Kreuzfahrten für Heavy-Metal-Fans:Meereskreischen

Teilnehmerin der Kreuzfahrt "70.000 Tons of Metal"

Ein bisschen wie Pauschalurlaub, aber mit guter Musik: Teilnehmerin der "70.000 Tons of Metal"-Kreuzfahrt.

(Foto: Marc Hansen, Michael Jagla)

Heavy Metal und ein Kreuzfahrtschiff, das passt nur auf den ersten Blick nicht zusammen: Man nehme nur fünfmal so viel Alkohol wie üblich, eine Innenkabine für die symbolisch böse Summe von 666 Dollar und ganz viele schwarze T-Shirts. Fans harter Rockmusik haben die Kreuzfahrten für sich entdeckt.

Von Susanne Neumann

Mächtige Gitarrenriffs wummern von der riesigen Bühne auf dem Sonnendeck. Fans aus 55 Ländern der Welt stehen vor der Bühne, hinter der Bühne, liegen entspannt im Liegestuhl oder hören vom Whirlpool aus zu. Im warmen Wasser reiht sich Tätowierung an Tätowierung. Die Haare fliegen im Kreis, Arme sind in den Himmel gereckt, der kleine Finger und Zeigefinger zum Heavy-Metal-Gruß gespreizt. Alkoholfahnen vermischen sich mit der warmen karibischen Nachtluft. Ständig kommen Kellner in blauen Hawaiihemden vorbei und bringen Miami-Vice-Cocktails und Piña Coladas.

Fast fünfmal soviel Alkohol wie sonst üblich plant die Linie Royal Caribbean für diese besondere Kreuzfahrt ein, die von Miami aus die Turk Islands ansteuert. Bei der ersten Ausgabe der "70.000 Tons of Metal" 2011 war nach zwei Tagen das Bier alle - das soll diesmal nicht passieren.

"Es ist ein bisschen wie Pauschalurlaub, nur eben mit guter Musik", sagt Mille Petrozza, Sänger der deutschen Band Kreator. "Das macht sicher für viele den Reiz aus." Tag und Nacht essen, so viel man möchte, auch Steak, Scampi und Hummersüppchen. Sonne satt. Das Casino zum Spielen. Und nachts die Metal-Karaokebar, in der auch viele Bandmitglieder legendäre Auftritte hinlegen. Einen eigenen Backstage-Bereich gibt es an Bord nicht, deswegen kommen die Fans ihren Helden so nah wie sonst nie. Musiker der Band Rage sitzen im Restaurant neben ihnen, Sabaton im Pool, In Flames an der Bar. Erinnerungsfotos Arm in Arm gehören dazu.

"Das Paradies", finden die Passagiere. Oder: "Der absolute Wahnsinn." Auch für manche der 40 Bands ist die Fahrt etwas Besonderes: "Die Fans sind mein ein und alles", versichert Sängerin Doro Pesch, ein Männertraum aus Leder, Nieten und langen hellblonden Haaren. Und hier an Bord seien auch die "harten Fans", die sich wirklich ausschließlich für die Musik interessierten, nicht nur fürs Partymachen. Ein bisschen blass um die Nase ist Doro Pesch, als sie das sagt. Sie ist seekrank und hat sich die ganze Nacht übergeben müssen.

Der Veranstalter, Musikmanager Andy Piller aus Vancouver, macht sich hingegen Gedanken über sein Publikum. Er steht an der Reling, auf seinem schwarzen Hemd leuchten die weiß eingenähten Buchstaben "Skipper" in der Sonne, seine langen Haare wehen im Wind. "Die Stimmung hat sich seit der ersten Metal-Cruise schon ein bisschen verändert", sagt er, das liege wohl auch an der starken Berichterstattung über die Heavy-Metal-Kreuzfahrt. Die locke auch Eventtouristen an oder Jungsgruppen, die alle das gleiche rosa T-Shirt tragen.

Damit das ganze nicht zum "Metal-Ballermann" verkommt, setzt Andy Piller auf anspruchsvolle Momente: Die preisgekrönte Pianistin Vika Yermolyeva gastiert mit Covern von Heavy-Metal-Songs am weißen Flügel im messingglänzenden Foyer. Und der finnische Geiger Olli Vänskä von der Band Turisas gibt eine Einführung in die Welt der Violine.

