez ein wenig von seinem Schmuddel-Image befreit hat. Davon hat auch das Panoptikum profitiert, das gleich neben dem Operettenhaus liegt, wo das neue Musical "Mama Mia" an den großem Erfolg von Cats anknüpfen will.

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