Kuba:Bei Mama in Havanna

Die meisten Touristen schließen sich in Hotelburgen ein. Das ist ein Fehler: Das Land lernt der Urlauber erst in kleinen Familienpensionen wirklich kennen.

Ralf Tögel

Wenn Emilio Cocktails mixt, scheint die Zeit stillzustehen. Eiswürfel aus der Truhe holen, in die kleine Maschine stopfen, die wie eine Kanone aussieht, warten. Neue Eiswürfel holen, Kanone laden, warten.

Die Kundschaft an der Bar interessiert ihn nur beiläufig. Es scheint, als kämpfe Emilio gegen einen imaginären Widerstand, als müsse er sich mit magnetischen Sohlen auf einem Metallboden fortbewegen.

Seine Mimik lässt vermuten, dass er von kleinen Stromstößen in Bewegung gehalten wird. Emilio leidet.

Trinkgeld darf er dennoch keines erwarten, die kleine Französin, die sich nach einem Mojito sehnt, verliert in ebenso kleinen Etappen die Contenance. Mit jeder Sekunde, die verstreicht, zappelt sie heftiger.

Wortlos nimmt sie nach einer Ewigkeit ihr Glas und geht. Aber selbst der böse Blick aus Frankreich lässt Emilio kalt.

Dabei ist Trinkgeld für Bedienungspersonal auf Kuba die wichtigste Einnahmequelle, auch wenn von Staats wegen der Dollar verboten wurde und der Peso an seine Stelle gerückt ist.

Ivan bekommt viel Trinkgeld, er hat die kapitalistischen Mechanismen, nach denen sich auch im sozialistischen Karibikstaat die Uhren drehen, verinnerlicht. Während der Kollege in Zeitlupe zur Eiswürfelmaschine schlurft, hat der kleine, flinke Kubaner alle Touristen an der Pool-Bar in Varadero mit Mojitos, Daiquiris oder Ron Collins versorgt.

Keiner zappelt, jeder gibt Trinkgeld.

So können Einheimische richtig gut verdienen, weshalb es schon mal sein kann, dass ein Arzt den Cocktail serviert, oder der Taxifahrer in seinem früheren Leben Recht gesprochen hat.

Das Hotel Meliá las Americás in Varadero ist eine von zahlreichen Anlagen, die wie Pilze aus dem Boden schossen, als Fidel Castro sein Land für Touristen öffnete.

Kooperationen wie diese mit der spanischen Hotelkette bringen dem Staat wichtige Devisen und dem Urlauber den gewohnten Luxus - in einem extrem armen Land. Das Lás Americás hebt sich von den üblichen Hotelbunkern ab, es offeriert bis auf wenige Stoßzeiten sogar Halbpension, was dem Gast das Stigma des Pauschaltouristen erspart - ein buntes Plastikarmband.

Tyrannosaurus Rex des Pauschaltourismus

Viereinhalb Sterne hat die Anlage nebst Golfplatz, die Klientel ist erfrischend niveauvoll. Dem klassischen All-Inclusive-Touristen begegnet man hier eher selten.

Es gibt ihn aber, und er ist schnell identifiziert, weil spätestens am frühen Nachmittag betrunken, immer laut, zumeist mit Sonnenbrand geschlagen - der Tyrannosaurus Rex des Pauschaltourismus.

Fausto stolpert schwer alkoholisiert bei klassischer Klaviermusik über den Marmorboden der großzügigen Cocktailbar in der Empfangshalle. Die Gäste tragen feine Garderobe oder was sie dafür halten und vertreiben sich die Zeit zum Abendessen mit einem Aperitif.

Fausto holt drei Plastikbecher Bier, zwinkert zwei jungen Damen im knappen schwarzen Cocktailkleid zu und zieht auf seinem Rückweg eine Bierspur nach draußen. Das ist so erbärmlich, dass es schon wieder lustig ist, wie eine Slapstick-Einlage.

Fällt die Zahl der Sterne eines Quartiers, scheint die der Tourismus-saurier proportional zu steigen.

"Das ist nicht Kuba", sagt Idalbel Sarduy.

Bei Mama in Havanna

Diese Hotelkomplexe sind abgeriegelt, Einheimische dürfen nur zum Arbeiten rein. Man kann in Kuba auf zwei Arten Urlaub machen. Entweder ohne Einheimische, in so einer antiseptischen Ferienanlage, oder auf eigene Faust Land und Leute entdecken.

Kuba: Baracoa Beach bei Havanna.

Baracoa Beach bei Havanna.