Konkurrenz durch Wacken

Der Heavy Metal, der in den achtziger Jahren mit immer schnelleren und lauteren Schlägen gegen das Bürgerliche und Spießige anhämmerte, ist längst im Mainstream angekommen. Selbst ein Mann wie Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zeigte sich im AC/DC-T-Shirt. Aber was heißt schon "der Heavy Metal"? Hardrock wie von AC/DC, Operngesang wie von Nightwish oder harter Gröhl-und-Grunz-Death-Metal wie von Cannibal Corpse, Black Metal, Thrash Metal, Symphonic Metal, Folk Metal: Letztendlich ist nur die Liebe zu Gitarren als gemeinsamer Nenner geblieben, die Musikrichtung hat sich stark ausdifferenziert.

Konzert Fans Heavy Metal Kreuzfahrt "70.000 Tons of Metal"

Rockspektakel auf dem Sonnendeck der Majesty of the Seas.

(Foto: Marc Hansen, Michael Jagla)

Im Dezember hat es Piller mit einer zweiten Kreuzfahrt versucht, der "Barge to Hell". Ebenfalls von Miami aus ging es auf die Bahamas, mit deutlich härteren Bands an Bord. Ein Verlustgeschäft: Im Gegensatz zur schnell ausverkauften "70.000 Tons of Metal" war nur knapp mehr als die Hälfte der Kabinen gebucht. Die Fahrt in die Vorweihnachtszeit zu legen, sei wohl nicht so schlau gewesen, sagt Piller. Vor allem die Europäer, die sonst das Schiff bevölkerten, erhielten in der Zeit oft keinen Urlaub.

Im Mai bekommt Piller Konkurrenz: Die Macher des Wacken Open Air Heavy-Metal-Festivals veranstalten in der Nordsee eine "Full Metal Cruise" auf der Mein Schiff 1 von Tui. Dass er dadurch Fans verliert, glaubt Piller nicht. "Konkurrenz belebt das Geschäft. Und die Nordsee ist eben nicht die Karibik", sagt er und zeigt grinsend auf das glitzernde Meer. "Der Blick aufs Wasser macht einen immer wieder ruhig", sagt er. Mit erhobener Stimme, denn von der Bühne knallt der Sound der Band Anacrusis herüber.

Generell ist bei der Heavy Metal-Cruise der Umgang der Fans miteinander, mit den Bands oder mit dem Schiff von Respekt geprägt. "Es sitzen halt alle in einem Boot", sagt Skipper Piller. Während auf anderen großen Festivals auch schon mal Wassermelonen und Dosensuppen in Zelte fliegen, das Dixi-Klo umgeschubst und mit Schlamm geworfen wird, sei hier noch nie etwas kaputt gegangen.

Unter Deck, in einer engen Viermann-Kabine ohne Fenster, faltet das brasilianische Zimmermädchen Christiamary akkurat die Handtücher zusammen. "Ihr seid ordentlicher als die Leute auf den normalen Kreuzfahrten", sagt sie und lacht. Sechs Monate am Stück lebt sie an Bord. Auf die Heavy-Metal-Cruise freuten sie und ihre Kollegen sich immer am meisten: Gute Stimmung - und keiner meckere herum. Während sich die Gäste durch die luxuriöse Umgebung deutlich gesitteter benehmen als bei einem normalen Festival, blühen die 900 Servicekräfte sichtlich auf, posieren mit den Fans für Fotos und erheben die Hand zum Metal-Gruß. Die leichte Scheu, die das Personal im ersten Festival-Jahr noch an den Tag gelegt hatte, ist bei vielen gewichen.

Schwarze T-Shirts auf weißen Liegestühlen, blutrünstige Tätowierungen in schicken Glas-Fahrstühlen, weiße Servietten auf Nieten-Shorts: Heavy Metal und ein Kreuzfahrtschiff, das passt nur auf den ersten Blick nicht zusammen. Zum Wacken-Open-Air kommen einige im gut eingerichteten Campingwagen. Sie bauen kleine Zeltdörfer oder sogar Jägerzäune, die Klassiker unter den Gartenzäunen. Die Fans sind mit den Bands älter geworden - und bequemer. Eigentlich sind Metal-Fans ebenso loyal und traditionsbewusst wie Rentner, die jedes Jahr im gleichen Hotel im Schwarzwald Urlaub machen: Sie hören seit 30 Jahren dieselben Lieder, tragen dieselben T-Shirts, dieselben Frisuren und fahren auf dieselben Festivals.

