Kulusuk auf Grönland:Perle am Polarkreis

Die Landschaft ist so wunderschön wie unwirtlich: Grönland ist nichts für (kälte-)empfindliche Gemüter. Doch wer sich auf die größte Insel der Welt wagt, erlebt einzigartige Naturschauspiele - und einen Wettstreit, der selbst verfeindete Familien zum Lachen bringt.

Von Andrea Landinger

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Grönland Kulusuk Tassilaq

Quelle: Landinger

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Die Temperaturen klettern selbst im Sommer nicht über 15 Grad, die Landschaft ist gleichzeitig wunderschön und unwirtlich: Grönland ist nichts für (kälte-) empfindliche Gemüter - doch wer sich nach Kalaallit Nunaat, Das Land der Menschen, wagt, kann eine der Zeit entrückte Kultur und einzigartige Naturschauspiele erleben. Eine Bilderreise von Andrea Landinger

Der Beginn der anderen Welt: Gut eineinhalb Stunden nach dem Start in Reykjavík nähert sich die kleine Fokker 50 ihrem Ziel: Kulusuk nahe Tasiilaq (Ammassalik) in Ostgrönland. Majestätische Gipfelketten markieren Grönlands Ostküste. Geologisch wird die Insel bereits zum nordamerikanischen Kontinent gerechnet, verwaltungstechnisch allerdings untersteht sie noch immer Dänemark.

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Die steil abfallenden, bizarren Bergwände findet man vorwiegend im Osten des Landes, die Westküste mündet deutlich flacher ins Meer.

In den Sommermonaten besteht eine tägliche Flugverbindung von Reykjavík nach Kulusuk auf der Insel Ammassalik am Eingang des gleichnamigen Fjords, die nicht nur für Tagesausflüge, sondern vor allem auch für eilige Frachtgüter und für die Post genutzt wird. Im Winter fliegt Air Iceland die Siedlung immerhin noch zweimal in der Woche an. Eine andere Flugverbindung zum eisigen Eiland besteht von Kopenhagen aus: Air Greenland fliegt ganzjährig verschiedene Standorte auf der Insel an.

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Wiewohl der Name nahelegt, dass Grönland, wenn schon nicht mit blühenden, so doch zumindest mit grünen Landschaften aufwartet, wird die Insel dieser Erwartung nicht allerorten gerecht: Die Gegend um Kulusuk in der Kommune Tassilaq ist nicht zuletzt wegen ihres steinigen Reliefs infrastrukturell kaum erschlossen. Straßen und Autos sucht man vergeblich, die wenigen benötigten Leitungen werden oberirdisch verlegt.

Der Wikinger Erik der Rote, der Grönland vermutlich um 1000 auf der Flucht von Island entdeckte, fand damals günstige klimatische Bedingungen vor und ließ sich auf der Insel nieder. Er taufte das neu besiedelte Gebiet "Grænland", Grünland. In der Zeit der Landnahme entstanden mehrere Siedlungen, die allerdings maximal bis 1500 existierten: Das Klima wurde rauer, die Wikingerdörfer der Grænlendingar verschwanden wieder.

An iceberg floats near a harbour in the town of Kulusuk, east Greenland

Quelle: REUTERS

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Über Jahrhunderte führten die Inuit, die etwa zeitgleich zu den Wikingern eingewandert waren, in Ostgrönland eine vom Rest der Welt isolierte Existenz. Sie nannten ihr Land Kalaallit Nunaat - das "Land der Menschen". Erst Ende des 19. Jahrhunderts betraten dänische Missionare im Zuge der Kolonialisierung den östlichen Landesteil. Was sie vorfanden, waren eine lebendige Kultur sowie eine Sprache, die sich vom Westgrönländischen deutlich unterschied.

Verständigungsprobleme waren programmiert, und doch sind heute 98 Prozent der Inuit Protestanten. Der ehemalige Glaube an Geister und Fabelwesen wurde zwar verdrängt, lebt aber noch heute im Kunsthandwerk weiter. Tupilaks, die kunstvoll geschnitzten Figuren der Einheimischen aus Rentierhorn oder Walross-Elfenbein, sind begehrte Souvenirs geworden.

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Der Friedhof von Kulusuk liegt auf halber Strecke zwischen Flughafen und Siedlung. Spärliche Plastikblumen schmücken die Gräber. Zu den größten Problemen Grönlands zählen der hohe Alkoholkonsum und eine der weltweit höchsten Suizid-Raten. Auch in Kulusuk, dem 300-Seelen-Dorf, fehlen Zukunftsperspektiven.

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Beim Spaziergang durch Kulusuk wird die Ankunft der staunenden Großstädter vom Jaulen der vielen Schlittenhunde begleitet. Im Winter, wenn das Meer zugefroren ist und der Seeweg unpassierbar, werden diese Tiere unverzichtbar. Sie sind widerstandsfähig, zäh und leisten auch im tiefsten Piteraq - Grönlands berüchtigtem Sturm - treue Dienste. Ihr untrüglicher Instinkt leitet sie auch bei dichtem Nebel sicher zurück ins Dorf.

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Die Hierarchie innerhalb eines Schlittenhundgespanns ist strikt festgelegt. Der Leithund nimmt die vorderste Position im Rudel ein und versteht sich blind mit seinem Herrchen. Wenn ein Jäger eine Robbe geschossen hat, erhält der Leithund das beste Stück. Im Sommer dagegen ...

