Süddeutsche Zeitung

Corona und Schiffsreisen:Wie geht es weiter mit den Kreuzfahrten?

Testvorschriften werden verschärft und Routen geändert: Was Omikron für die Branche bedeuten könnte.

Von Ingrid Brunner

Es hätte so schön sein können. Nach dem coronabedingten Stillstand der Kreuzfahrtindustrie waren zuletzt viele Schiffe wieder mit Gästen in See gestochen. Doch die Virusvariante Omikron könnte den Aufschwung der Branche gefährden. Schon beginnen erste Kreuzfahrtgesellschaften, das südliche Afrika, wo die Variante zuerst entdeckt und beschrieben wurde, zu meiden und umzurouten. Das US-amerikanische Unternehmen NCL streicht fünf Südafrika-Kreuzfahrten, die im Dezember und Januar geplant waren. Und die MS Europa von Hapag-Lloyd Cruises legte zwar in Kapstadt an, ließ aber keine Passagiere an Land gehen. Weitere geplante Anläufe in Südafrika und Namibia wurden gestrichen, stattdessen nahm die MS Europa direkt Kurs auf Mauritius.

In den Zentralen der Reedereien wird gerade unter Hochdruck diskutiert, wie mit Omikron umzugehen ist. Tui Cruises und Hapag-Lloyd Cruises haben bereits reagiert: Die beiden zu Royal Caribbean gehörenden Unternehmen gaben bekannt, dass Reisende vor Einschiffung ab sofort doppelt negativ getestet sein müssen, unabhängig vom Impfstatus. Ob Impfungen auch vor einer Ansteckung mit der Omikron-Variante schützen, ist noch unklar. Und doch setzt sich die Impfung als Zugangsvoraussetzung an Bord immer mehr durch. Noch variieren die Regeln je nach Anbieter von 1 bis 3 G. Wobei 3 G tatsächlich ein Auslaufmodell ist. "Die Impfquote der mitreisenden Passagiere liegt deutlich höher als jene der deutschen Bevölkerung", sagt Godja Sönnichsen, Pressechefin von Tui Cruises.

In der Karibik und im Orient sind die Vorgaben besonders strikt

Wie strikt die Impfregeln an Bord sind, ist nicht nur eine Entscheidung der Reederei - maßgeblich sind die Vorschriften in den Zielgebieten. Am restriktivsten sind diese derzeit in der Karibik und im Orient. Dort sind Kreuzfahrten aktuell weitgehend Adults-only-Veranstaltungen, alle Passagiere ab zwölf Jahre müssen vollständig geimpft sein. Einen Vorteil haben die strikten Impfvorgaben allerdings auch: Individuelle Landgänge sind nun in vielen Häfen, besonders in der Karibik und im Orient, wieder möglich. Solange die Omikron-Variante dies zulässt.

Die Nachfrage hatte zuletzt stark angezogen. So konnten in den vergangenen Wochen viele Reedereien einen Großteil ihrer Schiffe wieder auslaufen lassen. Bei Aida Cruises, dem Marktführer im deutschsprachigen Raum, sind mittlerweile 80 Prozent der Flotte wieder im Einsatz. "Wir sind in einer sehr guten Vorwärtsbewegung", sagt Aida-Kommunikationschef Hansjörg Kunze. Der Betrieb in den klassischen Zielgebieten - Kanaren, Mittelmeer, Karibik, Orient, Reisen ab Hamburg - laufe wieder. Reisen in fernere Gefilde und neue Routen stehen noch aus. Zuerst gelte es, zurück zum Regelbetrieb zu kommen. Die Chancen stehen gut, dass das Rostocker Unternehmen im nächsten Jahr zurück in die Ertragszone kommt.

Zuletzt wurden nur wenig Corona-Fälle auf Kreuzfahrtschiffen bekannt. Trotz aller Vorkehrungen gab es aber auch immer wieder Rückschläge. So wurden jüngst zehn von 3200 Passagieren an Bord der Norwegian Breakaway bei ihrer Rückkehr von einer Karibik-Kreuzfahrt positiv auf Corona getestet. Das mag ein Ausreißer gewesen sein. Ob es sich um Impfdurchbrüche oder doch um Laxheit bei den Kontrollen handelt, wird nun geprüft.

Gleichwohl: Die frühzeitige Entwicklung strikter Hygieneprotokolle und Testungen, die Impfungen der Crews, die Investition in Krankenstationen, Isolierbereiche und Testlabore an Bord haben sich offenbar ausgezahlt. "Wir haben bewiesen, dass Urlaub an Bord sicher ist", sagt Hansjörg Kunze. Auch Godja Sönnichsen, Pressechefin bei Tui Cruises, sieht die Hygiene-Strategie ihres Unternehmens bestätigt. Seit dem Neustart im Juli 2020 seien bisher mehr als 250 000 Passagiere an Bord der Mein-Schiff-Flotte gewesen. "Damit haben wir gezeigt, dass Kreuzfahrten mit dem richtigen Gesundheitskonzept auch in Pandemiezeiten sicher möglich sind."

