Kreuzfahrten mit Promis:Sonderschiff nach Oslo

Im Liegestuhl neben Udo Lindenberg oder "Tatort"-Kommissar Dietmar Bär - oder dem Doppelgänger? Auf Kreuzfahrten wollen Fans ihren Idolen ganz nah kommen.

Michelle Müntefering

An Deck eines Kreuzfahrtschiffes, an der Bar lehnt - betont lässig - ein Mann: Thomas hat den Hut tief ins Gesicht gezogen, unter der Krempe fällt braunes lockiges Haar ungekämmt auf seine Schultern, er trägt einen blauen Frack mit goldenen Offiziersstreifen an den Ärmeln, eine silberne Krawatte und ein Nietenarmband. Eine große Sonnenbrille verdeckt die Augen. Ein Paar, das einige Barhocker weiter Cocktails trinkt, schaut immer wieder zu Thomas herüber. Die Frau, um die 50, stößt ihren Mann in die Seite. Der versucht unbeeindruckt geradeaus zu schauen, mustert Thomas aber aus dem Augenwinkel. "Er ist es", flüstert sie. "Er ist es nicht!", raunt der Mann zurück. Der Grund für das Getuschel: Thomas sieht nicht aus wie Thomas. Thomas sieht aus wie Udo. Für Uneingeweihte auch: Udo Lindenberg.

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(Foto: Müntefering)

Thomas stammt aus Dortmund, "eigentlich aus Brambauer, bei Dortmund" nuschelt er mit halb geöffnetem Mund und seltsam zuckenden Lippen, was nicht nur an ein Nervenleiden erinnert - auch das eine echte Udo-Attitüde. Thomas gibt sich sichtlich Mühe, schließlich ist sein Idol mit an Bord. Dem echten Udo Lindenberg reicht es nicht, ein bekannter Kreuzfahrturlauber unter den vielen Prominenten zu sein, die heute zum Repertoire maritimer Reisegesellschaften gehören. Lindenberg lässt als erster deutscher Prominenter gleich ein ganzes Schiff für sich fahren und hat eine eigene Kreuzfahrt konzipiert, buchbar für jedermann.

Hochseetreffen der Lindenberg-Jünger

Das Programm des "Rockliner" besteht aus Rock'n'Roll, Eierlikör sowie einer treuen Lindenberg-Fangemeinde. Die hat mit 2000 Passagieren das Kreuzfahrtschiff Mein Schiff 1 bis auf den letzten Platz belegt. So zu sein wie der Udo, ist nicht nur für Thomas ein wichtiges Ziel. Mehr oder weniger gekonnt huldigen viele Gäste dem typischen Erscheinungsbild des Sängers: Mit Hut, Sonnenbrille, entsprechenden Jacken. Oder gleich allem auf einmal.

Etwa ein Dutzend richtige Doubles sind auf dem "Rockliner" auszumachen. In Hamburg soll es schon einen Hut inklusive Udo-Frisur zu kaufen geben, so erzählt man sich hier. Andere tragen Fan-T-Shirts, einer das Lindenberg-Konterfei als Tätowierung auf dem Oberarm. Eine Art Contest der Verehrung, allerdings ganz ohne Rumgezicke. Wer die fünftägige Kreuzfahrt bucht, weiß in der Regel, worauf er sich einlässt. Nur ein ahnungsloses Ehepaar aus Oberhausen bestaunt an Deck überrascht das Hochseetreffen der Lindenberg-Jünger.

Promi und Programm ist das Credo

Die Zeiten, in denen Urlaub auf Kreuzfahrtschiffen den oberen Zehntausend vorbehalten war, sind lange vorbei. Auch sind die Schiffe mit den Jahren größer, die Pools an Deck länger geworden, und selbst das Animationsprogramm an der Golf-Abschlagsanlage des Schiffes ist längst keine Angeberei auf dem Nachbarschaftsfest mehr wert. Die Kreuzfahrtgesellschaften indes freuen sich über das stetig wachsende Passagieraufkommen. Laut Analyse des deutschen Reiseverbands haben 2009 erstmals mehr als eine Million Deutsche an einer Hochseekreuzfahrt teilgenommen, ein sattes Plus von 13,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch zehn Jahre zuvor waren es gerade einmal 330.000 Kreuzfahrturlauber.

