Kreuzfahrtschiff mit Unterwasserbar:Auf einen Drink mit Wal und Tintenfisch

Unterwasserbar auf dem Kreuzfahrtschiff "Le Lapérouse"

Ein bisschen Enterprise, ein bisschen Jules Vernes: Die Lamellen und Fenster der Unterwasserbar sind den Barten und Augen eines Wals nachempfunden.

(Foto: Laure Patricot/Ponant)

Zum ersten Mal können Passagiere auf einem Kreuzfahrtschiff auch unter Wasser aus dem Fenster schauen. Das soll nicht nur der Unterhaltung dienen.

Von Ingrid Brunner

Ein Delfin schwimmt vorbei, eine Qualle schwebt im Wasser, ein Wal beobachtet durch eine Glasscheibe Menschen. Die Menschen trinken dabei einen Cocktail, plaudern, blicken dem Wal ins Auge. Hört sich nach Aquarium an, nur dass hier die Menschen im Schaukasten sitzen. Und die Bewohner der Unterwasserwelt sind frei. Frei, mal vorbeizuschwimmen, um die Passagiere des Kreuzfahrtschiffes in der Blue Eye Underwater Lounge zu beäugen. So stellt sich das zumindest die Reederei Ponant vor, in deren vor Kurzem in Dienst gestelltem Schiff Le Lapérouse die weltweit erste Unterwasserbar eingebaut ist.

Deck null ist für Passagiere normalerweise verboten - aus Sicherheitsgründen, es sei denn, man hat eine Führung durch den Maschinenraum gebucht. Denn dort, im Bauch des Schiffes, befindet sich auch auf der Le Lapérouse die gesamte Schiffstechnik - Tanks, Maschinenraum und Kläranlage sowie Lager- und Kühlräume. Und die Unterwasserlounge. Sie ist der erste Publikumsbereich auf einem Kreuzfahrtschiff, der unter der Wasserlinie liegt.

Der Gesang der Meeressäuger wird mit spezieller Technik auf "Body Listening Sofas" übertragen

Ihre Gestaltung erinnert an eine moderne Version von Captain Kirks Brücke auf der Enterprise. Rechte Winkel sucht man hier vergeblich. Wände, Türen, Tische und Sitzmöbel sind bionisch geformt, auch die beiden Panoramafenster, deren Form einem Walauge nachempfunden sind. Wellenförmige Lamellen an den Wänden erinnern an die Barten eines Wals. Gedimmtes Licht beleuchtet Wände und Boden. "In der Nacht wird das wunderbar sein. Stellen Sie sich vor: All das Plankton, die Tiere, die vom Licht angezogen werden! Und die Chance, einen Kalmar zu sehen, der nachts an die Wasseroberfläche steigt." So schwärmt der Designer der Lounge, der französische Architekt Jacques Rougerie.

Die Besonderheit dieses Raums erschöpft sich nicht im Visuellen. Die Liegen sind mit Unterwassermikrofonen ausgestattet, die vom Schiffsrumpf die Klänge des Ozeans in die Kabine leiten, wo diese als Schwingungen auf "Body Listening Sofas" übertragen werden. Die Passagiere "hören" mit ihrem Körper den Gesang der Buckelwale und die Klick-, Pfeif- und Quietschlaute der Delfine. Entwickelt wurde diese Technologie in Zusammenarbeit mit Ifremer, einem französischen Meeresforschungsinstitut. Der Meeressound ist unterlegt mit Musik, die der französische Komponist Michel Redolfi komponiert hat. Redolfi ist ein Star in der Elektromusikszene, der sich auf die Vertonung von Geräuschen aus der Natur, etwa der Wüste und besonders der Unterwasserwelt spezialisiert hat.

"Man muss das Meer sehen, und man muss es hören", sagt Jacques Rougerie. Sein ganzes Berufsleben hat er dem Tauchen, dem Wohnen und Leben unter Wasser gewidmet. Ganze Städte will er auf und unter dem Wasser bauen - viele nennen ihn deshalb einen Fantasten. "Ich bin ein pragmatischer Träumer", sagt er selbst von sich. Ein beharrlicher dazu: Immer wieder hat er durch zunächst unmöglich erscheinende Konstruktionen die Welt überrascht. Für den Wissenschaftler und Unterwasserfilmer Jacques-Yves Cousteau entwarf er zum Beispiel neue Forschungskapseln und Unterwasserstationen.

Mit der Blue Eye Underwater Lounge hat Rougerie einen schiffbaulichen Coup gelandet. Sie ist die Attraktion der neuen Klasse von Expeditionsschiffen der französischen Reederei Ponant. Als erster der insgesamt sechs geplanten Ponant Explorer ist die Le Lapérouse seit Juni in Nordeuropa unterwegs. Jean-Emmanuel Sauvée, der Chef der Reederei, war vor drei Jahren auf seinen langjährigen Freund Rougerie zugekommen, ob dieser nicht etwas Besonderes für seine neue Schiffsklasse entwerfen könne, die er zum dreißigjährigen Bestehen der Reederei aufs Wasser bringen wollte. Rougerie konnte.

"Man wird auch den Müll am Meeresgrund sehen"

Innovativ ist bereits die Konstruktion: Erstmals sind in den Stahlrumpf eines Schiffes Panoramafenster integriert. Diese bestehen aus mehr als zwanzig miteinander verklebten Glasschichten, die elastisch sind und extremen Belastungen standhalten. Eine Spezialfirma aus Deutschland hat das Glas entwickelt, das ebenso stabil ist wie der umgebende Schiffsstahl. "Wir haben tonnenschwere Metallteile auf das Glas fallen lassen - es gab keine Sprünge, keine Verformungen, lediglich ein paar winzige Fissuren", erklärt Rougerie. Eine weitere technologische Herausforderung bestand darin, den Stahlrumpf mit der Glaswand dicht und bündig zu verbinden.