Flipflops statt Bikerstiefel

"70.000 Tons of Metal" ist eben die Luxusvariante des Festivals. Und die Gäste sind ebenfalls treu: Fast ein Viertel hat alle drei bisherigen Kreuzfahrten mitgemacht, mehr als die Hälfte ist zumindest zum zweiten Mal dabei. Kein ganz billiges Vergnügen: 666 Dollar - die symbolische Heavy-Metal-Zahl des Bösen -, kostet die günstigste Innenkabine, plus Gebühren und Fluganreise. Der Großteil der 2000 Gäste kommt aus Deutschland, Kanada und den USA. Aber auch Ukrainer, Inder, Saudis und Koreaner sind dabei. Für die Fahrt nehmen die meisten ihren Jahresurlaub. Die Frauen werden dabei gern zu Hause gelassen - fast 70 Prozent der Fans auf dem Schiff sind Männer.

Fans Andy Piller Kreuzfahrt "70.000 Tons of Metal"

"Die Nordsee ist eben nicht die Karibik", sagt Musikmanager und Veranstalter Andy Piller.

(Foto: Marc Hansen, Michael Jagla)

Mittwoch ist Landtag. Die 13-stöckige Majesty of the Seas macht in Cockburn Town auf Grand Turk fest, einer winzigen Insel nordöstlich von Kuba. Königspalmen wiegen sich im leichten Wind, das Wasser ist warm, klar und türkisfarben, der Strand weiß, Bougainvillea-Blüten bilden einen hübschen Kontrast zum blauen Himmel. Es dauert keine halbe Stunde, bis einer der Kreuzfahrer dem Barmann der Strandbar seinen MP3-Player in die Hand gedrückt hat und das Inselparadies statt mit säuselnden Calypso- und Reggae-Klängen mit Metal beschallt wird. Der Strandverkäufer reagiert sofort: "Ihr Jungs scheint schwarz zu mögen. Nur heute: zehn Prozent auf alle schwarzen T-Shirts."

Bands und Fans verbringen den Tag ganz ähnlich: Die Musiker von Sinister stehen im Wasser, Rage-Leute liegen faul unter Palmen, Doro Pesch tauscht Bikerstiefel gegen neue Flipflops, Lizzy Borden findet man an der Bar. Das ist auch ein Phänomen des Metalschiffs: Die große Inszenierung wird nicht aufrecht erhalten. Die Musiker, die sich auf der Bühne mit Kunstblut einschmieren, als Wikinger oder Vampire herumtoben, sind eben auch nur normale Menschen, die genauso Sonnenbrand kriegen wie der Rest. Ausgerechnet ein Luxus-Kreuzfahrtschiff zeigt also die Idee von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - auch wenn die einen deutlich größere Kabinen haben, und das sogar mit Fenster.

Um 16 Uhr geht es zurück auf die Majesty of the Seas, eine halbe Stunde später beginnen bereits wieder die ersten Konzerte. Abends steht Doro Pesch auf der Bühne am Pool, ihre anfängliche Seekrankheit hat sie jetzt am dritten und vorletzten Tag überwunden. Sie singt ihre Hits, auch deutsche Songs wie "Für immer". Seit 30 Jahren hat sie Erfolg als Sängerin, das hier ist allerdings neu für sie: "Der Spaßfaktor auf dem Schiff ist schon enorm, weil es so außergewöhnlich ist. Man spielt auf so vielen Festivals - aber auf dem '70.000 Tons of Metal' vielleicht nur einmal im Leben."

Doch sie hat Blut geleckt: Im Mai wird sie auf der "Full Metal Cruise" des Wacken-Festivals auftreten. Von Hamburg aus geht es nach Southampton, Le Havre und Amsterdam. Hoffentlich dann mit guten Tabletten gegen die Seekrankheit.

SZ Grafik Kreuzfahrt Heavy Metal

SZ Grafik Kreuzfahrt Heavy Metal

(Foto: SZ Grafik)

Informationen

Anreise: Mit Air Berlin ab/bis Düsseldorf nach Miami ab 580 Euro, www.airberlin.com

Unterkunft in Miami: Clifton Hotel South Beach, Doppelzimmer ab umgerechnet etwa 100 Euro, www.cliftonsouthbeach.com

Kreuzfahrt: 27. vom 31. Januar 2014 ab Port of Miami, Preise pro Person ab umgerechnet ca. 510 Euro plus Gebühren in der Vierer-Innenkabine bis 1900 Euro in der Grande Suite mit Balkon, www.70000tonsofmetal.com, Veranstalter: Ultimate Music Cruises Inc. Vancouver, Kanada, www.umcruises.com, Tel.: 001/604/2988667

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