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... liegen die Hunde auf den Felsen. Sie sind angekettet - und oft nicht so zahm, wie sie auf den ersten Blick scheinen. Die Nahrungsknappheit macht den Tieren zu schaffen: Bekommen sie ein Stück Robben- oder Walfleisch ab, fallen sie gierig darüber her.

Greenland

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In der Sprache der Grönländer existieren Begriffe wie "Eigentum" und "Konsum" nicht. Keiner der Einheimischen "besitzt" Land. Auch das fehlende Zeitgefühl unterscheidet ihre Lebensweise grundlegend von denen moderner Gesellschaften. Die Inuit leben im Moment, sie entnehmen der Natur das, was sie zum Überleben benötigen. Wer weiß da schon, was morgen ist?

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Das Kajak, grönländisch Qajaq, ist auch heute noch ein wichtiges Fortbewegungsmittel. Damit nähern sich die Jäger lautlos ihrer Beute, um mit einem blitzschnellen Harpunenstoß Robben und Fische zu erlegen. Die wendige und schlanke Form ermöglicht rasches Manövrieren zwischen den Eisbergen. Die berühmte "Eskimorolle" stammt von den grönländischen Inuit.

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Ein uralter Brauch der Inuit-Kultur hat bis in die Gegenwart überlebt: Der Trommeltanz wurde zu verschiedenen Zwecken praktiziert. Sei es, um das Meer zu beschwören, Fischschwärme in die Gegend zu locken oder um hartnäckige Krankheiten zu vertreiben. Auch im Falle von Familienstreitigkeiten wurde oft eine Einigung über die Trommel gefunden. Gewonnen hat am Ende immer derjenige, der die meisten Lacher auf seiner Seite hat. Die Trommeltänzer schlüpfen dabei auch in Tierrollen, wenn sie etwa die Liebesgeschichte zweier Vögel besingen. Auch Touristen wird das Ritual regelmäßig vorgeführt.

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Bizarre Eiskolosse säumen die Bucht von Kulusuk. Die sensible Wahrnehmung der Natur zeigt sich in der vielfältigen Sprache der Einheimischen, wenn es darum geht, Farben oder Wetterverhältnisse zu beschreiben. Wenn die Bucht nebelfrei ist und genug Fischerboote verfügbar sind, unternehmen die Einheimischen bereitwillig kleine Ausflüge mit den Touristen in ihre Welt. Mit einer kindlichen Begeisterung berichten die Inuit von den unterschiedlichen Farbtönen des Eises, das sich im Wasser und in der Luft spiegelt.

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Das riesige Eisbärenfell erinnert beim Abflug in Kulusuk an die Präsenz dieser mächtigen Tiere. Nur im Sommer ziehen die Bären sich ins Landesinnere zurück, wenn ihr natürlicher Lebensraum, das Eis, an den Küsten dünner wird. Expeditionen sollten deshalb strikt nur in Begleitung von bewaffneten Ortskundigen unternommen werden.

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Informationen

Wer den Tagestrip Reykjavík-Kulusuk-Reykjavík gebucht hat, fliegt nach fünf Stunden Aufenthalt wieder gen Osten. Wer einen längeren Urlaub auf der größten Insel der Welt plant, sollte nicht kälteempfindlich sein - selbst in den Sommermonaten steigen die Temperaturen kaum über 15 Grad.

Der Sommer beginnt auf Grönland im Mai beziehungsweise Juni und klingt im September aus - je nachdem, wie weit nördlich man sich befindet. Die Flora nutzt die Kürze des arktischen Sommers und überzieht die kargen Böden mit vielfältigen Farben. Die Eisberge in den Fjorden glitzern schneeweiß oder bläulich. Die milden Temperaturen sind ideal für Wanderungen, zum Segeln oder Fischen.

Wer Mittsommer auf Grönland feiern möchte, sollte seine Reise für den Juli beziehungsweise Anfang August ansetzen. Wer jedoch lieber abseits der Touristenströme die Schönheit der Insel erfahren will, dem sei als Reisezeit die zweite Maihälfte oder der Spätsommer (Ende August/Anfang September) ans Herz gelegt. Praktischerweise umgeht man so auch die Hochzeit der Mücken.

Doch auch in den Wintermonaten (Oktober bis April) ist Grönland eine Reise wert: Obwohl die Temperaturen bisweilen unter 20 Grad minus fallen können, fühlt sich die Kälte wegen der trockenen Luft nicht so eisig an. Besonders beliebt sind im Winter Hundeschlitten-Touren, daneben kann man aber auch sein Fangglück beim Eisfischen testen, per Schneemobil die Insel erkunden, Skifahren oder Schneeschuh-Klettern. In den Herbst- und Wintermonaten bietet sich am Himmel über Grönland auch ein in Europa einzigartiges Naturschauspiel: Das Nordlicht taucht das Firmament in ein phantastisches Grün. Am häufigsten treten die Nordlichter von Ende August bis Anfang November im Süden von Grönland auf. Aber auch von Mitte Februar bis Anfang April sind die Chancen, die tanzenden Polarlichter zu Gesicht zu bekommen, hervorragend. Weitere Informationen finden Sie zum Beispiel bei greenland.com.

© sueddeutsche.de/kaeb/jobr
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