Kulinarische Reisen:Kochend um die Welt

Immer mehr Urlauber schwingen die Kochlöffel und wetzen die Messer: Im Alltag haben viele kaum Zeit für gutes Essen - umso größer ist deswegen das Interesse an kulinarischen Reisen.

Johanna Simon

Es wird geschwitzt und gedünstet, es werden Kochlöffel geschwungen und Messer gewetzt. In der Kochschule des Hotels Traube Tonbach zeigen zwölf Hobby-Köche in weißer Schürze vollen Einsatz. Unter der Regie von Kochschulleiter Henry Oskar Fried versuchen sie sich an gebratenem Spargel und einer Minzhollandaise. Ihr Ehrgeiz ist es, möglichst viele Tricks des Küchenvirtuosen zu lernen.

Kulinarische Reisen: Spargel

Wie wäre es mit firschem Spargel und Minzhollandaise?

(Foto: Foto: ddp)

Im Zeitalter der schnellen Küche mit Fastfood-Restaurants und Fertiggerichten wollen anscheinend viele Deutsche ihren Gaumen wenigstens im Urlaub ordentlich verwöhnen und in die hohe Kunst des Kochens einsteigen. Das Interesse an kulinarischen Reisen, bei denen regionale Delikatessen, Gourmet-Menüs oder Kochkurse den Höhepunkt bilden, ist in den vergangenen Jahren permanent gestiegen.

Viele Landstriche werben gezielt um Feinschmecker und entwickeln Angebote für diese Zielgruppe. So hat die Region Franken ein neues Konzept entwickelt, um sich als Wein- und Gourmetregion zu vermarkten. In einer deutschlandweiten Emnid-Umfrage zeigte sich: Der Glanz von Burg Rabenstein oder auch Kloster Banz verblassen neben edel ausgebautem Sylvaner oder der viel beworbenen Bratwurst. Erstaunlicherweise gaben 38 bis 40 Prozent der Befragten an, dass nicht etwa die historischen Sehenswürdigkeiten das größte Interesse bei ihnen erweckten, sondern vor allem das Essen der Region.

Insgesamt sieben Michelin-Sterne im Ort

Der Tourismusverband Franken reagierte mit einem europaweit einzigartigen Konzept: 164 Winzer, Bierbrauer und Köche haben sich zu einer Dachmarke zusammengeschlossen, unter dem Namen "Wein. Schöner. Land." Mitmachen kann nur, wer ein Zertifikat erworben hat. Um den Touristen eine Reise in die Weinregion schmackhaft zu machen, wurden Dozenten und Gästeführer für Weinkultur ausgebildet, ein Qualitätsmanagement für den Weintourismus eingeführt und Winzer als Partner der Gastronomie gewonnen. "Das Konzept dokumentiert den Stellenwert, den wir Wein und Essen einräumen", sagt Geschäftsführer Olaf Seifert vom fränkischen Tourismusverband.

Auch im badischen Baiersbronn spielen die Gaumenfreuden eine besondere Rolle im Tourismusgeschäft. Stolz präsentiert man in der dortigen Touristik-Information die insgesamt sieben Michelin-Sterne, die der Ort vorzuweisen hat. Damit wartet die kleine Gemeinde im Schwarzwald mit fast ebenso vielen Sternen auf wie Berlin und mit genauso vielen wie München.

Im Gegensatz zu diesen Großstädten kochen in Baiersbronn immerhin zwei von lediglich neun Drei-Sterne-Köchen deutschlandweit. Der Tourismus profitiert von Harald Wohlfahrt im Hotel Traube Tonbach, Claus Peter Lump im Hotel Bareiss und Jörg Sackmann im Hotel Sackmann. "Der Ort ist ja gerade wegen seiner Spitzenköche bekannt", sagt Michaela Fischer von der Touristik-Information.

In der Schwarzwaldstube des Hotels Traube Tonbach können Fans der Haute Cuisine seit zehn Jahren nicht nur stilvoll schlemmen, sondern auch selber kochen lernen. Die Nachfrage nach Kursen ist inzwischen so gestiegen, dass eigens eine Kochschule eingerichtet werden musste - die Hotelküchen waren zu klein geworden.

Geleitet wird diese von den Küchenchefs Jürgen Reidt und Henry Oskar Fried, die Kurse stehen immer unter einem Motto - im Momentist es saisonbedingt Spargel. Durchaus verblüffend daran sei, dass vor allem junge Menschen, unter ihnen viele Männer, sich für die Haute Cuisine interessierten, sagt Küchenchef Fried. Den Altersdurchschnitt schätzt er auf 30 bis 35Jahre.

"Genießerpakete" in der Provence und Andalusien

Das steigende Interesse der Deutschen an gutem Essen und dessen Zubereitung ist auch den großen Reiseveranstaltern nicht entgangen. In insgesamt sechs Robinson Clubs sind die Gäste seit diesem Jahr dazu "eingeladen, nicht nur mit allen Sinnen zu genießen, sondern auch nach Herzenslust selbst zu kochen", wie die Ferienclubs in ihrer Werbebroschüre versprechen. Animation findet nicht mehr nur am Strand statt.

Die Urlauber können sich auch hier selber die Kochschürze umbinden. Für deutlich weniger Geld - der Kochkurs kostet maximal 20 Euro am Tag - können sich auch Pauschaltouristen, denen eine Übungseinheit bei einem Meisterkoch zu teuer ist, Tipps vom Profi holen. Auch bei Thomas Cook hat man festgestellt, dass Touristen während ihres Urlaubs in der Fremde großen Wert auf landestypische Spezialitäten legen und hat dementsprechende Reiseangebote ins Sortiment aufgenommen: Seit diesem Jahr bietet das Unternehmen Kochkurse in Portugal und Italien, sowie "Genießerpakete" in der Provence und Andalusien an.

Tui wiederum lädt zu kulinarischen Kurzreisen ein: Zur Beruhigung des schlechten Gewissens können Feinschmecker hier unter anderem auf einer Fahrradtour durch Italien schlemmen und sich die frisch angefutterten Kalorien gleich wieder abstrampeln.

Und als wäre das noch nicht genug Angebot für Koch- und Küchenfans, erobern Sendungen über reiselustige Köche auch noch zunehmend den Bildschirm. Die Köche werden zu Entertainern, und selbst Reisemuffel können ganz bequem vom Fernsehsessel aus die Zubereitung der Gerichte aus aller Welt erlernen, indem sie etwa den englischen Starfernsehkoch Jamie Oliver in den Kräutergarten eines italienischen Klosters oder Stefan Gates nach Indien auf Nahrungsmittelsuche mit Unberührbaren begleiten - der Verzehr einer Ratte inklusive.

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