Die mittelalterliche Stadtmauer der einstigen Seemacht Dubrovnik ist komplett erhalten. Beim zwei Kilometer langen Rundgang um das Weltkulturerbe bietet sich eine atemberaubende Aussicht. Dennoch ist Vorsicht geboten. Eine Bilderreise von Katarina Lukac. Dubrovniks Hauptattraktion geht auf eine alte Feindschaft zurück: Als Republik Ragusa (1358-1808) war Dubrovnik 450 Jahre lang ein unabhängiger Stadtstaat - und Rivalin der Seemacht Venedig um die Vormachtstellung im Nordwesten der Adria. Zur Abwehr der Angriffe wurde um die mittelalterliche Stadt eine 1940 Meter lange, bis zu sechs Meter breite und stellenweise bis zu 25 Meter hohe Mauer errichtet.
Heute fallen in Dubrovnik glücklicherweise nur noch Touristen ein. Diesen mit Kameras bewaffneten Horden entgeht man am besten durch einen Besuch in sicherem Abstand zur Hauptsaison. Im Herbst ist das Wetter ...
... im südlichen Zipfel Kroatiens oft noch mild und die Stadtmauer einladend leer. Mit mehr als 250 Sonnentagen pro Jahr stehen auch im Winter die Chancen gut, die Bastion St. Peter im goldenen Licht zu sehen. Es gibt zwei Aufgänge an entgegengesetzten Enden der Mauer.
Der Spaziergang ist den Eintrittspreis von umgerechnet zehn Euro auf jeden Fall wert, ein älterer Kassenwart der "Dubrovniker Denkmal-Freunde" nimmt das Geld freundlich lächelnd entgegen. Die Zahl der Neugierigen auf dem Bollwerk zwingt beim Treppensteigen zum langsamen Gänsemarsch. Dennoch stört die Gesellschaft der Italiener, Engländer und Amerikaner nicht.
Denn der Ausblick nach dem Treppenaufstieg verschlägt den meisten Besuchern erst einmal die jeweilige Sprache.
Der Rundweg führt treppauf und treppab, wird dem Durchmesser des Bollwerks entsprechend schmal oder breit wie eine kleine Piazza. Wachtürme bieten die Gelegenheit, die Touristenprozession alleine weiterziehen zu lassen. Enge Wendeltreppen führen hinauf, durch Schießscharten ist die autofreie Altstadt zu sehen, die seit 1979 zum Unesco-Weltkulturerbe gehört. Straßencafés, Restaurants und Boutiquen stehen neben Kirchen, Klöstern und Palästen der einst herrschenden Patrizier.
Bevor sich Besucher über die Antennen auf den Hausdächern empören, sollten sie ...
... genau hinsehen: Die Antennen entpuppen sich als Maste eines riesigen Segelschiffes. Die Stadt, die jährlich ein Sommerfestival mit Dutzenden Theatervorstellungen und Klassikkonzerten ausrichtet, zieht zunehmend betuchte Gäste an.
Wer im Gegensatz zu Giorgio Armani, Beyoncé Knowles oder anderen Superreichen nicht mit einer eigenen Yacht anreist, kann sich Dubrovnik dennoch aus Piraten-Perspektive nähern - an Bord eines Ausflugsschiffes. Die legen im kleinsten der drei Stadthäfen an, dessen Wellenbrecher von den Einheimischen Porporela getauft wurden.
Auch zum beliebtesten Badestrand Dubrovniks kommt man nur mit dem Schiff: Die Insel Lokrum liegt in Sichtweite der Stadtmauern. Ein Traum für Segler sind die nahen Elaphiten, das Archipel besteht aus 13 unterschiedlich großen Inseln. Kenner ziehen zum Baden allerdings ...
... den Felsstrand vor der "Buza Bar" vor, die sich an die Stadtmauer schmiegt. Nirgends sonst kann man so gut mit einem Cocktail in der Hand und entspannter Musik im Hintergrund den Sonnenuntergang beobachten oder im Mondschein sitzen. Dubrovniks romantischstes Café ist nicht leicht zu finden: An der Meeresseite der Stadtmauer weist nur ein kleines Schild mit der Aufschrift "Cold drinks" zu einer kleinen Öffnung (Kroatisch: buza) im Gestein - dahinter verbirgt sich die gleichnamige Bar.
Beim Beobachten des Treibens unterhalb des Bollwerks sollten sich Besucher allerdings nicht zu weit hinausbeugen. Im August 2010 erschütterten zwei Unfälle auf der Wehranlage die Stadt: Ein junger ukrainischer Tourist stolperte und stürzte aus 25 Metern Höhe in den Tod. Nur wenige Tage zuvor hatte eine junge Australierin schwer verletzt einen Sturz aus 15 Metern Höhe überlebt. Sie war nach dem Baden bis zum Rand der Befestigungsmauer hinaufgeklettert und dabei ausgerutscht.
Fast 3000 Menschen wohnen heute in der Altstadt Dubrovniks, das insgesamt knapp 45.000 Einwohner zählt. Der Alltag innerhalb der Stadtmauern ist nicht immer leicht: Autos sind verboten - und würden durch die engen Gassen ohnehin nicht hindurchpassen.
Beim Rundblick aus der Vogelperspektive sollte man in Dubrovnik nicht vorschnell Pläne für die folgende Stadttour schmieden. Dieses einladende Plätzchen zum Beispiel ist nur den Mönchen des Franziskanerklosters Samostan Male brace ("Kleine Brüder") vorbehalten. Der 1317 gegründete Konvent beherbergt in einer Ecke des Kreuzgangs eine der ältesten Apotheken Europas. Jenseits der Klostermauern pulsiert indes das Leben auf der Hauptpromenade der Altstadt, dem sogenannten Stradun.
Die Spaziergänger bekommen von der Mauer aus ungewöhnliche Einblicke auch in den Alltag der weltlichen Bewohner der Altstadt und auf das Treiben in den Hinterhöfen. Ertappen die Bewohner der Altstadt die Neugierigen auf der Mauer, ist das nicht weiter schlimm - die Dubrovčani sind fremden Besuch seit Jahrhunderten gewöhnt.
Neben dem ausgiebigen Treppensteigen haben die Dubrovčani weiteren Sport gar nicht nötig, möchte man als erschöpfter Tourist nach nur wenigen Stunden meinen. Trotzdem ist innerhalb der Stadtmauern noch Raum für einen Sportplatz.
Von den Zerstörungen im Jugoslawienkrieg Anfang der 1990er Jahre, in dem Dubrovnik monatelang massiv beschossen wurde, ist inzwischen kaum noch etwas zu sehen. Nur vereinzelte Granatenbeschusslöcher zeugen von diesem dunklen Kapitel.
Heute ist die Altstadt wieder ein Spielparadies. Gegen Kinderlärm hat hier übrigens niemand etwas einzuwenden.
Wenn die Sonne untergeht und die letzten Touristen hinab in die Stadt steigen, übernehmen die Möwen wieder die Alleinherrschaft über das Bollwerk der einstigen Republik Ragusa - bis zum nächsten Morgen.