Komplexes Regelwerk: So unterschiedlich sind die Vorgaben der Kreuzfahrtreedereien

Egal um welchen Anbieter es sich handelt: Ohne vorherige Testung und negatives Testergebnis kommt niemand an Bord. Die Kosten tragen die Kreuzfahrtreedereien. Dies bedeutet, dass jede Reise, egal ob an Bord 1, 2 oder 3 G gilt, automatisch eine 1-, 2-beziehungsweise 3-G-Plus-Reise ist. Die Impfanforderungen ändern sich nach wie vor dynamisch. Reisende sollten sich deshalb unbedingt regelmäßig informieren, welche Regelungen gelten.

Aida: Seit Beginn der Wintersaison gilt 1 G: Nur Geimpfte dürfen an Bord. Dies gilt in der Karibik und im Orient für alle Gäste unabhängig vom Alter. Für diese Zielgebiete müssen auch Genesene einen vollständigen Impfschutz nachweisen. Für Reisen in Europa gilt abweichend: Alle Gäste (auch Genesene) ab zwölf Jahren müssen einen vollständigen Impfschutz nachweisen. Gäste unter zwölf Jahren können mitreisen, nach - siehe oben - vorheriger Testung.

Tui Cruises: Die Impfvorschriften variieren je nach Region: So ist im Orient und in der Karibik für alle Personen über zwölf Jahren eine Impfung erforderlich. In der Ostsee, in Norwegen und auf den Kanaren benötigen Gäste ab 18 Jahren eine vollständige Impfung. Eine Ausnahme bildet die Mein Schiff 4, die aktuell in kanarischen Gewässern unterwegs ist: Dort gilt 3 G, sprich, auch Ungeimpfte dürfen mitreisen.

Costa Crociere: Ein wichtiges Zielgebiet der italienischen Kreuzfahrtgesellschaft ist das Mittelmeer. Dort gilt noch die familienfreundliche 3-G-Regel. Während einer siebentägigen Kreuzfahrt wird zudem nach drei Tagen ein Antigentest gemacht. Ausflüge finden am Mittelmeer nur in der Kreuzfahrt-Bubble statt. Anders in der Karibik: Alle Gäste müssen vollständig geimpft sein. Kinder unter zwölf Jahren können demnach nicht mitreisen. Im Fahrgebiet Emirate-Orient müssen Kinder ab zwölf Jahren vollständig geimpft sein.

Hapag-Lloyd Cruises: Seit Herbst 2021 dürfen nur Geimpfte an Bord der fünf Schiffe. Dies gilt aktuell für alle Crewmitglieder sowie für Passagiere, die bei Reiseantritt 18 Jahre alt sind. Von 1. Februar 2022 an gilt in Anlehnung an die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) die Impfpflicht auf allen Schiffen der Flotte für Kinder ab zwölf Jahren.

MSC Cruises: Die Schweizer Reederei verlangt seit 4. Dezember nun auch im Mittelmeer 2 G. Passagiere müssen vollständig geimpft oder genesen sein. Bei Genesenen gilt, dass sie sechs Monate nach der Erkrankung eine Impfung benötigen. Zusätzlich müssen alle Gäste ab zwei Jahren einen negativen RT-PCR- oder Antigentest vorlegen, der bei Abfahrt des Schiffes nicht älter ist als 48 Stunden. Gäste aus Nicht-Schengen-Ländern müssen zusätzlich zum Impfnachweis ein negatives PCR-Testergebnis vorlegen, das bei Abfahrt des Schiffes nicht älter ist als 48 Stunden. 2 G plus gilt auch für Nordeuropa, Emirate, Rotes Meer und Karibik.

Hurtigruten: Für eine Reise auf der traditionellen norwegischen Hurtigruten-Postschifflinie muss bereits bei der Einreise der Nachweis für eine vollständige Impfung erbracht werden. Seit dem 3. Dezember benötigen zudem alle Gäste ein negatives Testergebnis, das beim Einschiffen nicht älter als 36 Stunden sein darf. Für Hurtigruten Expeditions gilt: Nur vollständig Geimpfte dürfen eine Expeditionsreise antreten.

NCL: An Bord der NCL-Schiffe gilt eine hundertprozentige Impfpflicht, dafür entfällt auf den Schiffen die Maskenpflicht und das Social Distancing. brunn

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5483082
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.