(Foto: Foto: AP)

Idalbel ist Koch, er bereitet für Farmarbeiter in der Gegend der Schweinebucht das Essen zu. Der Mann ist hilfsbereit.

Wenn Touristen ratlos neben der Autopista die Karte studieren, spricht er sie einfach an. Er tut dies nicht ganz selbstlos, denn seine Tante vermietet ein Zimmer; Idalbel kassiert dann eine kleine Provision und sitzt mit den Touristen da, trinkt Bier und erzählt von seinem Land.

Idalbel ist einer von wenigen Kubanern außerhalb der Touristenhochburgen, die Englisch sprechen. Er gibt nützliche Tipps, rät von einer Übernachtung an der Schweinebucht ab.

Er erzählt von Urlaubern, die wie eine Pizza Margherita ausgesehen hätten: "Mosquito-Attack." Die Schweinebucht hat neben herrlichen Sandstränden und felsigen Buchten auch einen Mangrovensumpf, was man wissen sollte. Idalbel ist ein typischer Kubaner, gastfreundlich und offenherzig.

Seit den späten neunziger Jahren lässt Fidel Castro Privatpersonen sogenannte "Casas Particulares" an Touristen vermieten. Etwa 170 Euro will Castro im Monat für dieses Privileg, eine ungeheure Summe bei Doppelzimmerpreisen von durchschnittlich 20 Euro, inklusive Essen.

Eine gute Belegung ist lebenswichtig und schwierig, denn nach wie vor bevorzugen die Fremden einen Urlaub ohne Kontakt zur kubanischen Bevölkerung in für sie geschaffenen Anlagen.

In den Casas ist Familienanschluss inklusive, gekocht wird von der Mama, gegessen mit der Familie. Und man kommt an Orte, die den Leuten mit den Plastikbändern glücklicherweise noch verschlossen bleiben.

Kuba ist zwar die größte Insel in der Karibik, touristisch aber nicht annähernd so erschlossen wie Costa Rica, die Dominikanische Republik, die Bahamas oder Jamaika.

Die touristische Randlage macht Kuba zu einer sicheren Insel, Touristen können sich überall zu jeder Zeit gefahrlos bewegen. Die halbe Altstadt Havannas hat zwar kein elektrisches Licht, wer sich nachts verläuft, dem droht dennoch kein Ungemach. Irgendein Einheimischer geleitet einen ins Licht, freilich in der Hoffnung auf eine monetäre Danksagung.

Auf Jamaika sei das schrecklich, erzählt Wilfredo Campbell. Er hat dort seine Mutter besucht, die Nachbarinsel hat ihm aber überhaupt nicht gefallen. Wilfredo ist gelernter Elektriker, spricht sehr gut Englisch und Italienisch und ein bisschen Französisch.

Das prädestiniert ihn zum Fremdenführer. Er begleitet Touristen, die auf Kutschen die Hauptstadt erkunden, deren Gegensätze kaum krasser sein können, Reichtum und Armut, Hektik und Gelassenheit.

Wie im Flug vergeht die Zeit an der Placa Central, wenn man unter den Arkaden des Hotel Inglaterra bei einem Mojito und einer guten Zigarre das pulsierende Leben beobachtet. Kuba zahlt einen hohen Preis für seine politische Überzeugung, Entbehrungen bestimmen das Leben der Einwohner.

Wilfredo gibt dem Staatschef nicht mehr viele Jahre, dann werde er das Zeitliche segnen und damit einer goldenen Zukunft nicht mehr im Wege stehen.

Der 25-Jährige glaubt fest daran, dass die Insel endlich ihre Ressourcen ausschöpfen kann, mit dem Ausland geschäftlich kooperiert, ohne Schaden zu nehmen. Es ist müßig zu spekulieren, ob sich mit dem bevorstehenden Tod Fidel Castros alles zum Besseren wenden wird.

In Sachen Massentourismus ist diese Frage einfach zu beantworten: sicher nicht.

Informationen

Anreise: Flug mit Condor von Frankfurt nach Havanna ab 800 Euro, mit Air Canada von München ab 850 Euro.

Unterkunft: Meliá Las Américas, Playa de Las Américas Varadero, Kuba, Doppelzimmer ab 200 Euro.

Privat: Casas Particulares: Informationen am besten vor Ort, z.B.: Casa Germán Gonzáles Rojas, Angel Guerra 178, Camilo Cienfuegos, Holguin. Hostal La GallegaPiro Guinart 29, Trinidad, Tel. 0053 1419 3179.

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