Von sogenannten Event- oder Themen-Kreuzfahrten versprechen sich Veranstalter nun, einerseits die Zuwachsraten zu halten und zugleich dem Urlaub auf See wieder seinen exklusiven Charme zurückzugeben. Promis und Programm lautet das Credo.

Passagiere können wahlweise auf der kulinarischen Reise mit Sterneköchen Gewürztipps sammeln oder mit Fechtweltmeisterin Anja Fichtel trainieren, die Kreuzfahrt "Rennwoche" nach Monaco indes garantiert echte "Rennfahrer an Bord". Für die Prominenz springt dabei allerdings nicht immer eine echte Gage heraus, so wie bei Udo Lindenberg. Oft gibt es eine Vereinbarung: Prominente dürfen mitfahren, Urlaub machen, sogar Freunde oder Familie mitnehmen. Im Gegenzug sind sie die Unterhaltungsbeilage für die Touristen, die gern das Gefühl haben, sich ihren Liegestuhl mit einer bekannten Persönlichkeit zu teilen. "Die Passagiere mögen die Nähe zu den Künstlern. Sie wollen ihren Idolen einmal nahe sein", sagt Richard Vogel, CEO der Tui-Cruises.

Das Problem mit der Nähe

Udo Lindenberg auf dem Rockliner nahe zu sein, ist allerdings gar nicht so einfach. Der Star frühstückt nicht im Speiserestaurant des Schiffs, sondern bevorzugt den Kabinenservice. Wo sich Udo zeigt, stürmen die Fans auf ihn zu. Einige Gäste haben Glück, Udo steht im Aufzug. Ein kurzes "Hallo" oder im Udo-Jargon: "Keine Panik" - dann öffnet sich die Tür und auch die intimste Fahrstuhlnähe schwindet.

Einfacher ist es, sich mit den Udo-Doubles an der Bar fotografieren zu lassen oder den Mitgliedern des Panikorchesters Autogramme abzujagen, die in den Pausen zwischen den Gästen am Barbecue-Grill auf Schrimps und Bratwurst warten. "Ich bin so was wie der Gastgeber hier", glaubt Udo Lindenberg. "In der Kabine kann ich texten und die Show vorbereiten, so am Pool rumzuliegen, dafür habe ich gar keine Zeit", kommentiert der Star den Rummel um seine Person auf dem Rockliner, wo ihn jeder beim Vornamen nennt.

Schulden für den Kreuzfahrt-Traum

"Wir wären mit Udo überall hingefahren", schwärmen Minita, 28, und Christian, 31, aus Schwerin, ihr Baby haben sie auf das Schiff mitgenommen. Sie sind jünger als die übrigen Reisenden, deren Altersdurchschnitt bei immerhin 46 Jahren liegt. Die Route des Schiffes (von Kiel nach Stockholm, Oslo und zurück), ist für die Fans nicht wichtig. Einige von ihnen haben für ihren Traum, mit Udo zu verreisen, sogar einen Kredit aufgenommen. Die günstigste Zweibett-Kabine kostet etwa 1200 Euro, eine Zweibett-Juniorsuite 3200 Euro. Richard Vogel von Tui ist sich sicher, dass Lindenberg mit seiner Kreuzfahrt-Idee die ganze Branche beflügeln wird. "Mit dem Rockliner erreichen wir viele Erstkreuzfahrer. Die kommen wegen Udo Lindenberg hierher. Von denen hoffen wir, dass sie wiederkommen", frohlockt Vogel.

