Kronjuwelen im Tower of London:Frisch poliert

Die Sammlung der Kronjuwelen im Tower of London wurde renoviert und für die Besucher spannender gestaltet. Auf so etwas Bürgerlich-Banales wie Geschmack konnte dabei keine Rücksicht genommen werden.

Alexander Menden

Georg IV. musste lange ausharren, bis er 1820 endlich seinem umnachteten Vater Georg III. offiziell auf den britischen Thron folgen durfte. Die Wartezeit vertrieb er sich mit Wein, Weib und Gesang. Nichts symbolisiert besser die Extravaganz dieses im Volksmund wegen seiner Leibesfülle auch "Prince of Whales", Prinz der Wale, genannten Hannoveraners, als eine Punschbowle in Muschelform, die er kurz vor seinem Tod in Auftrag gab. Sie wiegt fünf Zentner, fasst 144 Flaschen Wein und ist zweifellos das hässlichste Stück in der Schatzkammer des Londoner Towers.

London Tower of London Imperial State Crone

Bei ihrer alljährlichen Ansprache zur Eröffnung des britischen Parlaments trägt Queen Elizabeth II. die "Imperial State Crown".

(Foto: AFP)

Die soeben abgeschlossene Renovierung und Neuordnung der Kronjuwelen-Sammlung wäre eine gute Gelegenheit gewesen, das monströse Behältnis aus vergoldetem Silber stillschweigend hinter den Kulissen verschwinden zu lassen. Doch auf so etwas bürgerlich Banales wie Geschmack kann hier niemand Rücksicht nehmen.

Alles in dieser Sammlung ist auf seine Weise bedeutend, weil materielles Zeugnis der jahrhundertelangen Kontinuität königlicher Herrschaft auf den britischen Inseln. So gleißt die frisch polierte "Grand Punch Bowl" fast so strahlend wie die 23.578 Edelsteine, die in den hier ausgestellten Kronen und Schwertern verarbeitet sind. Anlässlich des Diamantenen Thronjubiläums von Königin Elisabeth II. ist die Schatzkammer einer Generalüberholung unterzogen worden. Sie ist neben dem "Weißen Turm", dem ältesten Teil des Tower of London, der meistfrequentierte Teil der normannischen Stadtfeste.

Die zweieinhalb Millionen Besucher, die sich hier jährlich durchschieben, hatten in den Räumlichkeiten für einigen Abrieb gesorgt. Besonders die fünf neuerdings violett gestrichenen Vorräume und der lange Korridor, die zur Schatzkammer führen, verbreiteten zuletzt wenig Glanz.

Kleinodien hinter meterdicken Panzertüren

Bei der Renovierung wird nun vor allem auf erhöhten Gänsehautfaktor gesetzt: Es erklingen Krönungschoräle, eine mehrere Meter breite Projektion historischer Krönungsprozessionen und ein erstaunlich makellos restaurierter Film der Krönung Elisabeth II. sollen auf die Kleinodien einstimmen, die am Ende hinter meterdicken Panzertüren warten. Das ist alles ziemlich High-Tech, wirkt aber vor allem geräumiger als früher, als das zum Teil stundenlang wartende Publikum sich an Messinggeländern entlang zwängen musste.

Am Kern der Sammlung hat sich nicht viel verändert, das ist ja der Sinn der Sache: Nach wie vor fährt man beiderseitig auf Rollbändern an einer Reihe von Vitrinen vorbei, in denen auf - neuerdings nachtblauen statt roten - Etalagen die wichtigsten Kronen aus der Zeit der Restauration im späten 17. Jahrhundert ausgestellt sind: Von der 1661 entstandenen "St Edward's Crown" Charles II. bis zur Indischen Kaiserkrone von 1911, die Georg V. bei seiner Reise nach Delhi trug. So gut wie alle älteren Insignien wurden während des hier nur kurz abgehandelten, weil die behauptete Kontinuität unterbrechenden Interregnums von Oliver Cromwell eingeschmolzen. So linear wie das Kronen-Defilee sehen viele Briten gern ihre Historie.

Der Rundgang mündet bei der "Imperial State Crown", die eine eigene Vitrine hat. Und hier hat man dann tatsächlich ein lebendiges Stück Geschichte vor sich. In der Krone von 1937 sind nicht nur ein paar Ohrringe Elisabeth I. verarbeitet, sie wird auch regelmäßig getragen. Spätestens bei der nächsten Parlamentseröffnung wird sie wieder das Haupt der Queen zieren.

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