Kreuzfahrtschiffe in Venedig:Fanal Grande

Venedig hat den Ansturm riesiger Kreuzfahrtschiffe satt - die Vergnügungsdampfer machen Lärm, verpesten die Luft und drücken zu viel Wasser in die kleinen Kanäle. Nun wehren sich die Bürger.

Stefan Ulrich

Venedig unterwarf einst mit seiner Flotte die Meere, nun sucht das Meer Venedig heim. Und das nicht nur wegen des Hochwassers, das immer wieder die Lagunenstadt flutet und die Menschen auf dem überschwemmten Markusplatz auf schmale Laufstege zwingt. Auch all die fremden Schiffsriesen, die da über die Adria kommen, sind zum Problem geworden.

Wie umgelegte Wolkenkratzer sehen sie aus, diese Kreuzfahrtboote, die Tag für Tag zwischen der Punta Sabbioni und dem Lido in die Lagune einfahren, an den Giardini Pubblici und dem Dogenpalast vorbeigleiten, den Canal Grande rechts liegen lassen und in den Canale della Giudecca einbiegen, um schließlich anzulanden und Tausende Fahrgäste für ein paar Stunden in die Stadt zu spucken.

Das Jahr 2007 brachte dabei einen neuen Rekord: Mehr als eine Million Kreuzfahrer gingen in der Serenissima an Land. Dieses Jahr sollen es nun sogar mehr als 1,2 Millionen Schiffsreisende werden.

Immense Wassermassen

Natürlich ist die Fahrt über das Meer für die Touristen aus aller Welt der schönste Weg, um nach Venedig zu gelangen. Für die weltberühmte Pfahlbausiedlung und ihre Bewohner bringt der Ansturm der Riesenboote jedoch gewaltige Probleme mit sich.

Die immer größer werdenden Kreuzfahrtdampfer - mittlerweile werden schwimmende Luxushotels von mehr als 300 Metern Länge zum Preis von bis zu einer halben Milliarde Mark gebaut - erfordern geräumige Fahrrinnen, durch die bei entsprechender Strömung zu viel Wasser in die Lagune gelangt.

Und auch wenn die modernen Kreuzfahrtschiffe selbst nicht unbedingt hohe Wellen schlagen, so verdrängen ihre Rümpfe doch immense Wassermassen, die in die schmalen Kanäle drücken und den Bodenschlamm aufrühren.

Selbst Irrfahrten sind im nebeligen Venedig nicht ausgeschlossen: Vor vier Jahren lief ein deutsches Kreuzfahrtschiff in einem engen Kanal nahe des Markusplatzes auf den morastigen Grund.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Venedigs Bürgermeister den Schiffstourismus eindämmen will.

Fanal Grande

Zudem lassen die überdimensionierten Vergnügungsdampfer die Fenster und Wände der Palazzi erzittern, was den fragilen Bauten nicht unbedingt bekommt. Große Mengen von Abgasen und Feinstaub aus den Schiffen sinken auf Venedig nieder.

Hinzu kommt noch eine gewisse optische Umweltverschmutzung: Neben den wuchtigen Luxuslinern, die sich durch die romantische alte Wasserstadt schieben, wirken deren Palazzi, die Kirchen wie San Giorgio und sogar der Campanile auf dem Markusplatz geradezu puppig. Die Dimensionen wollen einfach nicht zusammenpassen. Auf Luftaufnahmen sieht das dann aus, als seien hier Modellbauten verschiedener Maßstäbe miteinander vermischt worden.

Umweltschutz-Organisationen wie Legambiente und Italia Nostra sowie Bürgerkomitees machen längst gegen die Kreuzfahrer mobil. Sie fordern eine Größenbeschränkung oder schlagen vor, wie in anderen Hafenstädten auch eine Anlegestelle außerhalb des historischen Zentrums einzurichten.

"Die Mega-Schiffe mit ihrem Lärm, ihren Abgasen und dem Elektrosmog machen das Leben der Bürger unmöglich", klagen Initiativen wie "No Mose". Sie zerstörten zudem die Uferbefestigungen und die Fundamente der Stadt. No Mose zeigt gerade auf der Insel San Servolo eine Ausstellung mit Fotos und Filmen, die die Bedrohung der Serenissima dokumentiert. Der Titel: "Venezia crepa" - "Venedig krepiert".

Außer Kontrolle

Auch für den Bürgermeister Massimo Cacciari, einen pragmatisch-undogmatischen Linken und Philosophieprofessor, ist nun das Maß voll. Es dürften keine noch größeren Kreuzfahrtschiffe als bisher in die Lagune einlaufen, fordert er jetzt. "Schon die heutigen sprengen die Dimensionen."

Daher will er nun eine Vereinbarung mit den Reedereien schließen und eine Längengrenze festlegen. Sie könnte bei etwa 300 Metern liegen. Immerhin ist es dem Stadtoberhaupt diesen Mai bereits gelungen, sich mit den Kreuzfahrtunternehmen auf eine Beschränkung des Schadstoffausstoßes zu verständigen.

Italia Nostra begrüßt den Vorstoß Cacciaris als "ersten Schritt in die richtige Richtung", um einen Schiffstourismus einzudämmen, der "außer Kontrolle" geraten sei. Die Rettung Venedigs und seiner Umwelt dürften nicht länger irgendwelchen Geschäftsinteressen untergeordnet werden, fordert die Organisation. Sie findet, diese Art von Fremdenverkehr sei "keine Ressource für die Allgemeinheit mehr, sondern eine unerträgliche Last".

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