"Doch das eigentliche Problem war die Klassifikation. Es geht immerhin um die Sicherheit von Schiff und Menschen", sagt Rougerie. Eine Klassifikation ist vergleichbar mit der Zulassung oder Betriebsgenehmigung für neue Auto- oder Flugzeugtypen. Solch einen Prozess durchlaufen auch neue Schiffstypen. In diesem Fall war die zuständige Prüfstelle das Bureau Veritas, eine internationale Gesellschaft, spezialisiert auf technische Tests, Zertifizierungen und Klassifizierungen. "Veritas war am Anfang total gegen dieses Vorhaben", sagt Rougerie. Doch der Architekt ließ sich nicht beirren und hatte in Ponant-Chef Sauvée einen Verbündeten.

Sein Marketing- und Verkaufschef Hervé Bellaiche sagt, man wolle den Passagieren die Schönheit der Ozeane vermitteln, aber auch deren Verletzlichkeit und Schutzbedürftigkeit. "Durch die Fenster wird man nicht nur malerische Riffe und bunte Fische sehen, sondern auch den Müll am Meeresgrund oder vorbeitreibende Plastiktüten", sagt er. Er hoffe, dass genau dieser Illusionsbruch bei den Menschen einen Bewusstseinswandel herbeiführe.

Unterwasserbar auf dem Kreuzfahrtschiff "Le Lapérouse"

Die Besonderheit des Raums erschöpft sich nicht im Visuellen. Es gibt Sessel, die mithilfe von Unterwassermikrofonen den Gesang von Walen und Delfinen spürbar machen.

(Foto: Laure Patricot/Ponant)

Sicher ist, dass Menschen in der mittschiffs gelegenen Lounge abtauchen in eine Umgebung, die bislang nur mit Taucherausrüstung zugänglich war. "Diese Fenster eröffnen den Blick in eine weitgehend unbekannte Welt." Rougerie nimmt bewusst Anleihen bei Jules Verne und dem Unterwasserboot Nautilus der Romanfigur Kapitän Nemo. Etwa 60 Passagiere finden Platz in der Lounge. Bei bis zu 184 Passagieren an Bord könnte es da zu Rangeleien kommen, wenn der Wal kommt. "Das wird sich einspielen, ähnlich wie sonst auf Deck, wenn plötzlich Wale auftauchen", sagt Bellaiche zuversichtlich. Zudem beschränkt sich die moderne Technologie an Bord nicht auf die Lounge. Unterwasserkameras übertragen Bilder auf Plasmaschirme in anderen Bereichen des Schiffes, etwa auf die äußeren Decks, auf die Marina und die Balkone. Die Kameras arbeiten mit Photolumineszenz, um die Wesen unter Wasser nicht zu stören.

So viel Rücksicht auf die Natur wünschte man sich in allen Bereichen auf Kreuzfahrtschiffen. Zwar fährt die Le Lapérouse, wie alle Schiffe von Ponant, mit Marinediesel und nicht mit giftigem Schweröl. Doch auch dieser Kraftstoff entlässt Abgase und Rußpartikel, die sich gerade in arktischen Regionen auf dem Eis ablagern. Die Le Lapérouse kommt im neuesten Umwelt-Kreuzfahrtranking des Nabu auf Platz 10, der Großteil der Ponant-Flotte erhält aber wie die Mehrheit der Branche kein gutes Zeugnis. Architekt Rougerie ist überzeugt, dass die Menschheit ihre Umweltprobleme durch Technologie lösen, die Ozeane retten kann. "Wir müssen den Geist wiederfinden, der die Erbauer der gotischen Kathedralen beseelt hat", sagt er.

Logisch, dass seine Entwürfe auch die Konkurrenz interessieren. Wer das sei, darüber schweigt der Architekt - ebenso wie über die Kosten der neuen Lounge. Muss ihn auch nicht kümmern, er denkt ohnehin längst an neue Projekte. "Ich habe Ideen, die noch viel weiter gehen."

Reiseinformationen

Die Le Lapérouse, seit Juni 2018 in Dienst gestellt, ist das erste von insgesamt sechs neuen Expeditionsschiffen der neuen Schiffsklasse Ocean Explorer der französischen Reederei Ponant. In diesem Oktober soll die Le Champlain folgen. Alle neuen Schiffe sind nach französischen Entdeckern benannt.

Die sechs baugleichen Schiffe haben jeweils 92 Kabinen und bieten bis zu 184 Passagieren Platz - bei circa 110 Besatzungsmitgliedern. Die Schiffe mit Eisklasse 1 C fahren unter französischer Flagge.

Weitere Neuerungen neben der Unterwasserlounge sind der Infinity Pool auf Deck drei und die Marina am Heck: Sie kann als Sonnendeck, Minianleger und Wassersportplattform genutzt werden. Die Dieselmotoren fahren mit Marinediesel und sind mit einem katalytischen Abgasfilter ausgerüstet. Derzeit ist die Le Lapérouse auf einwöchigen Kreuzfahrten in Nordeuropa unterwegs. Vom 29. August bis 5. September geht es von Kopenhagen nach London. Preis: ab 3280 Euro pro Person (www.ponant.de).

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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