Zu Tränen gerührt

Nicht auf allen Event-Fahrten gibt es Bier im Whirlpool und ZZ-Top aus Lautsprechern an Deck, auch deutlich Beschaulicheres steht auf dem Programm der Kreuzfahrt-Kreationen. Etwa ein Segeltörn, auf dem Helmut Karasek eine literarisch angehauchte Geschichtsstunde über die Vergangenheit der Ostseeregion gibt. Oder eine WM-Kreuzfahrt, auf der Reiner Calmund und Moderator Werner Hansch die Fußballspiele in Südafrika kommentierten. Tatortkommissar Dietmar Bär fährt zum Jahreswechsel mit an Bord der "Delphin Voyager" in die Karibik, Howard Carpendale konnte im vergangenen Jahr als prominente Schiffsbegleitung bei Aldi gebucht werden.

Auch die Sopranistin Anna-Maria Kaufmann und Turner Fabian Hambüchen, waren bereits Kreuzfahrtpromis, und Dagmar Berghoff erzählte an Deck aus ihrem Leben als Tagesschausprecherin. Beliebt sind zudem Schiffe, die für TV-Produktionen wie "Das Traumschiff" dienen, das weiterhin der Deutschen liebster Liner ist. Dann dürfen Passagiere während der Dreharbeiten auch mal als Statisten auftreten, und das Urlaubsvideo wird später im ZDF ausgestrahlt. Hollywoodaffin sind bisher nur zwei Prominente: Auf der Fahrt "Disney Magic" sind Mickey Maus und Pluto zu Gast.

Schlechte Erfahrungen mit B- und C-Prominenten

Kreuzfahrtdirektor Uwe Mannweiler kennt den Promi-Rummel auf den Luxusdampfern. In 24 Jahren an Bord habe er sie alle gefahren. "Prominente haben schon immer auf Kreuzfahrtschiffen Urlaub gemacht", erzählt er. "Dieter Thomas Heck war oft an Bord, hat ganz normal am Buffet gestanden. Ein Kerl zum Anfassen." Nicht besonders positiv sind hingegen Mannweilers Erfahrungen mit der B- und C-Prominenz oder mit denen, die einmal prominent waren. "Da würde sich mancher wundern, dass einer gar nicht der liebe Schwiegersohn ist, für den man ihn hält", sagt Mannweiler.

Auf dem Rockliner tritt Udo Lindenberg an zwei Abenden mit seinem Panikorchester auf. In neongrünen Socken. Bereits mit der ersten Bewegung des Sängers ist klar: Es ist dieser Mann, den die Fans sehen wollen. Achim aus der ersten Reihe klettert vor Begeisterung samt Energie-Cottbus-Trikot und wilden Luftgitarrengesten auf die Bühne. Als Zugabe dichtet Udo später den "Sonderzug nach Pankow" noch kurzerhand in "Sonderschiff nach Oslo" um.

Double oder Original?

Viel später am Abend ringt ein Weggefährte Lindenbergs mit den Tränen, als es zum Spontanauftritt des Sängers mit der Band "Midnight Ramble Allstars", in der verrauchten Casino-Bar im Bauch des Schiffes, kommt. "Hier ist gerade der Rock'n'Roll wieder auferstanden", haucht der Musikredakteur und ehemalige Regieassistent des ARD-Beat-Club bewegt, während der Sänger Adel Tawil der Gastband "Ich und Ich" hinter der Bühne wie selbstverständlich die Arme um eine Unbekannte legt, die ihm nie zuvor begegnet ist. "Das gibt's nur auf dem Rockliner", sagt ein Fan.

Wohin das Schiff fährt, ist in dieser Nacht völlig egal. Selbst wenn es untergehen würde, wie die Andrea Doria - dann wäre immerhin der Soundtrack dazu unsterblich.

Als Udo-Double Thomas zurück in Kiel von Bord geht, spricht ihn ein Mitreisender schließlich an. "Du, Thomas", sagt er. "Gestern Abend habe ich Udo gesehen. Er stand ganz alleine an Deck. Keiner hat ihn angesprochen. Alle haben geglaubt, das wärst Du."

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