Süddeutsche Zeitung

Künstlerin im Bregenzerwald:"Als Weib ungeheures Talent"

Angelika Kauffmann, eine der wenigen Malerinnen des Klassizismus, lebte und arbeitete jahrelang in Schwarzenberg.

Von Felicitas Witte

Guido Giovannini hätte sich sofort in sie verliebt. "Im Gegensatz zu anderen Künstlern ihrer Zeit brachte sie ihre weibliche Empfindsamkeit mit in ihre Bilder", sagt der Kunsthistoriker aus Basel. "Das macht sie so speziell." Angelika Kauffmann ist eine der berühmtesten Malerinnen des Klassizismus. Sie war zeitlebens an den idyllischen Ort Schwarzenberg im Bregenzerwald gebunden. Im dortigen Museum erhält man einen Einblick in Leben und Werk der Künstlerin, die aktuelle Ausstellung heißt "Ich sehe mich. Frauenporträts von Angelika Kauffmann".

"Sie hatte schon als Kind ein außerordentliches Talent", sagt Marina Stiehle, Organisatorin des Museums. "Es lohnt sich, bei uns mehr über diese starke Frau zu erfahren." Die Künstlerin war zu Lebzeiten wohl bekannter als jetzt. "The whole world is angelicamad!" - "die ganze Welt ist Angelika-verrückt", schrieb 1781 der dänische Botschafter aus London. Johann Gottfried Herder nannte sie die "vielleicht kultivierteste Frau Europas", gar ein "überirdisches Wesen". Goethe ließ sich von ihr malen. Er rühmte ihre "zarte Seele" und bescheinigte ihr ein "unglaubliches und als Weib ungeheures Talent".

Kauffmann wird am 30. Oktober 1741 im schweizerischen Chur geboren. Sie wächst als Einzelkind auf und erhält eine damals für Frauen ungewöhnlich breite Ausbildung. Vater Johann Joseph Kauffmann unterrichtet sie im Zeichnen, Mutter Cleophea Lutz im Lesen, Schreiben und in der Musik. 1750 malt Angelika erste Bilder in Pastell. Das künstlerische Talent des Mädchens zeigt sich etwa im Selbstporträt "Sängerin mit Notenblatt", das um 1753 entstand: eine Zwölfjährige mit jugendlich roten Wangen, auf dem Weg vom Mädchen zur Frau, das stolz ihre Gesangsnoten präsentiert.

Von 1754 bis 1757 weilt die Familie am Hof des Herzogs Modena d'Este in Mailand. Angelika malt die Herzogin, den Weihbischof von Mailand, den Kardinal Pozzobonelli. Als 1757 ihre Mutter stirbt, entscheidet sich die 16-Jährige bewusst gegen eine Karriere als Sängerin und widmet sich ganz der Malerei. Im selben Jahr kommt sie mit ihrem Vater nach Schwarzenberg. Gemeinsam mit ihm malt sie die Pfarrkirche mit Fresken aus - er die Decke, sie die Seitenwände mit Apostelbildern. "Der Vater war immer an ihrer Seite, hat ihr Selbstvertrauen gegeben, ihr Bildung und die Malerei zukommen lassen", sagt Bernadette Rüscher, die seit mehr als zehn Jahren Führungen im Museum anbietet. "Er war für die damalige Zeit sehr modern und hatte ein ungewohnt aufgeklärtes Frauenbild." Nach dem Tod der Mutter habe sie sich bei den Verwandten in Schwarzenberg gut aufgehoben gefühlt. "All das führte dazu, dass sie sich zeitlebens an den Ort gebunden gefühlt hat."

Dennoch zieht es Kauffmann wieder in die Welt; eine steile Künstlerkarriere beginnt. Sie studiert in Florenz, Neapel und Rom und geht 1766 nach London. Ihr Vater organisiert Atelier und Haushalt und unterstützt sie unermüdlich. "Angelika Kauffmann hatte zeitlebens ehrgeizige Männer als Manager im Hintergrund, nicht nur den Vater, sondern später auch den Ehemann und ihren Cousin", sagt Petra Zudrell, Kuratorin der aktuellen Ausstellung in Schwarzenberg. "Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine Frau, heißt es, bei Angelika Kauffmann war es umgekehrt."

Schon bald gehört es zum guten Ton der Adeligen in England, Schottland und Irland, sich von Kauffmann malen zu lassen. "Malerinnen wurden im 18. Jahrhundert fast wie Außerirdische betrachtet", sagt Kunsthistoriker Giovannini. "Sich damals von einer Frau porträtieren zu lassen, war etwas Außergewöhnliches." 1768 wird Kauffmann eines der 22 Gründungsmitglieder der Royal Academy und bleibt neben der Stilllebenmalerin Mary Moser für die nächsten 200 Jahre das einzige weibliche Mitglied. "Kunst wurde traurigerweise immer von Männern dominiert", sagt Penny Howard aus London, die in Florenz Kunstkurse organisiert. "Frauen durften damals nur Blumen malen oder Taschentücher besticken. Angelika war hübsch, mutig und talentiert - sie war auch deshalb erfolgreich, weil die Männer auf sie standen."

Nach einer ersten Ehe mit einem Heiratsschwindler nimmt sich Angelika Kauffmann mit 39 Jahren den venezianischen Vedutenmaler Antonio Zucchi zum Mann und schließt diesmal einen Ehevertrag ab. 1782 stirbt ihr Vater, kurz danach lässt sich das Paar in Rom nieder. "Die Verbindung nach Schwarzenberg wurde erst durch den Tod des Vaters intensiv", erzählt Museumsführerin Rüscher. "Sie schrieb viele Briefe an ihre Verwandten, sandte Geld, bezahlte Ausbildungen und holte immer wieder jemanden aus der Familie zu sich nach Rom." Rom-Reisende von Rang lassen sich von ihr porträtieren oder geben Historiengemälde in Auftrag, unter anderem Kaiser Joseph II., Katharina die Große und die königliche Familie von Neapel und Sizilien. Kauffmann stellt Frauen aus der Geschichte als neue Heldinnen in den Mittelpunkt und prägt so das Weiblichkeitsideal der Aufklärung. 1807 stirbt die Künstlerin in Rom. "Angelika war eine faszinierende Frau", sagt Kunsthistoriker Giovannini. "Goethe war schön blöd, sich nicht in sie zu verlieben."

Angelika Kauffmann Museum, Brand 64, Schwarzenberg, www.angelika-kauffmann.com

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SZ vom 21.09.2017
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